Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Behandlung von Unterhaltsleistungen Alleinerziehender

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen und den für den Veranlagungszeitraum 1978 anzuwendenden Maßstäben sind keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen ersichtlich, die einer geschiedenen Alleinerziehenden für ihren im Streitjahr 17 Jahre alt gewordenen und in ihrem Haushalt lebenden Sohn entstanden sind.

2. Es ist nicht geboten, das Splitting auf Alleinstehende mit Kindern auszudehnen. Insoweit fehlen die Voraussetzungen für das Splittingverfahren, daß nämlich zwei Personen an den Lasten und am Erwerb wirtschaftlich beteiligt sind.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 10 Abs. 3 Nrn. 1, 3, § 10c Abs. 3, § 12 Nr. 1, § 32 Abs. 3 Nr. 2, § 32a Abs. 1 Nr. 1, § 33a Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 11.12.1987; Aktenzeichen VI B 41/87)

FG Düsseldorf (Urteil vom 03.12.1986; Aktenzeichen VIII 207/80 E)

 

Gründe

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen und den für den Veranlagungszeitraum 1978 anzuwendenden Maßstäben sind keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen ersichtlich, die der Beschwerdeführerin als geschiedener Alleinerziehender für ihren im Streitjahr 17 Jahre alt gewordenen und in ihrem Haushalt lebenden Sohn entstanden sind.

1. a) Die Umstellung des Kinderlastenausgleichs auf eine sozialrechtliche Grundlage durch Zahlung eines einheitlichen Kindergeldes unter völligem Wegfall von Kinderfreibeträgen hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt (BVerfGE 43, 108 ff.; 45, 104 ≪120 f.≫; 61, 319 ≪354≫).

b) Von Verfassungs wegen ist es ferner nicht zu beanstanden, wenn geschiedene Ehegatten nicht zusammenveranlagt werden (§ 26 Abs. 1 EStG) und mithin auf sie der Splitting-Tarif (§ 32 a Abs. 5 EStG) nicht angewendet wird. Es ist auch nicht geboten, das Splitting auf Alleinstehende mit Kindern auszudehnen (vgl. BVerfGE 61, 319 ≪345≫; 68, 143 ≪153≫). Insoweit fehlen die Voraussetzungen für das Splitting-Verfahren, daß nämlich zwei Personen an den Lasten und am Erwerb wirtschaftlich beteiligt sind.

c) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 61, 319 ≪345≫; 68, 143 ≪152 f.≫) hat den für Alleinerziehende mit Kind für das Streitjahr auf 3000 DM festgelegten Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1977) bei progressiv besteuerten Alleinstehenden lediglich dann als nicht ausreichenden Ausgleich für die Nichtgewährung des Splitting-Tarifs angesehen, wenn deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch zusätzlichen zwangsläufigen Betreuungsaufwand gemindert worden ist. Durch diesen Umstand führe die Besteuerung der Alleinerziehenden zu einer nicht zu rechtfertigenden Mehrbelastung.

Die Beschwerdeführerin hat freilich nicht dargetan noch sind hierfür Umstände erkennbar, daß ihr ein solcher unvermeidbarer Betreuungsaufwand für ihren Sohn im Jahr 1978 tatsächlich entstanden ist.

Der Steuergesetzgeber hat entsprechend der Auflage des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 61, 319 ≪354 f.≫) durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl. I S. 1493) die Vorschrift des § 33 c EStG neu eingefügt, die gemäß § 53 b EStG auch für frühere Kalenderjahre Anwendung findet. Ob gegen diese Vorschrift verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, die die Anwendung der Tarifvorschrift in § 32 a EStG u.a. auch für das Streitjahr 1978 ausschließen könnten, bedarf mangels tatsächlicher zwangsläufiger Betreuungsaufwendungen der Beschwerdeführerin hier keiner Prüfung.

d) Es ist nicht erkennbar, daß der Steuergesetzgeber im Jahr 1978 im übrigen Unterhaltsleistungen an Kinder in nichtintakten Familien lediglich in einem realitätsfernen Umfang berücksichtigt hätte. Gemessen an dem für 1978 für ein dem Haushalt des Steuerpflichtigen angehöriges Kind vom Beginn des 16. bis zum vollendeten 21. Lebensjahr zu leistenden Regelsatz nach dem BSHG lagen die sozialrechtlichen Leistungen in Form des Kindergeldes und die ergänzenden steuerlichen Entlastungen für das erste Kind der Beschwerdeführerin bereits über dem als wesentlicher Anhaltspunkt für die bei der Prüfung der Zwangsläufigkeit von Unterhaltslasten zugrunde zu legenden sozialhilferechtlichen Regelsatz (vgl. BVerfGE 66, 214 ≪224≫; 67, 290 ≪298≫). Das Kindergeld betrug gemäß § 10 BKGG vom 31. Januar 1975 (BGBl. I S. 412) für das erste Kind im Streitjahr 50 DM monatlich. Rechnet man das Kindergeld, das die üblichen Unterhaltsaufwendungen für ein Kind abgilt, auf einen steuerlichen Freibetrag um (vgl. hierzu BVerfGE 43, 108 ≪122 f.≫) unter Zugrundelegung eines im Jahr 1978 bestehenden Anfangsteuersatzes von 22 % (vgl. § 32 a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1977), so ergibt sich ein – fiktives – steuerliches Entlastungsvolumen in Höhe von 2727 DM. Bei einem Vergleich mit dem für den Veranlagungszeitraum maßgebenden Regelsatz ist freilich nicht allein auf das Kindergeld abzustellen. Vielmehr sind die weiteren steuerlichen Entlastungen mit einzubeziehen (BVerfGE 43, 108 ≪121 f.≫; 45, 104 ≪125≫).

Die Beschwerdeführerin konnte 1978 Vorsorgeaufwendungen für ihren Sohn als Sonderausgaben im Rahmen der Kinderadditive von 900 DM (§ 10 Abs. 3 Nr. 1 letzter Satz und Nr. 3 bzw. § 10 c Abs. 3 EStG 1977 für die Vorsorgepauschale) zusätzlich steuerlich geltend machen (vgl. dazu BVerfGE 68, 143 ≪153≫).

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sozialrechtlicher und steuerlicher Entlastungen ist ferner der Haushaltsfreibetrag in Höhe von 3000 DM gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1977 zu berücksichtigen, der Alleinstehenden mit mindestens einem Kind gewährt wird. Der Freibetrag soll die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit abgelten, die typischerweise alleinstehenden Steuerpflichtigen durch den Unterhalt eines eigenen und wegen des Kindes verteuerten Hausstandes entsteht (vgl. BVerfGE 45, 104 ≪135≫; 61, 319 ≪324 f.≫). Selbst ohne Berücksichtigung der weiteren steuerlichen kindbedingten Entlastungen und sonstigen gebührenfreien staatlichen Leistungen im Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystem, die die Eltern wirtschaftlich ebenfalls entlasten (BVerfGE 43, 108 ≪121 f.≫; 45, 104 ≪125≫), werden die Unterhaltslasten für den Sohn der Beschwerdeführerin im Jahr 1978 deutlich oberhalb des Regelsatzes berücksichtigt. Die Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch zwangsläufige Unterhaltsverpflichtungen wird im Jahr 1978 auch nach dem vom Gesetzgeber selbst gesetzten Maßstab nicht realitätsfremd berücksichtigt, wenn der für 1978 maßgebende Grundfreibetrag (§ 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG 1977) in Höhe von 3329 DM zum Vergleich herangezogen wird. Der Grundfreibetrag soll das Existenzminimum eines in aller Regel erwachsenen Steuerpflichtigen, der gegenüber einem Kind sogar einen höheren Unterhaltsbedarf hat (vgl. BVerfGE 66, 214 ≪225≫), steuerfrei lassen (vgl. BTDrucks. II/481 S. 66; BVerfGE 43, 1 ≪9≫).

2. Soweit die Beschwerdeführerin mittelbar einkommensteuerrechtliche Vorschriften beanstandet, liegen Verfassungsverstöße (vgl. Ziff. 1) offensichtlich nicht vor.

a) § 12 Nr. 1 EStG spricht zwar grundsätzlich ein Abzugsverbot für Unterhaltsaufwendungen zugunsten von Familienangehörigen aus, nimmt aber die eine steuerliche Entlastung ermöglichenden Vorschriften in § 10 und §§ 3333 b EStG hiervon aus (vgl. § 12 EStG).

b) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht dagegen, daß § 33 a Abs. 1 EStG den Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nur vorsieht, wenn weder dem Steuerpflichtigen noch einer anderen Person ein Anspruch auf Kindergeld zusteht (vgl. BVerfGE 45, 104 ≪125 f.≫).

c) Die einkommensteuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen für Alleinerziehende ist gleichfalls verfassungsrechtlich für das Streitjahr 1978 nicht zu beanstanden, wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat (vgl. BVerfGE 68, 143 ≪153 f.≫).

d) Das erstmals ab Veranlagungszeitraum 1979 eingeführte Real-Splitting mit einem Höchstbetrag von 9000 DM (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Steueränderungsgesetz 1979) bietet keinen sachgerechten Vergleichsmaßstab für 1978. Dem Real-Splitting liegt zudem der Gedanke des Transfers steuerlicher Leistungsfähigkeit zugrunde, weshalb der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen gemäß § 22 Nr. 1 a EStG als sonstige Einkünfte versteuern muß.

3. Spezifische Rügen gegen den Beschluß des Bundesfinanzhofs, mit welchem dieser die auf vermeintliche Verfahrensfehler und auf grundsätzliche Bedeutung gestützte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen hat, sind der Verfassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1556553

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