BMF, 24.6.2015, IV C 1 - S 2252/13/10005 :003

Bezug: BFH-Urteil vom 16.4.2014, I R 2/12 (BStBl 2015 II S. …)

Der Bundesfinanzhof hat in Tz. IV 2. seines Urteils vom 16.4.2014, I R 2/12 (BStBl 2015 II S. …) zu der nach Novellierung durch das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl 2006 I S. 2878) maßgeblichen Rechtslage bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für den Veranlagungszeitraum 2008 ausgeführt, es sei nicht zweifelsfrei, ob der Anteilserwerber auch im Falle eines Leerverkaufes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erwerben könne.

Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zum Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums bei Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag, insbesondere im Falle eines Leerverkaufes, Folgendes:

 

1. Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien

Der BFH hat in seinem Urteil vom 15.12.1999, I R 29/97 (BStBl 2000 II S. 527) zum sog. „Dividenden-Stripping” entschieden, nach § 39 Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 AO seien Wirtschaftsgüter unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums demjenigen zuzurechnen, der über sie die tatsächliche Herrschaft in der Weise ausübe, dass er den Eigentümer im Regelfall und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen könne.

Bei Aktien erlange der Erwerber wirtschaftliches Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen könne. Dies sei in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen, auf den Erwerber übergegangen seien.

Der BFH hält diese Voraussetzungen für erfüllt, wenn ein entsprechender Besitzmittlungsanspruch (§ 929 Satz 2 BGB) zu der girosammeiverwahrenden Stelle (Clearstream Banking AG) eingeräumt oder ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) vereinbart werde. Er betrachtet es daneben als ausreichend, wenn dem Käufer nach den einschlägigen Börsenusancen und den üblichen Abläufen, die mit den Anteilen verbundenen Gewinnansprüche regelmäßig nicht mehr entzogen werden können. Der Umstand, dass die entsprechende Umbuchung ggf. erst zwei Tage nach dem Vertragsabschluss vorgenommen worden sei, trete demgegenüber zurück und beeinflusse den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht.

Da es für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankomme, könne der Übergang des „wirtschaftlichen Eigentums” auch dann anzunehmen sein, wenn die erwähnten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang gegeben seien. Weitere Voraussetzung sei allerdings, dass der Besitz oder die vergleichbare letztlich unentziehbare Rechtsposition in Erwartung des Eigentumserwerbs eingeräumt werde.

Mit Urteil vom 20.11.2007, I R 85/05 (BStBl 2013 II S. 287) hat der BFH seine Entscheidung vom 15.12.1999 bestätigt.

Nach den vorstehenden Grundsätzen führt nur der Abschluss eines Kaufvertrages über eine Aktie nicht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an der Aktie. Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums muss neben der schuldrechtlichen Vereinbarung zur Übertragung des Eigentums zwischen den Vertragsparteien auch ein Herrschaftselement beim Erwerber gegeben sein, das ihm entweder über den Besitz an den Aktien oder eine damit vergleichbare Herrschaftsposition in Gestalt einer unentziehbaren Rechtsposition verschafft wird.

Allein der Umstand, dass dem Erwerber Aktien geliefert werden sollen, die sich in Girosammelverwahrung befinden, verschafft diesem keine entsprechende Herrschaftsposition. Bei der Girosammelverwahrung wird dem Erwerber vor dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang keine vom Zentralverwahrer abgeleitete Besitzposition verschafft, die zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes führen würde. Der Erwerber erlangt vor dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang auch keine durch den Zentralverwahrer vermittelte unentziehbare Rechtsposition.

Eine als Ersatz für fehlenden Besitz ausreichende sonstige unentziehbare Rechtsposition kann sich allenfalls aus den Mechanismen der beteiligten Depotbanken von Käufer und Verkäufer ergeben, wenn neben dem Geschäftsabschluss für den Erwerber weitere Sicherungen bestehen, die einen Automatismus in Gang setzen, der zur Übertragung der verkauften Aktien in das Depot des Erwerbers führt.

Damit ein solcher Automatismus zu Gunsten des Käufers wirken kann, ist insbesondere erforderlich, dass die Depotbank des Verkäufers nicht nur den Verkaufsauftrag ausführt und an die Börse weiterleitet, sondern weitere Sicherungsmaßnahmen trifft, die eine zweite Veräußerung der Aktien verhindern. Dies kann beispielsweise über eine Sperre des Depotbestandes beim Verkäufer (Verfügungssperre) erfolgen.

Derartige Abläufe bis zur Erfüllung des Geschäftes sind aber nur bei Börsengeschäften im Privatkundengeschäft bekannt. Außerhalb des Privatk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge