Zusammenfassend lassen sich aus dem Fallbeispiel die folgenden Punkte ableiten, die die erfolgreiche digitale Transformation einer Finanzorganisation in Krisenzeiten beeinflussen:

  1. Digitalisierung ist kein Selbstzweck

    Auch wenn die Digitalisierung zukünftig die Arbeitswelt und Arbeitsweise einer Finanzorganisation enorm verändert und insbesondere die Produktivität sowie den Wertbeitrag erhöhen kann, so kann Digitalisierung jedoch nicht als Ziel oder Zweck in sich selbst verstanden werden. Zwar offeriert die digitale Transformation neue Möglichkeiten in der Gestaltung der Arbeit, letztendlich muss aber die Digitalisierungsstrategie immer der Organisationsstrategie und damit der übergeordneten Unternehmenszielsetzung folgen. Digitalisierung kann das Erreichen dieser Zielsetzungen unterstützen, nicht aber die Zielsetzung selbst ersetzen.

  2. Gemeinsame Vision und Leitbild

    Diese stehen am Anfang einer jeden organisatorischen Ausrichtung und müssen, gerade in Zeiten des Wandels, als Kompass, Orientierung und Sinn für die Mitarbeiter stiften. Vision und Leitbild müssen dabei so robust sein, dass sie auch bei kurzfristigen Änderungen (Markt, Technologien, Kunden etc.) Bestand haben. An Vision und Leitbild müssen sich alle Aktivitäten der Organisation konsequent ausrichten. Dabei zeigen Leitbild und Vision den größtmöglichen steuernden Effekt, wenn diese selbst von den betroffenen Mitarbeitern gemeinsam erstellt wurden. So kann bestmöglich eine Identifikation mit diesen geschaffen und eine hohe Bindung und Verpflichtung gegenüber der gemeinsamen Zielsetzung erreicht werden.

  3. Klarheit und Verständnis der eigenen Aufgabe und des Wertbeitrags

    Um Widerständen gegenüber Veränderungen vorzubeugen oder um diese abzubauen, muss jeder Mitarbeiter verstehen, welche Aufgabe ihm individuell im Rahmen des Leitbildes und der Vision zukommt und welchen Wertbeitrag dieser leistet. In Transformationsprozessen gilt dies besonders für das zukünftig auszufüllende Arbeits- und Qualifikationsprofil. Dieses muss, mindestens als Zielzustand, klar umrissen sein, um eine individuelle Entwicklung jedes Mitarbeiters dahin zu ermöglichen. Die eigene Weiterentwicklung in Richtung dieses Zielzustandes muss als Teil des aktuellen Jobprofils verstanden und von Seiten des Unternehmens entsprechend unterstützt werden.

  4. Digitalisierung braucht eine darauf ausgerichtete Organisation

    Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Angewandt auf die heutigen Arbeitsprozesse kann Digitalisierung jedoch nicht ihr volles Potenzial entfalten. Dazu müssen Wertschöpfungsketten, Prozesse, Abläufe und Strukturen, aber auch Arbeitsprofile, Kommunikation, Verantwortlichkeiten und Zusammenarbeit überdacht und, zugeschnitten auf die Digitalisierung, neu aufgesetzt werden.

  5. Digitale Transformation … erst recht in der Krise!

    Wendepunkte bieten enormes Potenzial, die digitale Transformation schnell und fokussiert zu gestalten. Sich im Wandel befindenden Unternehmen fehlt es zwar oft an nötigen Investitionen zur Transformation, zum Beispiel in Mitarbeiterqualifizierung oder Infrastruktur. Zudem können sich Veränderungsprozesse negativ auf die Mitarbeitermotivation auswirken. Trotzdem können die Begleitumstände einer Krisensituation den Wandel hin zur digitalen Organisation stark antreiben. Als wichtiges Element ist dabei der hohe Leidensdruck zu nennen. Veränderungen können nicht in die Zukunft verschoben, sondern müssen sofort angegangen werde. Dabei steigt der Druck und die Bereitschaft, Änderungen auch dann zu realisieren, wenn noch nicht alle Auswirkungen voll ersichtlich und planbar sind.

Eine weitere Besonderheit der digitalen Transformation in Krisenzeiten ist, dass Effekte kurzfristig und spürbar eintreten müssen, was eine hohe Fokussierung auf die wesentlichen Ergebnistreiber bewirkt. Dadurch fällt es leichter, Kernprozesse grundlegend anzugehen, anstatt nur in Einzelbereichen mit geringer Gesamtwirkung zu agieren.

Das wichtigste Argument für ein konsequentes Vorantreiben der Digitalisierung gerade in Krisenzeiten ist jedoch, dass die Digitalisierung nicht als Bedrohung (zum Beispiel für den eigenen Arbeitsplatz) gesehen wird. In vielen Fällen markiert sie den einzigen Weg aus der Krise heraus. Wird das Potenzial der Digitalisierung konsequent in der Krisenbewältigung realisiert, kann die ständige Verbesserung durch Digitalisierung konstanter Bestandteil der Organisationsentwicklung werden. Dadurch kann Digitalisierung dauerhaft als strategisches Element positiv auf die zukünftige Zielerreichung des Unternehmens wirken.

Die digitale Transformation gelingt allerdings nur dann schnell und erfolgreich, wenn der damit einhergehende Wandel, vor allem von den betroffenen Mitarbeiter, als Chance begriffen wird. Treiben diese die Veränderung pro-aktiv voran und sind integraler Bestandteil des Wandels, wird der Wendepunkt zur Gelegenheit für alle Beteiligten.

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