Sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UmwStG erfüllt, hat die übernehmende Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 2 UmwStG das Wahlrecht, abweichend vom Regelansatz mit dem gemeinen Wert das eingebrachte Betriebsvermögen – mit Ausnahme von Pensionsrückstellungen, die nach § 6a EStG zu bewerten sind – entweder mit dem Buchwert oder mit einem Zwischenwert anzusetzen. Nach Rdnr. 20.20 UmwSt-Erlass kann das steuerliche Bewertungswahlrecht unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz ausgeübt werden. Damit ist es möglich, in der Handelsbilanz die Zeitwerte anzusetzen, während in der Steuerbilanz z. B. die Buchwerte fortgeführt werden.

Die Ausübung des Bewertungswahlrechts setzt nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG einen formlosen Antrag voraus, der nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG von der übernehmenden Gesellschaft spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für sie zuständigen Finanzamt zu stellen ist. Nach Rdnr. 20.22 UmwSt-Erlass ist bei der Einbringung von Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft der Antrag durch die übernehmende Gesellschaft zu stellen.[1] Wird der Antrag nicht oder verspätet gestellt, so ist die Sacheinlage zwingend mit dem gemeinen Wert anzusetzen.

Zu der Frage, welche Bilanz mit der steuerlichen Schlussbilanz gemeint ist, hat der BFH mit Urteil vom 15.6.2016[2] Stellung genommen. Obschon der im UmwStG mehrfach verwendete Begriff der steuerlichen Schlussbilanz Unschärfen aufweist, ist bei normspezifischer Auslegung "mit der steuerlichen Schlussbilanz die nächste auf den Einbringungszeitpunkt folgende steuerliche Jahresschlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft gemeint, in der der Einbringungsgegenstand erstmals anzusetzen ist". Somit ist – abweichend von § 3 Abs. 1 UmwStG i.V.m. Rdnr. 03.01 UmwSt-Erlass – die steuerliche Schlussbilanz keine eigenständige Bilanz, die von der Gewinnermittlung nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG zu unterscheiden ist, sondern die reguläre Steuerbilanz. Von diesem Verständnis der steuerlichen Schlussbilanz geht auch die Finanzverwaltung in Rdnr. 20.21 UmwSt-Erlass aus.[3]

Als steuerliche Schlussbilanz gilt nach Auffassung des BFH unter Bezugnahme auf § 60 Abs. 1 und 2 EStDV

  1. die reine Handelsbilanz mit der Erklärung, diese sei auch der steuerlichen Beurteilung zugrunde zu legen,
  2. eine Handelsbilanz mit steuerrechtlichen Zusätzen bzw. Anmerkungen oder
  3. eine eigenständige Steuerbilanz.

Jede dieser drei Varianten der steuerlichen Rechnungslegung ist als steuerliche Schlussbilanz anzusehen und löst damit auch das Fristende für die Antragsrechte nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG aus.[4] Für den Ablauf der Frist kommt es nicht darauf an, ob die eingereichte Bilanz den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den steuerbilanzrechtlichen Sonderregelungen entspricht. Somit wird der Fristablauf durch Fehler bei der Bilanzierung oder der Bewertung nicht aufgehalten.

Nach Rdnr. 20.21 UmwSt-Erlass bedarf der Antrag keiner besonderen Form. Er ist bedingungsfeindlich und kann nachträglich nicht widerrufen oder geändert werden.[5] Aus dem Antrag muss sich ausdrücklich ergeben, ob die eingebrachten Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert oder zu einem Zwischenwert anzusetzen sind. Obwohl mangels besonderer Formvorschriften der Antrag nach herrschender Meinung[6] auch konkludent (z. B. durch Einreichung der Schlussbilanz zu Buchwerten) gestellt werden kann, ist dennoch eine ausdrückliche schriftliche Antragstellung empfehlenswert, um ein Besteuerungsrisiko zu vermeiden.

Hinweis:In der Praxis kann es insbesondere bei beantragter Buchwertfortführung empfehlenswert sein, sich den Eingang des Antrags vom Finanzamt bestätigen zu lassen.

 
Hinweis

Ausgleichsposten

Bei der Anwendung des § 20 UmwStG ist der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 EStG nicht zu beachten. Nach Rdnr. 20.20 UmwSt-Erlass kann demnach das steuerliche Bewertungswahlrecht gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz in der Jahresbilanz ausgeübt werden. Ggf. ist die Aktivierung eines Ausgleichspostens zum Ausgleich zu dem in der Handelsbilanz ausgewiesenen Eigenkapital erforderlich. Der Ausgleichsposten ist kein Bestandteil des Betriebsvermögens und nimmt am Betriebsvermögensvergleich nicht teil.

 
Praxis-Tipp

Gestaltungsmöglichkeit durch Wertaufstockung

Aufgrund der Nichtgeltung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes ist es möglich, bei einer Einbringung handelsrechtlich eine Wertaufstockung vorzunehmen, um damit ein höheres Eigenkapital in der Handelsbilanz auszuweisen, z. B. um das Rating zu verbessern. In der Steuerbilanz können zur Vermeidung einer Besteuerung des Einbringungsvorgangs die Buchwerte fortgeführt werden.

Bei einem Antrag auf Ansatz von Zwischenwerten muss nach Rdnr. 20.21 i.V.m. Rdnr. 03.29 UmwSt-Erlass ausdrücklich angegeben werden, in welcher Höhe oder zu welchem Prozentsatz die stillen Reserven aufzudecken sind. Fehlen diese Angaben, könnte die Finanzverwaltung den Antrag als inhaltlich unbestimmt und somit wirkungslos betrachten mit der Folge, dass die Einbringung ...

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