Leitsatz

1. Deutschland steht das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Zahlung eines sog. signing bonus – eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags fällige Einmalzahlung, die dem im Ausland ansässigen Arbeitnehmer für eine künftig in Deutschland auszuübende Tätigkeit vorab gewährt wurde – nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 zu.

2. Die auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gerichtete Verpflichtungsklage hat sich in der Hauptsache erledigt, wenn der Lohnsteuerabzug sowie die Lohnsteueranmeldung nicht mehr ge­ändert werden können und auch der Erlass ei­nes Lohnsteuernachforderungs- oder Haftungsbe­scheids nicht mehr in Betracht kommt.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 39b Abs. 6, § 41c Abs. 3 Satz 1, § 42d EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV, Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, § 164 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger (ein eingetragener Verein) ist eine gemeinnützige Forschungseinrichtung, deren Finanzierung ganz überwiegend aus Zuschüssen von Bund und Ländern erfolgt. Er unterhält Forschungsinstitute, die von in- und ausländischen Wissenschaftlern geleitet werden. Deren Bezahlung orientiert sich an der beamtenrechtlichen Besoldung eines Hochschullehrers.

Der Kläger schloss am 15.12.2011 mit dem bis Ende September 2012 in der Schweiz wohnhaften Wissenschaftler X einen Arbeitsvertrag, nach dem dieser ab 1.1.2012 bis 30.9.2012 zunächst nebenamtlich als wissenschaftliches Mitglied des Klägers und ab 1.10.2012 hauptamtlich als Direktor am H Institut tätig werden sollte. In der Zeit der nebenamtlichen Beschäftigung sollte X monatlich 1.500 EUR erhalten. Der Arbeitsvertrag wurde in der Folgezeit vollzogen.

Bereits am 21.11.2011 hatte der Kläger X über das Vertragsangebot mit dem Hinweis auf eine Einmalzahlung i.H.v. 200.000 EUR informiert. Die von einer öffentlichen gemeinnützigen Stiftung des bürgerlichen Rechts zu gewährende Einmalzahlung sollte dem Wissenschaftler die Entscheidung erleichtern, das Stellenangebot eines hauptamtlichen Direktors anzunehmen und seine bisherige Stelle aufzugeben. Daneben sollte es den Forscher für einige Jahre an den Kläger binden; der Betrag war deshalb zurückzuzahlen, wenn X vor Ablauf von fünf Jahren ab voller Aufnahme seiner Tätigkeit am H Institut aus dem Dienst ausscheidet.

Im Mai 2012 stellte der Kläger beim FA den Antrag, ihm eine Bescheinigung über die Freistellung der Einmalzahlung vom LSt-Abzug zu erteilen. Die­sen Antrag lehnte das FA ab. Ein Teilbetrag von 110.000 EUR wurde im Juni 2012 vom Kläger an X ausgezahlt. In der LSt-Anmeldung für diesen Monat wurde die Zahlung nicht als lohnsteuerpflichtiger Vorgang erfasst.

Das FG gab der auf die Erteilung der Bescheinigung gerichteten Klage statt (FG München, Urteil vom 13.3.2015, 8 K  3098/13, Haufe-Index 7958285, EFG 2015, 1100). Im Laufe des Revisionsverfahrens fand beim Kläger eine LSt-Außenprüfung statt, die aber nicht zu Änderungen der Besteuerungsgrundlagen führte. Das FA hob den Vorbehalt der Nachprüfung für die LSt-Anmeldungen für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014 auf.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hin hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob eine im Zusammenhang mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem ausländischen Arbeitnehmer gewährte Einmalzahlung abkommensrechtlich (DBA-Schweiz 1971/2010) der inländischen Besteuerung unterliegt; ist dies nicht der Fall, hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Erteilung einer für den LSt-Einbehalt maßgeblichen Freistellungsbescheinigung (§ 39b Abs. 6 EStG).

2. Prozessuales: Ursprünglich lag eine auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung gerichtete Verpflichtungsklage des Klägers vor; allerdings hat sich diese Klage während des Revisionsverfahrens in der Hauptsache erledigt.

Denn zum einen ist der LSt-Abzug für das Jahr 2012, in dem der streitige Teil der Einmalzahlung lohnsteuerfrei an den Arbeitnehmer ausgezahlt wurde, nach dem Ausschreiben der LSt-Bescheinigung nicht mehr änderbar (§ 41c Abs. 3 Satz 1 EStG). Des Weiteren kann nach Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auch die LSt-Anmeldung für Juni 2012 nicht mehr gemäß § 164 Abs. 2 AO zum Nachteil des Klägers geändert werden.

Schließlich hat die im Streitfall durchgeführte LSt-Außenprüfung mit Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in den LSt-Anmeldungen Auswirkungen auf die Nachforderung von LSt durch Steuerbescheid gemäß § 167 AO oder die LSt-Haftung gemäß § 42d EStG – denn bei beiden Möglichkeiten ist nun die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO zu beachten. Damit darf nach der (ergebnislosen) LSt-Außenprüfung (Mitteilung gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO) grundsätzlich kein LSt-Nachforderungs- oder Haftungsbescheid mehr ergehen, falls nicht eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt (dies war im Streitfall nicht ersichtlich).

Es war daher objektiv kein Bedürfnis mehr gegeben, die LSt-Bescheinigung zu erstreiten (sog. Erledigung des Rechtsstreits in der Haupts...

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