Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufspaltung: Abfärbung auf Personengesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr.1 EStG, die bei einer Betriebsaufspaltung zu gewerblichen Einkünften einer aus Freiberuflern bestehenden Personengesellschaft führt, ist nicht wegen ungleicher Behandlung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen verfassungswidrig.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3 Nr. 1, § 18

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 13.11.1997; Aktenzeichen IV R 67/96; BFH/NV 1998, 530)

FG Düsseldorf (Urteil vom 14.06.1995; Aktenzeichen 9 K 4520/92 F)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft mittelbar die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt, also Einkünfte aus einem gewerblich betriebenen Unternehmen erzielt.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer geltend, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verletze Art. 3 Abs. 1 GG, soweit die Abfärbewirkung nur bei Personengesellschaften, nicht aber bei Einzelunternehmern eintreten könne. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die gewerbliche Qualifikation der Einkünfte ausschließlich durch eine Betriebsaufspaltung ausgelöst werde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die in § 93a Abs. 2 BVerfGG geregelten Annahmevoraussetzungen (vgl. BVerfGE 90, 20 ≪25 f.≫; 96, 245 ≪248 ff.≫) liegen nicht vor. Die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind hinreichend geklärt, und die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 1, 14 ≪52≫; 98, 365 ≪385≫; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 93, 386 ≪397≫; 105, 73 ≪110≫; stRspr).

Im Rahmen bereichsspezifischer Konkretisierung der allgemeinen gleichheitsrechtlichen Maßstäbe wird die Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, auf dem Gebiet des Steuerrechts und speziell des Einkommensteuerrechts insbesondere durch die Gebote der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl. m.w.N. näher BVerfGE 105, 73 ≪125≫). Bei der Konkretisierung dieser gleichheitsrechtlichen Leitlinien für den Einkommensteuergesetzgeber ist dessen weitgehende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen gehören Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs (vgl. BVerfGE 96, 1 ≪6 f.≫). Deshalb darf der Gesetzgeber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (stRspr; BVerfGE 99, 280 ≪290≫; 105, 73 ≪127≫). Freilich muss der Gesetzgeber realitätsgerecht typisieren (vgl. BVerfGE 89, 15 ≪24 ff.≫) und die Grenzen verhältnismäßiger, insbesondere zumutbarer Belastung der Betroffenen wahren (näher z.B. BVerfGE 100, 59 ≪90≫; 100, 138 ≪174≫). Für die gleichheitsrechtliche Abwägung fällt hierbei insbesondere auch ins Gewicht, wieweit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen verschiedenen Begünstigungs- oder Belastungsalternativen zu wählen (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪360 f.≫).

Hiernach verletzt der durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985 S. 2436) in das Einkommensteuergesetz eingeführte § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, wonach die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommenen Tätigkeiten einer OHG, KG oder einer anderen Personengesellschaft einheitlich als Gewerbebetrieb zu behandeln sind, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt, “infiziert” die gewerbliche Tätigkeit die übrigen Tätigkeiten (sogenannte Abfärbewirkung). Diese Regelung gilt nicht für Einzelunternehmer, bei denen trennbare unterschiedliche Einkunftsarten auch grundsätzlich getrennt zu ermitteln sind (vgl. BFH, BStBl II 1984, S. 129 ≪131≫; 1992, S. 413 ≪415≫).

Wesentlicher Grund für die Umqualifizierung anderer Einkünfte zu gewerblichen Einkünften gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist das bei Personengesellschaften infolge der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 179 Abs. 2 Satz 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO bestehende praktische Bedürfnis, die von ihr erzielten Einkünfte einer Einkunftsart zuzuordnen. Im Gegensatz zu der bei Einzelunternehmern in der Regel leichter möglichen klaren Zuordnung der von diesen erzielten Einkünfte zu den jeweils maßgeblichen Einkunftsarten kann sich beim Zusammenwirken einer Mehrheit von Mitunternehmern im Rahmen einer Personengesellschaft eine solche klare Trennung der verschiedenen Einkunftsarten schwieriger gestalten. Auf der Ebene der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei Personengesellschaften treten bei “gemischten” Tätigkeiten vielfach Ermittlungs und Zuordnungsschwierigkeiten auf, die ohne eine Betriebsprüfung nicht geklärt werden können, wenn die Bereiche wirtschaftlich nicht eindeutig voneinander abgegrenzt sind (vgl. etwa Drüen, Über Zweck und Grenzen der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, FR 2000, S. 177 ff. ≪185≫). Bereits der bis zur Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gültige § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG a.F. und die dazu ergangene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH, RStBl 1937, S. 1129) und des Bundesfinanzhofs (BFH, BStBl II 1984, S. 152) trug dem Rechnung. Ziel war es, der Gesellschaft den nachträglichen, schwer überprüfbaren Einwand abzuschneiden, ein Teil des Betriebes diene anderen als gewerblichen Zwecken. Ebenso dient § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, mit dem die langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt werden sollte, dem Zweck, Ermittlungs- und Zuordnungsprobleme auszuschließen (vgl. BTDrucks 10/3663 S. 8; näher dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. August 2001, BStBl II 2002, S. 152). Das besondere praktische Bedürfnis einer klaren Zuordnung der Einkünfte einer Personengesellschaft bildet einen sachlichen Unterscheidungsgrund gegenüber dem Einzelunternehmer und schließt Willkürlichkeit der gesetzlichen Unterscheidung aus. Im praktischen Ergebnis hat der Steuergesetzgeber die Personengesellschaften für die Einkünftequalifikation bei gemischten Tätigkeiten mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in einen Zwischenbereich zwischen natürlichen Personen als Einzelunternehmern und juristischen Personen gerückt. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, die Erfüllung des Tatbestands des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch alternative Sachverhaltsgestaltung zu vermeiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs findet die Norm keine Anwendung, soweit die gewerbliche Tätigkeit auf eine (gegebenenfalls personenidentische) zweite Gesellschaft ausgegliedert wird (vgl. m.w.N. die hier angegriffene Entscheidung BFH, BStBl II 1998, S. 254 ≪256≫; vgl. auch bereits RFH, RStBl 1937, S. 1129 ≪1130≫). Hierbei handelt es sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Auslegung des Steuergesetzes, die dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Berücksichtigung des Ziels eines praktikablen Gesetzesvollzugs durch Schaffung gesteigerter Mitwirkungslasten der Steuerpflichtigen angemessen Rechnung trägt. Diese Mitwirkungslast ist den Steuerpflichtigen auch zumutbar. Angesichts der formfrei möglichen Gründung einer Schwestergesellschaft bürgerlichen Rechts verlangt die “Ausgliederung” der gewerblichen Tätigkeit in der Sache nicht mehr als eine klare, buchhalterisch dokumentierte, wirtschaftliche Trennung zwischen gewerblicher und nicht gewerblicher Tätigkeit. Diese unter Aspekten der Einfachheit und Praktikabilität des Gewinnfeststellungsverfahrens sachgerechte Last klarer Sachverhaltsgestaltung bewirkt keine unzumutbare Ungleichbehandlung der Personengesellschaft gegenüber dem Einzelunternehmer im Hinblick auf die einkommensteuerrechtliche Abgrenzung der Einkunftsarten. Dies gilt ohne weiteres auch in solchen Fällen, in denen erst die – verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfGE 25, 28; 69, 188) – Grundsätze zur Betriebsaufspaltung zur möglichen Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

BFH/NV Beilage 2005, 259

DStRE 2005, 877

HFR 2005, 56

FR 2005, 139

NZG 2005, 92

WM 2004, 2364

ZKF 2005, 190

BFH/NV-Beilage 2005, 259

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