Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung des Vorwegabzugs bei Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG zugunsten nur eines Ehegatten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurden nur zugunsten der Ehefrau steuerfreie Zukunftssicherungsleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbracht, obwohl beide Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, ist die vollständige Kürzung des den Ehegatten nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zustehenden Vorwegabzugs in Höhe von 12.000 DM (sog. übergreifende Kürzung) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Ehegatten haben gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest „eheneutral” auswirkt. Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG i. d. F. des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 war eheneutral.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 21.12.2000; Aktenzeichen XI B 75/99; BFH/NV 2001, 773)

FG Düsseldorf (Beschluss vom 17.06.1999; Aktenzeichen 9 K 5414/96 E)

FG Düsseldorf (Urteil vom 21.04.1999; Aktenzeichen 9 K 5414/96 E)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

1. a) Die Beschwerdeführer sind zusammenveranlagte Ehegatten. In den Streitjahren 1993 und 1994 erzielten beide Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG. Allerdings wurden nur zugunsten der Ehefrau steuerfreie Zukunftssicherungsleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbracht. Trotzdem kürzte das Finanzamt den den Ehegatten nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zustehenden Vorwegabzug in Höhe von 12.000 DM vollständig. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht Düsseldorf durch Urteil vom 21. April 1999 – 9 K 5414/96 – abgewiesen. Die zum Bundesfinanzhof erhobene Nichtzulassungsbeschwerde war erfolglos (BFH, Beschluss vom 21. Dezember 2000 – XI B 75/99 – BFH/NV 2001, S. 773).

b) In ihrer Verfassungsbeschwerde tragen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die sogenannte übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs benachteilige Ehegatten gegenüber Ledigen unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG. Wenn der Kürzungstatbestand nur in der Person eines Ehegatten erfüllt sei, könne von Verfassungs wegen nur der auf diesen entfallende Anteil des Vorwegabzugs in Höhe von 6.000 DM gekürzt werden. Die anders lautende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich nur auf Fassungen der Kürzungsregelung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz – StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2310).

c) Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen. Es hält die übergreifende Kürzung für verfassungsgemäß und verweist dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

2. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Ehegatten gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest “eheneutral” auswirkt und wenn die gesetzlichen Vorteile denen zugute kommen, die zu den von der Benachteiligung Betroffenen gehören. Auf dieser Grundlage hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht für frühere Veranlagungszeiträume entschieden, dass die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG verstößt (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 – 2 BvR 1400/90 –, HFR 1991, S. 672; vgl. auch BVerfGE 32, 260 ≪269≫; 75, 361 ≪366 f.≫).

b) Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2310) war eheneutral im genannten Sinne. Die hierzu vom Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung gemachten Ausführungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BFH/NV 1998, S. 1466; BFH BStBl II 2003, S. 650 = BFHE 201, 437; BFH/NV 2003, S. 1573).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Broß, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 1959806

BFH/NV Beilage 2008, 244

HFR 2008, 750

BFH/NV-Beilage 2008, 244

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