Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit etwaiger Sicherheitsleistungen im Vollziehungsaussetzungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage der Zumutbarkeit von Sicherheitsleistungen kann davon abhängig gemacht werden, ob der Steuer- oder Haftungsschuldner seine Kreditmöglichkeiten ausgeschöpft hat.

2. Die das Steueraufkommen sichernde Anordnung von Sicherheitsleistungen muß im finanzgerichtlichen Vollziehungsaussetzungsverfahren auch bezüglich der Zeitdauer vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht sein.

 

Normenkette

FGO § 69

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 19.03.1975; Aktenzeichen I B 94/74)

FG Baden-Württemberg (Beschluss vom 25.10.1974; Aktenzeichen VI 6/74)

 

Gründe

1. Der Bundesfinanzhof und das Finanzgericht Baden-Württemberg konnten verfassungsrechtlich unbedenklich bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis kommen, daß zwar ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids bestünden, daß diese Zweifel aber nicht so weit gingen, daß die Aufhebung des Haftungsbescheids mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden könnte. Das Finanzamt hat im Haftungsbescheid und durch Schriftsätze im finanzgerichtlichen Verfahren die gegen den Beschwerdeführer sprechenden Verdachtsmomente genau bezeichnet und Beweismittel angeführt. Es ist nicht willkürlich, wenn der Bundesfinanzhof auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis kommt, daß die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe beweisbar seien. Willkür ist auch nicht ersichtlich, wenn der Bundesfinanzhof die Verwirklichung des Haftungsanspruchs für gefährdet erachtet.

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Frage der Zumutbarkeit von Sicherheitsleistungen davon abhängig zu machen, ob der Steuer- oder Haftungsschuldner seine Kreditaufnahmemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Dabei dürfen Kreditaufnahmemöglichkeiten, die der Arbeitgeber bietet oder vermittelt, berücksichtigt werden. Es ist abwegig, darin einen ungesetzlichen „Durchgriff” auf den Arbeitgeber zu erblicken.

2. Allerdings muß auch die das Steueraufkommen sichernde Anordnung von Sicherheitsleistungen im finanzgerichtlichen Vollziehungsaussetzungsverfahren vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht sein, da die Bindung von erheblichen Geldbeträgen für längere Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Steuerprozesses die wirtschaftliche Freiheit des Einzeln empfindlich beschneiden kann und hierfür später bei günstigem Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht immer voller Ersatz zu erlangen ist. Deshalb muß die Zeitdauer einer in Anspruch genommenen Sicherheitsleistung für ernstlich zweifelhafte Steuer- oder Abgabenforderungen in angemessenem Verhältnis zu den bei der Klärung der Zweifel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auftretenden Schwierigkeiten stehen. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erscheint als gewahrt, denn es handelt sich im vorliegenden Fall um die zeitraubende Untersuchung ungewöhnlich schwieriger grenzüberschreitender Zusammenhänge und Beziehungen. Es wird jetzt Aufgabe des Finanzgerichts sein, das Hauptsacheverfahren innerhalb angemessener Frist zum Abschluß zu bringen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1643020

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