Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Getränkesteuererhebung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Getränkesteuer ist keine „Berufssteuer” (vgl. BVerfGE 16, 147 (186 f.)). Sie ist auf Abwälzung angelegt und wird wirtschaftlich von den Verbrauchern getragen. Eine gleichheitswidrig stärkere steuerliche Belastung der Gastwirte gegenüber anderen Berufen tritt deshalb nicht ein.

 

Normenkette

BayGO 1945 Art. 1 Abs. 1; GAG BY Art. 7 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1938-07-20; GG Art. 105 Abs. 2a, Art. 2 Abs. 1, Art. 20, 3 Abs. 1; KAG BY Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 32 Abs. 1 Ziff. 1 Fassung:1974-03-26; StAnpG § 1 Abs. 2 Fassung: 1934-10-16

 

Verfahrensgang

BVerwG (Urteil vom 28.06.1974; Aktenzeichen VII C 16.73)

Bayerischer VGH (Urteil vom 24.01.1973; Aktenzeichen 90 IV 72)

VG Ansbach (Urteil vom 16.02.1972; Aktenzeichen 658 I/71)

 

Gründe

A.

Gegenstand des Verfahrens ist die Verfassungsmäßigkeit der Getränkesteuererhebung der Stadt Gunzenhausen/Bayern aufgrund ihrer Getränkesteuersatzung vom 16. März 1949, geändert durch Satzung vom 19. Februar 1968.

I.

1. Im Zeitpunkt des Erlasses der Getränkesteuersatzung der Stadt Gunzenhausen vom 16. März 1949 ermächtigte Art. 1 Abs. 1 des bayerischen Gesetzes Nr. 31 vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) – BayGO 1945 – die Gemeinden, „Umlagen, Verbrauchssteuern und örtliche Abgaben nach Maßgabe der bestehenden Gesetze” zu „erheben”. Das insoweit als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommende bayerische Gemeindeabgabengesetz vom 20. Juli 1938 (BayBS. I S. 553) – GAG – sah in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 die Erhebung örtlicher Verbrauchsteuern vorbehaltlich einer anderweitigen gesetzlichen Regelung vor. Für die Gemeindegetränkesteuer enthielt der zweite Abschnitt der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juli 1930 (RGBl. I S. 311) i.d.F. vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I S. 517) und 23. Dezember 1931 (RGBl. I S. 779) – im folgenden: Getränkesteuerverordnung 1930 – eine anderweitige Regelung. § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930 lautete:

Sofern der Haushalt einer Gemeinde durch Wohlfahrtslasten in außerordentlichem Umfang belastet ist, ist die Gemeinde berechtigt, mit Zustimmung der Landesregierung neben der Gemeindebiersteuer eine Gemeindegetränkesteuer auf Wein, weinähnliche und weinhaltige Getränke, Schaumwein, schaumweinähnliche Getränke, Trinkbranntwein, Mineralwässer und künstlich bereitete Getränke sowie Kakao, Kaffee, Tee und andere Auszüge aus pflanzlichen Stoffen zu erheben, soweit diese Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle entgeltlich abgegeben werden. Die Steuer beträgt mindestens 5 vom Hundert des Kleinhandelspreises.

§ 8 der Getränkesteuerverordnung 1930 ermächtigte zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen. § 2 Abs. 3 der Durchführungsbestimmung vom 4. September 1930 (RGBl. I S. 450) i. d. F. der Verordnung vom 16. Dezember 1932 (RGBl. I S. 557) – im folgenden: Getränkesteuerdurchführungsverordnung 1930 – lautete:

Die Zustimmung zur Einführung der Gemeindegetränkesteuer darf nur auf Grund der Überzeugung erteilt werden, daß die Gemeinde tatsächlich durch Wohlfahrtslasten in außerordentlichem Umfang belastet ist; ….

Die Getränkesteuerverordnung 1930 ist durch Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Bereinigung des bayerischen Landesrechts vom 22. Juli 1968 (GVBl. S. 235) mit Wirkung vom 1. August 1968 und das GAG durch Art. 32 Abs. 1 Ziff. 1 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes vom 26. März 1974 (GVBl. S. 109, ber S. 252) – KAG 1974 – mit Wirkung vom 1. Juli 1974 außer Kraft getreten. Seitdem bestimmt Art. 3 Abs. 1 KAG 1974:

Die Gemeinden können örtliche Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern erheben, solange und soweit diese nicht bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind.

2. Die Stadt Gunzenhausen führt in ihrer Getränkesteuersatzung vom 16. März 1949 und in der Änderungssatzung vom 19. Februar 1968, durch die mit Rücksicht auf die Einführung der Mehrwertsteuer nur der Begriff des Kleinhandelspreises neu bestimmt worden ist, die §§ 3 und 8 der Getränkesteuerverordnung 1930 nebst Durchführungsbestimmungen als Ermächtigungsgrundlage an. Die Satzung bestimmt im wesentlichen folgendes: Gegenstand der Steuer ist die „entgeltliche Abgabe von Wein, weinähnlichen und weinhaltigen Getränken, … zum Verzehr an Ort und Stelle …” (§ 1). Steuerschuldner ist, auf wessen Rechnung die Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle entgeltlich abgegeben werden (§ 2). Die Höhe der Steuer beträgt 10% des Kleinhandelspreises (§ 3 Abs. 1).

II.

1. Der Beschwerdeführer betreibt in der Stadt Gunzenhausen eine Gaststätte. Aus Anlaß einer Betriebsprüfung verlangte die Stadt von ihm mit Bescheid vom 5. Oktober 1970 aufgrund ihrer Getränkesteuersatzung vom 16. März 1949 und 19. Februar 1968 Getränkesteuernachzahlungen für die Jahre 1967 bis 1969 in Höhe von 1.183 DM und für das Jahr 1970 in Höhe von 296 DM. Der Beschwerdeführer erhob dagegen nach erfolglosem Widerspruch Klage, der das Verwaltungsgericht Ansbach durch das Urteil vom 16. Mai 1972 insoweit stattgab, als Getränkesteuer auch für 1970 nachverlangt worden war. Es führte aus: Für Zeiträume bis zum 31. Dezember 1969 sei die Erhebung der Gemeindegetränkesteuer als Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis im Sinne des Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG a.F. verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch bestünden im übrigen gegen die Steuernachforderung insoweit keine Bedenken. Für Zeiträume nach dem 31. Dezember 1969 stehe der Getränkesteuererhebung jedoch der mit Wirkung vom 1. Januar 1970 durch das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in Art. 105 GG neu eingefügte Absatz 2a entgegen. Die Getränkesteuer sei mit der bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer (Mehrwert-)Steuer gleichartig im Sinne dieser Vorschrift und dürfe deshalb seit deren Inkrafttreten nicht mehr erhoben werden.

2. Auf die Berufung der Stadt Gunzenhausen änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Urteil vom 24. Januar 1973 und wies die Klage des Beschwerdeführers auch insoweit ab, als das Verwaltungsgericht ihr stattgegeben hatte. Die Berufung des Beschwerdeführers mit der dieser die Verfassungswidrigkeit der Getränkesteuer für die Zeit vor dem 1. Januar 1970 unter sozialstaatlichen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten geltend gemacht hatte, wurde zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus: Die Getränkesteuersatzung der Stadt Gunzenhausen sei formell rechtsgültig auf der Grundlage der Getränkesteuerverordnung 1930 erlassen worden. Der Senat halte auch an seiner Rechtsauffassung (VGH n.F. 5, 28 [34]; BayVBl. 1963 S. 189) fest, daß die gleichzeitige Erhebung einer Gemeindebiersteuer und eine außerordentliche Belastung des Gemeindehaushalts mit Wohlfahrtslasten keine Voraussetzungen gewesen seien, deren Wegfall dazu geführt habe, daß die Stadt Gunzenhzausen im Jahre 1949 aufgrund der Notverordnungsbestimmungen keine Getränkesteuersatzung mehr hätte erlassen dürfen. Im übrigen habe das Verwaltungsgericht rechtsirrtümlich die Verfassungswidrigkeit der Getränkesteuersatzung der Stadt Gunzenhausen seit dem 1. Januar 1970 angenommen. Die örtliche Radizierung einer Verbrauchsteuer, wie sie durch die Beschränkung der Gemeindegetränkesteuer auf den Verzehr an Ort und Stelle erreicht werde, genüge in jedem Falle, um eine Gleichartigkeit mit der bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer auszuschließen. Der Verwaltungsgerichtshof ließ die Revision zu, weil der Auslegung des Art. 105 Abs. 2a GG grundsätzliche Bedeutung zukomme.

3. Mit der Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs machte der Beschwerdeführer geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Grundsatz der Gewaltentrennung verletzt, indem er die wesentlichen Voraussetzungen der Ermächtigung in § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930, nämlich „außerordentliche Belastung der Gemeinde durch Wohlfahrtslasten” einfach für „obsolet” erklärt habe. Die zur Begründung in Bezug genommenen früheren Urteile des Verwaltungsgerichtshofs stützten sich auf rechtliche Vorgänge, die in der Zeit von 1933 bis 1945 durch Rechtsbeugung ausgelöst worden seien. Soweit die Getränkesteuer für die Zeit nach dem 1. Januar 1970 in Frage stehe, verletze das angefochtene Urteil den in Art. 105 GG neu eingefügten Absatz 2a. Es lege diese Verfassungsvorschrift so aus, als ob es keine Änderung gegeben habe.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision durch das Urteil vom 28. Juni 1974 als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Das Berufungsgericht habe § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930 ausgelegt, indem es unter Bezugnahme auf seine früheren Urteile den Wortlaut, Sinnzusammenhang und die historische Bedeutung dieser Vorschrift untersucht und ausgeführt habe, daß der damalige Gesetzgeber das Erfordernis außerordentlicher Belastung der Gemeinde mit Wohlfahrtslasten nicht als unabdingbare Voraussetzung für den Rechtsbestand der Getränkesteuersatzung angesehen habe. Damit seien die Grenzen zulässiger Gesetzesinterpretation nicht überschritten. Im übrigen sei dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß der neu gefaßte Art. 105 Abs. 2 und der neu in Art. 105 eingefügte Abs. 2a GG der Getränkesteuererhebung nicht entgegenstehen. Die traditionelle Gemeindegetränkesteuer gehöre zur Gruppe der örtlichen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG. Das in diese Vorschrift aufgenommene Verbot gleichartiger Landessteuern habe für sich keinen festumrissenen Inhalt. Es habe nur klarstellende Bedeutung. Es verweise und begrenze die Gesetzgebung der Länder auf diejenigen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern, die der Kompetenz des Bundes wegen Fehlens der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG verschlossen seien, also auf den Bereich, der durch die örtliche Radizierung der Steuern abgesteckt sei. Mithin sei die in Anknüpfungsweise und Wirkungsweise örtliche Radizierung der gemeindlichen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern auch nach dem neuen Absatz 2a des Art. 105 GG das entscheidende Merkmal geblieben, das die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder von der Bundeskompetenz abgrenze.

III.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und die vorangegangenen Entscheidungen rügt der Beschwerdeführer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 und Art. 105 Abs. 2a GG sowie Verletzung des Art. 3 GG. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Die Getränkesteuerverordnung 1930 sei in der Zeit von 1933 bis 1945 dem Rechtsverfall und der Rechtsbeugung ausgesetzt worden. Die gegenteilige Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stütze sich auf ein „Nichturteil des Reichsfinanzhofs vom 12. Mai 1939”, das auf „Anweisung der Exekutive … rechtswidrig zustandegekommen sei” Es gebe in Bayern auch nach Aufhebung der Getränkesteuerverordnung 1930 im Jahre 1968 keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung der Getränkesteuer.

Seit dem 1. Januar 1970 stehe der Getränkesteuererhebung überdies Art. 105 Abs. 2a GG entgegen, weil die Getränkesteuer mit der Umsatzsteuer gleichartig sei. Die gegenteilige Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts beruhe auf einer fehlerhaften Gesetzesauslegung. Auch vermöge die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1975 (BVerfGE 40, 56) zur Verfassungsmäßigkeit der Vergnügungssteuer, nach der das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG einen anderen Inhalt habe als das des Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG, nicht zu überzeugen. Gegen die Annahme, die Getränkesteuer gehöre zu den herkömmlichen üblicherweise am 1. Januar 1970 bestehenden örtlichen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern, spreche insbesondere, daß die Getränkesteuer in der Mehrzahl der Bundesländer nicht mehr existiere und, soweit sie zugelassen sei, von der Mehrzahl der Gemeinden nicht mehr erhoben werde. Im übrigen verletze die Getränkesteuererhebung auch den Gleichheitssatz. Es gebe keinen anderen Berufsstand, der neben der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer noch so zahlreichen Sonderbesteuerungen unterliege, wie der der Gastwirte.

IV.

Den Verfassungsorganen des Bundes und des Landes Bayern sowie der Beklagten des Ausgangsverfahrens ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Ferner ist der Bayerische Verfassungsgerichtshof gebeten worden mitzuteilen, wie und aufgrund welcher Erwägungen er das Grundgesetz in der hier streitigen Frage bisher ausgelegt habe und welche damit zusammenhängenden Rechtsfragen zur Entscheidung anstünden.

1. Der Bayerische Ministerpräsident, der sich namens der Bayerischen Staatsregierung geäußert hat, hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung der traditionellen Gemeindegetränkesteuer könne nicht ernstlich behauptet werden, daß deren Erhebung willkürlich sei. Bei der Erschließung von Steuerquellen habe der Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit. Die Annahme der Instanzgerichte, die Getränkesteuersatzung der Stadt G. sei durch Landesrecht gedeckt, halte sich in den verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsanwendung. Die Getränkesteuersatzung verstoße aus den vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten Gründen auch nicht gegen Art. 105 Abs. 2a GG.

2. Der Bayerische Landtag und die Stadt Gunzenhausen halten die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unbegründet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat auf seine Entscheidung vom 4. April 1975 (Vf 20-VII-73) zum Bayerischen Vergnügungssteuergesetz hingewiesen.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie ist – nach Erschöpfung des Rechtsweges – fristgerecht erhoben worden. Der Beschwerdeführer kann als Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG rügen, er sei aufgrund von Rechtsvorschriften zur Steuer herangezogen worden, die formell und materiell nicht der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfGE 9, 3 [11]; 19, 206 [215 f.]; 42, 223 [227]). Er trägt dazu vor, die Getränkesteuersatzung der Stadt Gunzenhausen sei ungültig, weil sie durch keine gesetzliche Ermächtigung gedeckt sei. Seit dem 1. Januar 1970 stehe der Rechtsgültigkeit der Satzung überdies Art. 105 Abs. 2a GG wegen Gleichartigkeit der Getränkesteuer mit der bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer entgegen. Der Beschwerdeführer hat ferner ausgeführt, die Getränkesteuersatzung verletze Art. 3 Abs. 1 GG.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG, nur aufgrund solcher Bestimmungen zur Steuer herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfGE 9, 3 [11]; 19, 206 [215 f.]; 42, 223 [227]), ist nicht verletzt.

1. Die Getränkesteuersatzung der Stadt Gunzenhausen ist gültig erlassen worden. Ermächtigungsgrundlage ist Art. 1 Abs. 1 der bayerischen Gemeindeordnung 1945 in Verbindung mit der Getränkesteuerverordnung 1930 nebst Durchführungsverordnung. Diese Vorschriften enthalten für die Getränkesteuererhebung gegenüber Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GAG die speziellere Regelung und schließen dessen Anwendung insoweit aus.

Die Stadt Gunzenhausen hat ihr Satzungsrecht durch den Erlaß der Getränkesteuersatzung vom 16. März 1949 nicht überschritten. § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930 ermächtigte die Gemeinden nach näherer gesetzlicher Bestimmung eine Gemeindegetränkesteuer zu erheben, „sofern der Haushalt einer Gemeinde durch Wohlfahrtslasten in außerordentlichem Umfang belastet ist, … „. Bedeutung und Reichweite dieser Voraussetzung ist in der Rechtsprechung der Fachgerichte unterschiedlich beurteilt worden.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seinen Urteilen vom 14. Februar 1952 (VGH n.F. 5, 28) und 13. März 1963 (BayVBl. S. 189), auf die er sich in dem hier angegriffenen Urteil zur Begründung bezieht, davon aus, daß die außerordentliche Belastung der Gemeindehaushalte mit Wohlfahrtslasten spätestens mit der Beseitigung der Arbeitslosigkeit seit 1938/39 im allgemeinen weggefallen sei. Die Gültigkeit einer auf § 3 Abs. 1 Getränkesteuerverordnung 1930 gestützten Getränkesteuersatzung werde dadurch aber nicht berührt, weil die außerordentliche Belastung der Gemeindehaushalte mit Wohlfahrtslasten niemals im Verhältnis zu den Steuerpflichtigen eine Bedingung für die Gültigkeit einer Getränkesteuersatzung gewesen sei. Die genannten Begriffsmerkmale seien so unbestimmt, daß die Getränkesteuerverordnung 1930 anderenfalls nicht vollziehbar gewesen wäre. Wie sich insbesondere aus § 2 Abs. 3 der Getränkesteuerdurchführungsverordnung 1930 ergebe, habe der Gesetzgeber lediglich der für die Genehmigung zuständigen Behörde die Weisung erteilen wollen, die beantragte Genehmigung zu versagen, wenn sie die genannten Voraussetzungen nicht für gegeben halte. Das sei bereits vor 1945 anerkannt gewesen und gelte auch heute noch. Deshalb könne es dahingestellt bleiben, ob bei der in § 1 Abs. 2 Steueranpassungsgesetz vorgeschriebenen Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse zum Beispiel auch der Umfang der Kriegsschäden in einer Gemeinde gebührend in Betracht gezogen werden könne.

Demgegenüber ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster im Urteil vom 12. Dezember 1962 (OVGE 18, 181) für den wirksamen Erlaß und den Fortbestand einer auf § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930 gestützten Satzung Voraussetzung, daß der betreffende Gemeindehaushalt tatsächlich durch Wohlfahrtslasten in außerordentlichem Umfang belastet ist, was uneingeschränkt richterlich nachprüfbar sei. Wohlfahrtslasten im Sinne des § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930 seien ausschließlich Aufwendungen der Gemeinden zur Unterstützung Erwerbsloser. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVGE 15, 462) nimmt an, es sei unzulässig, den Begriff „Wohlfahrtslasten” so auszulegen, daß auch Aufwendungen der Gemeinden für die Kriegsfolgenbeseitigung die Erhebung der Getränkesteuer rechtfertigen können.

Im vorliegenden Fall braucht das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden, ob die Annahme des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zutrifft, die Belastung des Gemeindehaushalts „durch Wohlfahrtslasten in außerordentlichem Umfang” sei keine Bedingung für die Rechtsgültigkeit einer auf § 3 Abs. 1 Getränkesteuerverordnung 1930 gestützten Getränkesteuersatzung; denn diese Voraussetzung war im Zeitpunkt des Erlasses der Getränkesteuersatzung der Stadt Gunzenhausen vom 16. März 1949 erfüllt. Im Jahre 1949 herrschte als Folge des Krieges noch allgemeine Not, die alle öffentlichen Haushalte aufs äußerste belastete. Der Begriff der Wohlfahrtslasten im Sinne des § 3 Abs. 1 der Getränkesteuerverordnung 1930 umfaßt nicht nur Aufwendungen zur Unterstützung Arbeitsloser, sondern Fürsorgeleistungen aller Art. Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar und entspricht besser seinem Sinn und Zweck; denn es soll der infolge von Wohlfahrtslasten notleidenden Gemeinde ohne spezielle Beschränkung auf einen bestimmten Grund für die wirtschaftliche Belastung ermöglicht werden, die zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben dringend erforderlichen Mittel zu beschaffen. Bei der allgemeinen Situation im Jahre 1949 war auch die Stadt Gunzenhausen zu dieser Zeit mit Wohlfahrtslasten in außerordentlichem Umfang belastet. Gegen den wirksamen Erlaß der Satzung bestehen deshalb keine Bedenken.

2. Der Fortgeltung der Satzung steht nicht entgegen, daß die im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung gegebenen Voraussetzungen später entfallen sind. Es ist anerkannt, daß das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluß auf den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung ist (BVerfGE 9, 3 [12]; 14, 245 [249]). Für den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen kommunalen Satzung gilt nichts anderes, und zwar auch dann, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen der Ermächtigung später entfallen.

Die Änderung der Satzung vom 19. Februar 1968, durch die mit Rücksicht auf die Einführung der Mehrwertsteuer nur der Begriff des Kleinhandelspreises neu bestimmt wurde, ist verfassungsrechtlich ohne Belang.

3. Der Weitergeltung der Satzung über den 31. Dezember 1969 hinaus steht auch Art. 105 Abs. 2a GG nicht entgegen. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 4. Juni 1975 (BVerfGE 40, 56) eingehend begründet, daß die herkömmlichen örtlichen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern nicht mit bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig im Sinne dieser Vorschrift sind. Zu den herkömmlichen Steuern in diesem Sinne gehören jedenfalls die bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern (BVerfGE 40, 52 [55]). Die traditionelle Gemeindegetränkesteuer, deren Erhebung an die entgeltliche Abgabe von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle anknüpft, die auf Abwälzbarkeit angelegt ist und wirtschaftlich von dem Verbraucher getragen wird, erfüllt diese Voraussetzungen. Unerheblich ist insoweit, daß die Getränkesteuer nicht in allen Bundesländern und – soweit von diesen vorgesehen – nicht von allen Gemeinden erhoben wird.

4. Die Ansicht des Beschwerdeführers, die Erhebung der Getränkesteuer sei willkürlich und verletze den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil kein anderer Berufsstand wie der des Gastwirts Sonderbesteuerungen unterliege, trifft nicht zu. Die Getränkesteuer ist keine „Berufssteuer” (vgl. BVerfGE 16, 147 [186 f.]). Sie ist auf Abwälzung angelegt und wird wirtschaftlich von den Verbrauchern getragen. Eine gleichheitswidrig stärkere steuerliche Belastung der Gastwirte gegenüber anderen Berufen tritt deshalb nicht ein.

Die Verfassungsbeschwerde war daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BVerfGE, 216

NJW 1977, 1769

DVBl. 1978, 307

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