4.1 Unternehmer muss Wiederverkäufer sein

Nur Wiederverkäufer dürfen die Differenzbesteuerung bei beweglichen körperlichen Gegenständen, z. B. Pkw, anwenden, wenn sie diese ohne Möglichkeit des Vorsteuerabzugs eingekauft haben.

Wiederverkäufer ist, wer

  • geschäftsmäßig Gegenstände für sein Unternehmen erwirbt (Umlaufvermögen),
  • um sie anschließend (ggf. nach Instandsetzung) wieder zu verkaufen.

Wenn ein Unternehmer, der nicht Kfz-Händler ist, einen Pkw privat angeschafft hat, den er später aus seinem Privatvermögen in das Unternehmen einlegt, darf er die Differenzbesteuerung nicht anwenden, obwohl er keine Vorsteuer geltend machen konnte. Hier bleibt als Ausweg nur die Lösung, das Fahrzeug umsatzsteuerfrei zu entnehmen und anschließend, nach Ablauf einer gewissen Schamfrist, außerhalb des Mehrwertsteuersystems privat zu verkaufen. Auf diese Weise lässt sich dasselbe Ergebnis erzielen wie bei der Differenzbesteuerung. Hierbei sind jedoch gewisse Formerfordernisse zu beachten.[1]

4.2 Was bei Zerlegung von Pkw und Weiterveräußerung der Einzelteile gilt

Wird aus mehreren Einzelgegenständen, die jeweils für sich die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung erfüllen, ein einheitlicher Gegenstand her- oder zusammengestellt, unterliegt die anschließende Lieferung des neuen Gegenstands nach dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass nicht der Differenzbesteuerung.[1]

Der BFH hat mit Urteil vom 23.2.2017 entschieden, dass die Differenzbesteuerung auch dann anwendbar ist, wenn ein Unternehmer Gegenstände liefert, die er durch Zerlegung eines zuvor erworbenen Gebrauchtwagens gewonnen hat.[2] Im entschiedenen Fall hatte ein Unternehmer von Privatpersonen Altfahrzeuge erworben, diese ausgeschlachtet und die Einzelteile weiter veräußert. Hierauf wendete er die Differenzbesteuerung an. Das Finanzamt war ursprünglich der Auffassung, der Unternehmer habe die Umsätze aus der Weiterveräußerung der durch Zerlegen der Altfahrzeuge gewonnenen Einzelteile der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Dem ist der BFH unter Berufung des EuGH-Urteils vom 18.1.2017 jedoch nicht gefolgt.[3] In dem EuGH-Urteil ging es um einen ähnlich gelagerten Fall. Dem EuGH-Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass Ersatzteile verkauft wurden, die aus Altfahrzeugen entnommen wurden, welche entweder von Privatpersonen oder von einer Versicherungsgesellschaft angekauft wurden. Laut EuGH sind gebrauchte Teile, die aus Altfahrzeugen stammen, welche ein Autoverwertungsunternehmen von einer Privatperson erworben hat, Gebrauchtgegenstände im Sinne der Differenzbesteuerung.

Nach dem Wortlaut des Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL sind Gebrauchtgegenstände bewegliche körperliche Gegenstände, die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind.

Somit ist für die Einordnung als Gebrauchtgegenstand erforderlich,

  • dass dem gebrauchten Gegenstand unverändert die Funktion zukommt, die er im Neuzustand hatte und
  • dass er in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar ist.

Das ist bei aus Altfahrzeugen entnommenen Autoteilen nach dem EuGH der Fall, weil ihnen, auch wenn sie vom Fahrzeug getrennt werden, unverändert die Funktionen zukommen, die sie im Neuzustand hatten und sie somit zu denselben Zwecken erneut verwendbar sind.

Diese Ansicht hat die Finanzverwaltung übernommen. Im UStAE zu § 25 a UStG heißt es mit Verweis auf die Urteile "die Differenzbesteuerung ist auch dann anwendbar, wenn ein Unternehmer Gegenstände liefert, die er gewonnen hat, indem er die zuvor von ihm erworbenen Gebrauchtgegenstände, z. B. Gebrauchtfahrzeuge, zerlegt hat".[4]

 
Hinweis

Fahrzeuge zum Ausschlachten

Mit EUGH Urteil vom 17.05.2023 – C- 365/22 wurde entschieden, dass endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die zum Ausschlachten verkauft werden, ohne dass die verwertbaren Teile aus dem Fahrzeug entnommen wurden, Gebrauchsgegenstände im Sinne er EU Richtlinie 2006/112/EG ARt. 311 Abs. 1a Nr. 1 darstellen und die Differenzbesteuerung angewendet werden kann.

4.3 Erwerb ohne Umsatzsteuer

Die Differenzbesteuerung ist anwendbar, wenn der Unternehmer einen beweglichen Gegenstand im Inland oder in einem anderen EU-Land erwirbt und zwar von

  • einer Privatperson
  • einem Unternehmer, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die den Vorsteuerabzug ausschließen,
  • einem Unternehmer aus dessen nichtunternehmerischen Bereich,
  • einem Kleinunternehmer
  • einem anderen Wiederverkäufer, der seinerseits die Differenzbesteuerung anwendet und
  • einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die nicht Unternehmer ist (z. B. wenn eine Stadtverwaltung gebrauchte Dienstwagen veräußert).[1]

4.4 Lieferung von Gebrauchtfahrzeugen in ein anderes EU-Land

Der Unternehmer kann die Differenzbesteuerung auch auf die Lieferung von Gebrauchtfahrzeugen in ein anderes EU-Land anwenden. Ausgenommen ist die Lieferung neuer Fahrzeuge, bei denen der Erwerber die Umsatzsteuer immer in seinem EU-Staat zahlen muss. Nach § 1b Abs. 3 UStG ist ein Fahrzeug als n...

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