Leitsatz

Die Höhe der vorab abziehbaren Erwerbsaufwendungen wegen einer über einen längeren Zeitraum auf einen Abschluss zielenden erstmaligen, anderen oder qualifizierteren Berufsausbildung ist unabhängig davon zu ermitteln, ob daneben einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG , § 9 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Im Streitjahr (1997) hatte der 23 Jahre alte Kläger hatte eine abgeschlossene Ausbildung zum Sparkassen-Betriebswirt und war zuletzt als Teamleiter in der Kreditabteilung einer Bank beschäftigt. Anfang 1996 begann er berufsbegleitend ein mehrsemestriges Studium der Betriebswirtschaftslehre bei der Akademikergesellschaft für Erwachsenenfortbildung (AKAD) mit dem Ziel eines Diplom-Betriebswirts (FH). Als Kosten für das Studium machte er 1997 im Wesentlichen geltend: Studiengebühren: 5.880 DM, Fahrtkosten zu auswärtigen Seminaren und Vorprüfungen: 869 DM.

Das FA meinte, es lägen Berufsausbildungskosten i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG vor und berücksichtigte nur einen Betrag von 1.800 DM. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Der BFH wies darauf hin, dass nach zwischenzeitlich geänderter Rechtsprechung (Urteil vom 17.12.2002, VI R 137/01, BFH-PR 2003, 98) Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, sofern eine berufliche Veranlassung gegeben ist. Hieran könne im Streitfall kein Zweifel bestehen. Das Fachhochschulstudium des Klägers sei fraglos aus beruflichen Gründen betrieben worden. Die Kosten des Klägers seien vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.

Da das FG zu den einzelnen geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen habe, sei die Sache jedoch zurückzuverweisen. Das FG werde insbesondere festzustellen haben, wann und wo der Kläger seinen Studien nachgegangen sei. Es sei ferner zu würdigen, ob und wo eine regelmäßige Arbeitsstätte anzunehmen sei bzw. in welchem Umfang der Kläger sein Studium vorübergehend außerhalb einer solchen regelmäßigen Arbeitsstätte betrieben habe.

 

Hinweis

1. In den Urteilen vom 17.12.2002, VI R 137/01, BFH-PR 2003, 98 und vom 4.12.2002, VI R 120/01, BFH-PR 2003, 97 hat der BFH seine Rechtsprechung geändert. Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium sowie für eine Umschulungsmaßnahme können vorab entstandene Werbungskosten (ggf. Betriebsausgaben) sein. Auf die beiden angeführten Urteilsbesprechungen wird Bezug genommen.

2. Im Besprechungsurteil ging es um die Frage, wie die vorab entstandenen Erwerbsaufwendungen der Höhe nach zu ermitteln sind.

Dabei geht der BFH von folgenden Überlegungen aus: Verfolgt ein Steuerpflichtiger aus Erwerbsgründen über einen längeren Zeitraum eine auf einen Abschluss zielende erstmalige, andere oder qualifiziertere Berufsausbildung, so ist die Höhe der damit zusammenhängenden Erwerbsaufwendungen für die Bildungsmaßnahme gesondert, d.h. unabhängig von sonst erzielten Einkünften zu beurteilen. Dieser Ansicht ist uneingeschränkt zuzustimmen.

In den o.a. Grundsatzentscheidungen VI R 137/01 und 120/01 wurde entschieden, dass Bildungsaufwendungen eines Steuerpflichtigen – bei hinreichender beruflicher Veranlassung – vorab entstandene (vorab veranlasste) Werbungskosten (ggf. Betriebsausgaben) darstellen. Es muss folglich ein hinreichender wirtschaftlicher Bezug zu zukünftig erstrebten Einnahmen des Steuerpflichtigen vorhanden sein.

Wie die vorab entstandenen Erwerbsaufwendungen finanziert werden, ist nicht von Belang. Die Bildungsaufwendungen sind also unabhängig davon zu ermitteln, ob daneben einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird. Die Höhe der Werbungskosten ist vergleichbar zu ermitteln, als habe der berufstätige Steuerpflichtige zwei nebeneinander bestehende Arbeitsverhältnisse. Es verstieße im Übrigen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, die Höhe des Abzugs vorab entstandener Werbungskosten vom Bestehen einer Nebentätigkeit bzw. einer anderen Tätigkeit abhängig zu machen.

Damit hat der BFH auch seine frühere Auffassung im Urteil vom 23.8.1979, VI R 87/78, BStBl II 1979, 773 geändert. Dort war der BFH (zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) noch der Auffassung, eine regelmäßige Arbeitsstätte bzw. eine vorübergehende Abwesenheit von einer solchen komme nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht.

3. Der Umfang der vorab entstandenen Erwerbsaufwendungen (im Streitfall für das berufsbegleitende Studium) ist nach allgemeinen Vorschriften zu ermitteln. Dies heißt z.B., dass für Fahrtkosten zum Studienort die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuwenden ist. Die (ggf. großräumige) "regelmäßige Arbeitsstätte" kann bei einem gewöhnlichen Studium die Universität, bei einem Fernstudium aber auch die Wohnung des Steuerpflichtigen sein, wenn er seinem Studium im Wesentlichen zu Hause nachgeht. Ebenso sind u.a. die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG (Arbeitsmittel) und be...

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