Sachverhalt

Bei dem italienischen Verfahren ging es um die Auslegung der Umsatzsteuerlagerregelung gemäß Art. 16 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 154 und 157 MwStSystRL im Anschluss an Einfuhren. Nach Ansicht der Klägerin ist Steuerbefreiung der dem Verbringen von Waren in ein Steuerlager vorausgehenden Einfuhr nicht von der physischen Verbringung der Waren in das Lager abhängig, sondern von der einfachen urkundlichen Verbringung, da der Eigentümer der gelagerten Ware jedenfalls zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr eine Eigenrechnung ausstellen werde, aufgrund derer er die EUSt von der infolge des Verkaufs geschuldeten MwSt abziehe. Wenn die MwSt bei der Einfuhr gezahlt worden wäre, hätte sie - so die Klägerin - diese in der Voranmeldung zum Vorsteuerabzug bringen können, womit dasselbe steuerliche Ergebnis erreicht und der Grundsatz der Steuerneutralität gewährleistet worden wäre. Außerdem war die Klägerin der Auffassung, dass die virtuelle Verbringung der Ware in ein Umsatzsteuerlager in vielen EU-Mitgliedstaaten Union eine zulässige Praxis sei.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 16 Abs. 1 der 6 EG-Richtlinie eng auszulegen ist. Die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift darf dahingehend angewendet werden, dass der Unternehmer einen Gegenstand der Einfuhr, wenn er in den Genuss der EUSt-Befreiung kommen will, physisch in ein Steuerlager verbringen muss, wobei diese physische Präsenz die spätere Erhebung der MwSt sicherstellen soll.

Weiter hat der EuGH entschieden, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem EUSt bei Entzug der Ware aus der Steuerlagerregelung im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens entrichtet wurde, ein Mitgliedstaat nicht nochmals EUSt im Rahmen einer Sanktionsregelung erheben kann. Eine solche Maßnahme ist unverhältnismäßig und liefe im Wesentlichen darauf hinaus, dem Unternehmer sein Recht auf Vorsteuerabzug aus der EUSt zu nehmen.

 

Hinweis

Der EuGH hat bestätigt, dass nach dem Wortlaut von Art. 16 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 154, 157 MwStSystRL eine Steuerbefreiung für virtuelle Lager nicht in Betracht kommt. Zudem sind die Umsatzsteuerlagerregelungen fakultativ und es steht den Mitgliedstaaten ein gewisser Umsetzungsspielraum zu (vgl. Art. 155 MwStSystRL).

Nach deutscher Rechtslage (§ 4 Nr. 4a UStG) setzt die Steuerbefreiung ein (physisches) Verbringen der Ware in das Steuerlager bzw. das Befinden der Ware dort voraus, wenn Lieferungen im Lager ohne Warenbewegung stattfinden. Kern der deutschen Umsatzsteuerlagerregelung ist eine Steuerbefreiung für Umsätze von Gegenständen, mit denen diese in ein Umsatzsteuerlager eingelagert werden, sowie eine Steuerbefreiung der Lieferungen von Gegenständen, bei denen diese körperlich in einem Umsatzsteuerlager verbleiben oder in ein anderes Umsatzsteuerlager im Inland gelangen (§ 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Die Befreiung gilt beim Gelangen der Gegenstände in ein Steuerlager (Einlagerung) nicht nur für die Lieferung dieser Gegenstände im Inland. Befreit sind auch gem. § 4b Nr. 2 UStG ein vor der Einlagerung liegender innergemeinschaftlicher Erwerb oder gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 UStG eine Einfuhr.

Die Steuerbefreiung gilt nicht für Lieferungen, bei denen die gelieferten Gegenstände für die Lieferung auf der Einzelhandelsstufe aufgemacht sind. Umsatzsteuerlager kann jedes Grundstück oder Grundstücksteil im Inland sein, das zur Lagerung der in Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG genannten Gegenstände dienen soll und von einem Lagerhalter betrieben wird. Es kann mehrere Lagerorte umfassen (§ 4 Nr. 4a Sätze 3 und 4 UStG). Umsatzsteuerlager kann somit jeder räumlich bestimmte Ort im Inland sein, der zur Lagerung von in der Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG genannten Gegenständen dienen soll und geeignet ist. Das Lager kann auch aus mehreren Lagerorten bestehen. Umsatzsteuerlager können also auch in den Räumen oder an jedem anderen festen Ort im Inland, der als Zolllager zugelassen wurde, errichtet werden. Das Lager muss durch ein Grundstück oder einen Grundstücksteil räumlich bestimmt sein. Sogenannte virtuelle Lager wie z. B. rollende Lkw können daher kein Umsatzsteuerlager bilden.

Eine rein "urkundliche" und nicht physische Verbringung von Waren in ein Umsatzsteuerlager steht daher der Steuerbefreiung im nationalen Recht entgegen.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 17.07.2014, C-272/13

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