Leitsatz

Verluste aus sog. echten (ungedeckten) Daytrading-Geschäften (hier: mit Devisen) mindern nach Maßgabe des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) die körperschaftsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage nicht.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 4 Satz 3 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, unterhielt ein Konto bei der A-Bank, um sog. Daytrading-Geschäfte mit Devisen auszuführen. Dabei wurden die Geschäfte mit Stop-Loss-Order sowie mit Take-Profit-Order abgeschlossen und entsprechend der vertraglichen Vereinbarung (zwingend) am selben Tag durch deckungsgleiche Gegengeschäfte "glattgestellt". Die Devisenkäufe und -verkäufe wurden nicht effektiv durch den Austausch von Devisen und Kaufpreis durchgeführt; dies war weder der Klägerin mit eigenen Mitteln möglich noch Gegenstand der Geschäftsvereinbarungen mit der Bank (die die Lieferung der Devisen ausgeschlossen haben). Die Geschäfte sind nur auf dem jeweiligen Kundenkonto bei der Bank verbucht und am Ende des Geschäftstages mit einem Differenzbetrag zugunsten oder zulasten des Kontos abgeschlossen worden.

Die Transaktionen führten zu einem Verlust. Das FA vertrat die Auffassung, dass jeweils ein Termingeschäft vorgelegen habe. Das FG hat der Klage stattgegeben (Thüringer FG, Urteil vom 10.3.2016, 1 K 738/14, Haufe-Index 10162509, EFG 2017, 415).

 

Entscheidung

Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Die Kernfrage lautet: Ist sog. echtes (ungedecktes) Daytrading (Devisen) ein Termingeschäft (§ 15 Abs. 4 Satz 3 EStG) oder (so das FG) als sog. Kassageschäft von der Verlustausgleichsrestriktion freigestellt?

2. Der BFH musste vor der Sachentscheidung zunächst verfahrensrechtliche Hürden nehmen:

Seit dem 1.1.2018 ist der I. Senat nicht mehr für alle Rechtsstreite zuständig, in denen es um eine Körperschaftsteuer-Festsetzung geht, sondern nur noch dann, wenn es um spezifische Anwendungsfragen des Körperschaftsteuerrechts geht. Daran fehlte es hier. Immerhin hatte der Senat schon vor dem Stichtag in der Sache beraten, und so verblieb es kraft der Übergangsregelung im gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan des BFH (§ 4 FGO i.V.m. § 21e GVG) bei seiner Zuständigkeit.

Im Übrigen konnte die Unterschrift des Vertreters des revisionsführenden FA Zweifel wecken, ob nicht eine sog. Paraphe vorlag. Der Senat trug hier der moderneren Tendenz der Rechtsprechung (auch des Bundesgerichtshofs) Rechnung und überspannte die Voraussetzung der Formalanforderung "Schriftlichkeit" (§ 64 Abs. 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO) nicht.

3."Zur Sache" hatte das FG mit einer den BFH bindenden Feststellung vorab einen ersten Prüfungspunkt "abgeräumt": Konnte die Einkommensminderung bei der GmbH nicht unter dem Gesichtspunkt sog. Risikogeschäfte durch den außerbilanziellen Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung kompensiert werden? Denn hier waren im Namen der nicht in der Finanzbranche tätigen Klägerin Verluste durch die vom Gesellschafter-Geschäftsführer persönlich getätigten Devisenspekulationen eingetreten. Insoweit hatte bekanntlich das BMF erst nach langjährigem Zögern die Nichtanwendung von "liberalerer" BFH-Rechtsprechung beendet (BMF-Schreiben vom 14.12.2015, BStBl I 2015, 1091). Jedenfalls hatte das FG insoweit ausdrücklich festgestellt, dass eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht vorliege.

4. Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ist der Verlustausgleich für Verluste aus Termingeschäften, d.h. aus Geschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, beschränkt. Nicht unter diese Restriktion fallen (vorbehaltlich der Rückausnahme des § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG) nur gemäß § 15 Abs. 4 Satz 4 EStG Geschäfte bestimmter Finanz­unternehmen (sog. sektorale Ausnahme) und Risikokompensationsgeschäfte anderer Unternehmen, wenn damit Risiken des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs abgesichert werden (sog. funktionale Ausnahme).

Ein Termingeschäft ist ein Vertrag über Wertpapiere, vertretbare Waren oder Devisen, der von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen ist (zeitliches Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft) und zudem eine Beziehung zu einem Terminmarkt hat, der es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen. Nach wertpapier- bzw. bankrechtlichen Maßgaben ist das Termingeschäft vom sog. Kassageschäft abzugrenzen, bei dem der Leistungsaustausch (Belieferung Zug um Zug gegen Bezahlung) sofort oder innerhalb der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei (Bankarbeits- oder Börsen-)Tagen zu vollziehen ist ("sofortige Erfüllung").

Der BFH wertet die Geschäftsabwicklung im konkreten Fall als sog. Daytrading-Geschäft (Variante des sog. echten bzw. ungedeckten Daytradings): Dem Kunden der Bank wird die Möglichkeit eingeräumt, Geschäfte unabhängig vom jeweiligen Depot- bzw. Kontoguthaben abzuschließen, indem der Anschaffungspreis zunächst kreditiert oder der tatsächliche Leistungsaustausch ...

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