Leitsatz

Auf Datenträgern (hier: CDs) in Form von Zahlenkolonnen gespeicherte Koordinaten des Gebäudebestands der Bundesrepublik (sog. Geopunkte) sind immaterielle Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung keine Investitionszulage gewährt wird.

 

Normenkette

§ 2 InvZulG 1999, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Start-up, investierte mehrere Mio. DM in den Erwerb sog. Geopunkte, d.h. auf CDs gespeicherter Daten von Gebäudemittelpunkten, die in digitalen Karten, bei der Immobilienbewertung oder der Raumplanung eingesetzt werden können. Die Rohdaten ließ sie von einem Werkunternehmer erheben, der dazu Luftbilder der Erdoberfläche der Bundesrepublik anfertigte, bearbeitete und auswertete. Die Klägerin erwarb das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an den Daten.

Das FA hatte zunächst unverbindlich mitgeteilt, es sehe die Geopunkte als bewegliche Wirtschaftsgüter an, dann aber seine Meinung geändert und die InvZul versagt. Das FG entschied, die Geopunkte seien materiell, und gab der Klage statt (Thüringer FG, Urteil vom 18.07.2006, II 849/03, Haufe-Index 1614352, EFG 2006, 1855).

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FA und wies die Klage ab. Die Klägerin hatte immaterielle Wirtschaftsgüter erworben, die unverbindliche Zusage des FA erwies sich als nutzlos. Der Senat sah eine Parallele zur Beauftragung eines Dritten mit besonders beschriebenen Forschungs-, Entwicklungs- oder Messarbeiten; trotz Verkörperung der Arbeitsergebnisse auf Papier oder einem elektronischen Datenträger werde in derartigen Fällen ein immaterielles Wirtschaftsgut erworben.

 

Hinweis

1. Nur für die Anschaffung und Herstellung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter wird eine Investitionszulage gewährt (§ 2 InvZulG 1999), immaterielle Wirtschaftsgüter sind zulagenrechtlich nicht begünstigt. Materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter sind auch für das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG, für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 EStG) sowie Lieferungen/sonstige Leistungen im USt-Recht zu unterscheiden.

2. Primäres Abgrenzungskriterium ist nach dem BFH-Beschluss vom 04.12.2006, GrS 1/05 (BFH/NV 2007, 1218, BFH/PR 2007, 249) die Körperlichkeit des Wirtschaftsguts. Materielle Wirtschaftsgüter sind danach z.B. Sachanlagen, Grundstücke, Gebäude, Maschinen, maschinelle Anlagen, Kfz, Betriebsvorrichtungen, Geschäftsausstattungen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Zivilrechtlich kann es sich um Sachen (§ 90 BGB), Bestandteile von Sachen (§ 93 BGB) oder Zubehör (§ 97 BGB) handeln. Immateriellen Wirtschaftsgütern fehlt die "Körperlichkeit"; darunter fallen Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte, Lizenzrechte, ungeschützte Erfindungen, Software, Rechte aus vertraglichen Wettbewerbsverboten, Belieferungsrechte, Kauf- und Verkaufsoptionen sowie der Geschäftswert.

3.Zur Abgrenzung wird bei Wirtschaftsgütern mit materiellen und immateriellen Komponenten vorrangig auf das wirtschaftliche Interesse abgestellt, d.h. wofür der Kaufpreis gezahlt wird (Wertrelation) und ob es dem Erwerber überwiegend auf den materiellen oder den immateriellen Gehalt ankommt (z.B. BFH, Urteile vom 22.05.1979, III R 129/74, Haufe-Index 73210, BStBl II 1979, 634, Prototypen; vom 14.06.1985, V R 11/78, BFH/NV 1985, 58, Werbefilme; vom 02.09.1988, III R 38/84, Haufe-Index 62452, BStBl II 1989, 160, Datenträger mit Adressen).

4. Außerdem wird danach unterschieden, ob der Verkörperung eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob sie als "Träger" lediglich den immateriellen Gehalt festhalten soll. Bei Büchern und Tonträgern wird angenommen, dass durch Vervielfältigung geistiger Inhalte eine Umwandlung stattfinde und die immaterielle Eigenschaft untergehe. Standardsoftware wird ähnlich einem Buch oder einer Schallplatte z.T. ebenfalls als materielles Wirtschaftsgut angesehen (R 5.5 Abs. 1 EStR 2007).

5. Nach dem BFH-Urteil vom 28.10.2008, IX R 22/08 (BFH/NV 2009, 272, BFH/PR 2009, 86) handelt es sich bei Internet-Infrastruktursoftware, die auf Servern gespeichert wird, um "Waren" i.S.d. § 2a Abs. 2 EStG. Wegen der unterschiedlichen Begriffe "Ware" in § 2a Abs. 2 EStG und "abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter" in § 2 InvZulG besteht keine Divergenz zu dem nach Auffassung des IX. Senats kaum noch zeitgemäßen Urteil vom 03.07.1987, III R 7/86 (Haufe-Index 61818), das Anwender-Standardsoftware als immateriell angesehen hatte.

6. Die unterschiedlichen Begriffe erlauben es, den Gesetzeszweck zu berücksichtigen. Gegen eine Ausdehnung des Begriffs der materiellen Wirtschaftsgüter im Zulagenrecht sprechen mehrere Gründe. So könnten die Verbleibensvoraussetzungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 InvZulG 2007: mind. fünf Jahre … zum Anlagevermögen eines Betriebs ... im Fördergebiet) bei immateriellen Wirtschaftsgütern kaum kontrolliert werden: Wo wird die Software genutzt, wo das erworbene Know-how? Die Einschränkung des Verlustausgleichs und damit des Nettoprinzips in § 2a erscheint demgegenüber wenig angebracht, wenn Software hergestellt wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil...

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