Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Behandlung von Grundstücksausbeuteverträgen des Nießbrauchsberechtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Daß Pachtverträge, die den Abbau von Bodenbestandteilen zum Inhalt haben, zu steuerpflichtigen Einkünften nach § 21 EStG führen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

2. Ob ein Vertrag über die Nutzung von Bodenbestandteilen als Kaufvertrag oder als Pachtvertrag anzusehen ist, ist eine Frage des einfachen Rechts und verfassungsrechtlich nicht voll nachprüfbar.

3. Ist der Nießbraucher nach der vertraglichen Gestaltung des Nießbrauchs verpflichtet, den durch die Absetzungen zu erlangenden Steuervorteil an den Eigentümer herauszugeben, werden durch die Versagung der Befugnis zu Absetzungen für Abnutzung oder für Substanzverringerung keine grundrechtlich geschützten Belange des Nießbrauchers verletzt.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 21; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 18.02.1975; Aktenzeichen VIII R 79/70)

FG München (Urteil vom 25.11.1969; Aktenzeichen FG II 15/69)

 

Gründe

1. Der Bundesfinanzhof konnte die Richterablehnungsanträge der Beschwerdeführer als mißbräuchlich gestellt betrachten und als unbeachtlich behandeln, ohne daß dies vom Bundesverfassungsgericht als Willkür zu beanstanden wäre (BVerfGE 11, 1 [5 f.]).

2. Ob im Ausgangsfall die Voraussetzungen für eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte (§ 215 Abs. 2 Nr. 4 RAO) vorgelegen haben, ist als Frage des einfachen Rechts im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht nachprüfbar.

3. Daß das Steuerrecht Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens – abgesehen von Vorgängen, die unter §§ 17 und 23 EStG fallen – nicht zum steuerpflichtigen Einkommen rechnet, während Einnahmen aus der Nutzung von privatem Grundbesitz zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören, verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG. Auch daß Pachtverträge, die den Abbau von Bodenbestandteilen zum Inhalt haben, zu steuerpflichtigen Einkünften nach § 21 EStG führen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Wie im Einzelfall zwischen einem Kaufvertrag über Bodenbestandteile und einem Abbauvertrag abzugrenzen ist, ist als Frage des einfachen Rechts verfassungsrechtlich nicht voll nachprüfbar. Wenn im vorliegenden Fall neben Vertragsformulierungen vor allem auf den Vertragsinhalt und die Modalitäten des Vertragsvollzugs abgestellt und das Rechtsverhältnis als Abbauvertrag gewürdigt worden ist, läßt dies keinen Grundrechtsverstoß erkennen.

4. Der Bundesfinanzhof hat die Einnahmen aus dem Abbauvertrag den Beschwerdeführern als den im Verhältnis zu den Eigentümern abbauberechtigten Nießbrauchern zugerechnet. Er hat dabei die den Beschwerdeführern zivilrechtlich wirksam auf drei oder vier Jahre bestellten Nießbrauchsrechte steuerrechtlich anerkannt und von einer Zuordnung der Einnahmen an die Eltern, etwa gestützt auf § 12 Nr. 2 EStG, Abstand genommen. Das konnte auch bei einem Nießbrauch von verhältnismäßig kurzer Dauer geschehen. Hätten die Beteiligten die steuerliche Zurechnung an die Eltern gewollt, so hätten sie unschwer eine Gestaltung wählen können, bei der es nicht zu einer Übertragung der Einkunftsquelle auf Zeit, sondern zu einer nach § 12 Nr. 2 EStG unbeachtlichen Verlagerung der Einkünfte gekommen wäre.

Zu Unrecht berufen sich die Beschwerdeführer darauf, sie würden mit Unterhaltsleistungen, die sie von ihren Eltern empfangen hätten, zur Steuer herangezogen. Sie haben vielmehr nach den Feststellungen des Bundesfinanzhofs mit der Einkunftsquelle, die ihnen ihre Eltern eingeräumt hatten, ohne Durchgangserwerb bei den Eltern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gezogen.

Ob von diesen Einkünften Sonderausgaben oder Freibeträge, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen bestimmt sind, abzuziehen waren, konnte im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte und im anschließenden Rechtsmittelverfahren nicht geprüft werden. Die Beschwerdeführer können deshalb auch im vorliegenden Verfahren nicht verfassungsrechtlich klären lassen, ob es Bedenken begegnet, wenn sie bei der Besteuerung dieser Einkünfte keine Freibeträge dafür beanspruchen können, daß sie aus den Einkünften ihren Lebensunterhalt und ihre Berufsausbildung zu bestreiten hatten. Das erstere wird übrigens im Steuerrecht durch einen Grundfreibetrag und den relativ mäßigen Steuersatz der unteren Proportionalzone des Einkommensteuertarifs berücksichtigt. Für eigene Berufsausbildungskosten wird seit 1969 nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 bis 1974 (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1975) ein Freibetrag gewährt. Zu einer rückwirkenden Einführung des Freibetrags für das Jahr 1965 dürfte der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet gewesen sein.

5. Die Nießbrauchsrechte waren den Beschwerdeführern in der Weise bestellt worden, daß sie von der landwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücksoberfläche und deren Bebauung ausgeschlossen waren und infolgedessen praktisch nur die Nutzung durch Abbau von Bodenbestandteilen betreiben konnten.

a) Ob es, wie die Verfassungsbeschwerde rügt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, daß den Beschwerdeführern Absetzungen für Abnutzung (AfA) oder Substanzverringerung (AfS) auf die Nießbrauchsrechte verwehrt worden sind, hängt zunächst davon ab, ob die Beschwerdeführer die Nießbrauchsrechte entgeltlich erworben hatten und deshalb von den Anschaffungskosten Absetzungen vornehmen können. Dies konnte der Bundesfinanzhof verfassungsrechtlich unbedenklich ausschließen.

b) Das Einkommensteuerrecht läßt grundsätzlich auch bei unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern, die der Einkommenserzielung dienen und dabei der Abnutzung oder Substanzverringerung unterliegen, Absetzungen zu (§ 7 EStG). Ob dem Bundesfinanzhof darin zu folgen ist, daß bei einem Nießbrauch, der auf den Abbau von Bodenbestandteilen gerichtet ist, die Abnutzung oder Substanzverringerung nicht vom Nutzungsberechtigten, sondern vom Eigentümer getragen werde und die Absetzungen deshalb dem Eigentümer zuständen, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Beschwerdeführer durch die Versagung der AfA- oder AfS-Befugnis nicht benachteiligt werden. Die Eltern haben die Nießbrauchsrechte an den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken ohne vorherige Gewinnrealisierung auf die Beschwerdeführer übertragen; für die unbelasteten Grundstücke wären nach § 27 Nr. 2 Buchst. a EStDV 1961 nur die geringen fiktiven Erwerbskosten am 31. August 1948 anzusetzen; weiterhin käme von diesen Kosten bei den Beschwerdeführern nur der Teil als Abschreibungsvolumen in Frage, der dem Verhältnis der auf den 16. Januar 1965 zu ermittelnden Teilwert der nießbrauchsbelasteten Grundstücke und der Nießbrauchsrechte entspräche; schließlich sind den Eltern wesentlich höhere Absetzungen zugesagt worden. Da die Eltern und die Beschwerdeführer die Besteuerung der Einkünfte in Abschnitt II Nr. 2 der Nießbrauchsbestellungsverträge zur Geschäftsgrundlage gemacht haben, könnte sich eine anderweitige Zuordnung der AfA- oder AfS-Befugnis für die Beschwerdeführer letztlich nicht günstig, sondern allenfalls nachteilig auswirken.

Unter diesen Umständen bedeutet die Versagung der AfA- oder AfS-Befugnis für die Beschwerdeführer keine Beeinträchtigung ihrer grundrechtlich geschützten Belange.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1641730

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