Leitsatz

Wird ein Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hinsichtlich der gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos bejaht, ist jedenfalls nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Gesellschafter den sich aus § 166 AO ergebenden Beschränkungen unterworfen sind.

 

Normenkette

§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG, § 166 AO, Art. 19 Abs. 4 GG

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin zu 1. ist eine Gesellschaft schottischen Rechts, die nach ihrem Typus einer deutschen KG entspricht. Die Antragsteller zu 2. bis 36. sind – vergleichbar einem deutschen Kommanditisten – an ihr beteiligt. Die einem deutschen Komplementär entsprechende Funktion übt die B S.a.r.l. (B) aus, bei der es sich um eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts handelt.

B erwarb im Februar 2015 sämtliche Anteile an der C GmbH (C). 99,5 % dieser Anteile hielt sie treuhänderisch für die Antragstellerin zu 1., die restlichen Anteile für eine GbR.

Um der C den Erwerb einer Beteiligung zu ermöglichen, zahlte die B im März 2015 in ihrer Funktion als Gesellschafterin und Treuhänderin einen Betrag in die Kapitalrücklage der C ein. Die Bilanz zum 31.12.2015 weist eine dem entsprechende Position aus.

Die C gab in ihrer Feststellungserklärung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG gegenüber dem FA den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 mit 0 EUR an. Das FA folgte der Erklärung und stellte den Bestand zum 31.12.2015 im Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG vom 14.6.2016 mit 0 EUR fest (im Folgenden: Bescheid vom 14.6.2016).

Einen von der C am 28.11.2017 gestellten Berichtigungsantrag gemäß § 129 AO wies das FA ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Die Antragsteller legten gegen den Bescheid vom 14.6.2016 am 8.2.2018 Einspruch ein. Sie beantragten außerdem AdV. Diesen Antrag lehnte das FA im März 2019 ab. Auch das daraufhin angerufene FG gewährte keine AdV (FG München, Beschluss vom 28.5.2019, 7 V 803/19, Haufe-Index 13539161, EFG 2020, 68).

 

Entscheidung

Der BFH hat die vom FG gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zugelassene Beschwerde aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Dass der BFH die Entscheidung in einer Beschwerdesache wegen AdV zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt hat, deutet bereits darauf hin, dass die verfahrensgegenständliche Problematik eine gewisse Breitenwirkung hat.

2. Ausgangspunkt ist das steuerliche Einlagekonto gemäß § 27 KStG. Verfahrensrechtlich ordnet das Gesetz an, dass dessen Bestand – und damit auch die Bestandszu- und -abgänge – gesondert festzustellen sind. Das geschieht auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und nicht auf der Ebene der Anteilseigner, obgleich das steuerliche Einlagekonto nur für diese von materiell-rechtlicher Bedeutung ist. Ist das Einlagekonto nämlich gut gefüllt und gilt es für eine Ausschüttung an die Anteilseigner als verwendet, dann liegt eine Einlagenrückgewähr vor, die von den Anteilseignern nicht versteuert werden muss (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Indes kann als Einlagenrückgewähr "unten" bei den Anteilseignern nur ankommen, was "oben" bei der Kapitalgesellschaft als Einlage "wirksam verbucht" ist. Der BFH spricht insoweit davon, dass von der Feststellung des Einlagekontos auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine materiell-rechtliche Bindungswirkung für die Besteuerung der Anteilseigner ausgeht: Ist also "oben nichts verbucht", dann sind Ausschüttungen "unten" als steuerpflichtige Kapitaleinkünfte zu qualifizieren.

Im Streitfall war eine solche Situation gegeben. Eine millionenschwere Einlage war objektiv erfolgt. Die Kapitalgesellschaft hatte aber "vergessen", diese Einlage in ihrer Feststellungserklärung zu erfassen, und der daraufhin ergangene Feststellungsbescheid wies dementsprechend den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR aus.

3. Die Führung des steuerlichen Einlagekontos auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ist unter Rechtsschutzgesichtspunkten misslich für die Anteilseigner. Obgleich das Konto für sie die vorgenannte materiell-rechtliche Bedeutung hat, haben sie keinen unmittelbaren Einfluss auf dieses Konto. Die entsprechenden Feststellungserklärungen hat allein die Kapitalgesellschaft abzugeben, der Feststellungsbescheid ergeht allein ihr gegenüber und die Kapitalgesellschaft ist auch befugt, Rechtsbehelfe gegen eine fehlerhafte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos einzulegen.

4. Um Rechtsschutzlücken zu schließen und der materiell-rechtlichen Bindungswirkung des Feststellungsbescheids gemäß § 27 Abs. 2 KStG für die Anteilseigner-Besteuerung Rechnung zu tragen, wird von Teilen der Literatur die Meinung vertreten, dass auch die Anteilseigner als Dritte befugt sind, gegen den Feststellungsbescheid Einspruch einzulegen bzw. zu klagen. Den Anteilseignern steht nach dieser Auffassung somit ein Drittanfechtungsrecht zu.

5. Im Streitfall stand ein solches Drittanfechtungsrecht zur Beurteilung an: Die Anteilseigner hatten einen eigenen Einspruch gegen den ihres Erachtens...

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