Es gibt zahlreiche Herausforderungen auf dem Weg zu einem neuen Controlling. Die Teilnehmer der oben angeführten Studie beschreiben die Herausforderungen eher aus der operativen Sicht:

  • Fehlendes Fachpersonal;
  • fehlendes Know-how über die Möglichkeiten von Advanced Analytics;
  • fehlendes Know-how über die Erschließung neuer Datengrundlagen;
  • unklare organisatorische Verantwortlichkeiten;
  • zu hohe Kosten für die Erschließung neuer Datengrundlagen.

Vor dem Hintergrund von über 50 Projekten mit dem Einsatz von Advanced-Analytics-Werkzeugen durch das Unternehmen Deloitte und das Feedback der Anwenderunternehmen ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild:

  • Herausforderung #1: In der Regel ist das Controlling an die Finanzorganisation des Unternehmens angebunden. Aus nachvollziehbaren Gründen ist dieser Bereich nicht gerade ein Hort revolutionär experimentellen Gedankenguts. Hier wird die stabile finanzielle Basis für die operationalen Aktivitäten des Unternehmens gesichert, was eher vorsichtiges Handeln erfordert. Während diese eher konservative Haltung hinsichtlich der operationalen Gestaltung nützlich ist, hindert sie das Controlling daran, kreative Aspekte umzusetzen.
  • Herausforderung #2: Tatsächlich ist die Akzeptanz moderner Werkzeuge wie z. B. Predictive und Prescriptive Analytics in Supply Chain oder CRM-nahen Bereichen erheblich höher und geschieht schneller als im Finanzbereich. Wer mag, kann gerne einmal eine nicht ganz wissenschaftliche Analyse betreiben und Google-Suchergebnisse zum Thema "Predictive Analytics" und "Success Story" in den Bereichen Accounting und Supply Chain vergleichen. Ein Faktor von 1:10 liegt dazwischen.
  • Herausforderung #3: Die bessere Nutzung weit fortgeschrittener Werkzeuge in den jeweiligen operativen Einheiten, also z. B. Einkauf oder Supply Chain, führt sogar zu einem unerwünschten Effekt in Bezug auf die Gesamtperformance des Unternehmens: Diese Einheiten sind von hohem Spezialistenwissen geprägt. Damit wird Optimierung in den jeweiligen thematischen Silos oder gar bezogen auf Standorte oder andere kleinteilige Einheiten vorangetrieben. Dagegen steht die Aufgabe auf Ebene des CFOs und der Finanzorganisation, den finanziellen Gesamterfolg des Unternehmens sicherzustellen, was also die Forderung nach dem Einsatz besserer Werkzeuge im Bereich des unternehmensweiten Finanzcontrollings unterstützt. Silo-übergreifendes Controlling bedeutet dabei insbesondere die Abstimmung der Maßnahmen aufeinander für ein besseres Gesamtergebnis.
  • Herausforderung #4: Eine solche Abstimmung darf aber nicht nur auf Ebene der Controllingmaßnahmen erfolgen. Voraussetzung für den Erfolg ist eine Abstimmung der Ziele auf Ebene des Top-Managements.[1]
  • Herausforderung #5: Die Herausforderungen liegen aber nicht nur auf der Ebene der Unternehmensstruktur. Es gibt zwar eine Reihe interessanter Angebote für ein methodisch ertüchtigtes Controlling, tatsächlich besteht aber hinsichtlich der eingesetzten Produkte und Methoden große Unsicherheit. Es gibt noch keine klaren Marktführer im Bereich der Anwendungen auf diesem Gebiet und die Entscheidung für ein Produkt erscheint vielen Unternehmen, gerade im eher konservativ geprägten Finanzbereich, als risikobehaftet.
  • Herausforderung #6: Sowohl die Entscheidung für ein Produkt als auch der direkte Einsatz eher technisch gestalteter Lösungen, wie z. B. Workbenches für maschinelles Lernen oder Statistikpakete, bedarf fachlichen Know-hows. Hier mangelt es vielfach tatsächlich an Methodenkompetenz. Weiterhin ist der vielfach beklagte Mangel an digitaler Kompetenz kurz- und mittelfristig nur durch berufsbegleitendes Lernen zu bewältigen. Eine Herausforderung für Unternehmen, Mitarbeiter, Bildungsinstitutionen und auch die Politik, die sich Gedanken um den Erfolg des Unternehmensstandorts Deutschland macht.

Die Schaffung von methodischer Kompetenz wird sicherlich bei einigen dieser Herausforderungen helfen. Umgekehrt geht die Forderung aber auch an die Software-Entwickler und Software-Anbieter, das Angebot hinsichtlich Anwendungen, die für schwerpunktmäßig betriebswirtschaftlich ausgebildete Menschen geeignet sind, auszuweiten. Das Angebot an Software ist heute noch häufig bipolar: Sehr leistungsfähige Lösungen sind eher technisch ausgeprägt und erfordern zu viel mathematisch-statistisches Wissen oder gar Programmierkenntnisse. Die leicht bedienbaren Lösungen stammen aus der Kategorie der deskriptiven Analytik, d. h. sie stellen lediglich Fakten visuell dar und es mangelt damit an Leistungsfähigkeit. Die Verbindung zwischen leichter Nutzbarkeit, hoher Variabilität für unterschiedliche Unternehmensprozesse und tiefer analytischer Leistungsfähigkeit ist die Voraussetzung, damit die neu verfügbaren Methoden flächendeckend im Controlling eingesetzt werden können.

[1] Sutcliff/Narsalay/Sen, 2019.

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