Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtabzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen und Spenden an kommunale Wählervereinigungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Nichtabzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an kommunale Wählervereinigungen vor dem Veranlagungszeitraum 1984 hat jedenfalls angesichts des zeitlich begrenzten Anwendungsbereichs des § 10b Abs. 2 EStG 1981 (inhaltsgleich mit EStG 1979) kein Ausmaß erreicht, das verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden könnte.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1-2; EStG § 10b Abs. 2; HBegleitG 1989 Art. 4 Nr. 11 Buchst. c; PartG § 2

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 25.10.1989; Aktenzeichen X R 190/87)

 

Gründe

Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten.

Nach § 10b Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 6. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1249) – EStG 1981 – sind steuerlich abzugsfähig nur Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 PartG, nicht jedoch Mitgliedsbeiträge und Spenden an Wählervereinigungen, die nur im kommunalen Bereich tätig sein wollen. Eine andere Auslegung ist – wie das Bundesverfassungsgericht bereits zum insoweit inhaltsgleichen § 10b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 721) – EStG 1979 – dargelegt hat (BVerfGE 69, 92 ≪104 f.≫) angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht möglich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt BVerfGE 78, 350 ≪357≫) bildet den Maßstab für die Prüfung, ob Vorschriften der vorliegenden Art mit dem Grundgesetz vereinbar sind, Art. 3 Abs. 1 GG in seiner vom Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) gebotenen strengen, formalen Auslegung.

Das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes äußert sich in einer lebendigen Demokratie nicht nur in der Stimmabgabe bei den Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den Prozeß der politischen Meinungsbildung. Dieses Gleichheitsrecht ist zu beachten, wenn die finanzielle Unterstützung politischer Parteien steuerlich begünstigt wird. Erläßt der Gesetzgeber solche Bestimmungen und wird dadurch dem Bürger die Einflußnahme auf das politische Geschehen erleichtert, so darf er das Recht des Einzelnen auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung grundsätzlich nicht in der Weise beeinträchtigen, daß er bestimmten Bürgern eine größere Einflußnahme auf den Willensbildungsprozeß ermöglicht als anderen. Der Gesetzgeber ist zwar nicht gehalten, die auf der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beruhenden unterschiedlichen Möglichkeiten der Bürger zur finanziellen Unterstützung von politischen Parteien auszugleichen, er darf indes die vorgegebenen Unterschiede auch nicht durch eine steuerliche Regelung verschärfen, die einen Teil der Bürger in gleichheitswidriger Weise bevorzugt (BVerfGE 8, 51 ≪68 f.≫; 24, 300 ≪360≫; 52, 63 ≪88≫; 69, 92 ≪104 f.≫; 73, 40 ≪71≫; 78, 350 ≪358 f.≫).

Der aufgrund der Regelung des § 10b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 721) – EStG 1979 – den Parteien mittelbar zugute kommende – und den sogenannten Rathausparteien vorenthaltene – staatliche Steuerverzicht führte nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 1985 (BVerfGE 69, 92 ≪111 f.≫ nicht zu einer verfassungsrechtlich ins Gewicht fallenden Differenzierung des Rechts der Bürger auf Teilhabe an der politischen Willensbildung im kommunalen Bereich und auch nicht zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Chancengleichheit der im Wettbewerb um Wählerstimmen stehenden politischen Parteien und Wählergruppen. Damals sah das Gesetz eine Steuerermäßigung vor, die jedem Steuerpflichtigen eine Steuerersparnis im Höchstfall von etwas über 300 DM erbrachte. Dieser staatliche Steuerverzicht wirkte sich auf den Wettbewerb zwischen Parteien und kommunalen Wählervereinigungen nur geringfügig aus.

§ 10b Abs 2 EStG 1981 beschränkt die Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an politische Parteien auf 1.800 DM für Ledige und 3.600 DM im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten. Für Beiträge und Spenden, von mehr als 1.800 DM bzw. 3.600 DM im Jahr sieht § 10b Abs. 2 EStG 1981 eine Steuerermäßigung nicht vor. Die jährliche Steuerersparnis beträgt im Höchstfall ca. 1.000 DM für Ledige bzw 2.000 DM im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten. Diese Anhebung der Abzugshöchstbeträge für Spenden und Beiträge an politische Parteien begründet nur vorübergehend ein spürbares Gefälle gegenüber den kommunalen Wählervereinigungen. Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen vom 25. Juli 1988 (BGBl. I S. 1185) sowie Art. 4 Nr. 11 Buchst. c) des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte – Haushaltsbegleitgesetz 1989 – vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2265) können Spenden an kommunale Wählervereinigungen seit dem Veranlagungszeitraum 1984 bis zu einem Höchstbetrag vom 600 DM, im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten von 1.200 DM von der tariflichen Einkommensteuer abgesetzt werden. Die Nichtberücksichtigung der von den Beschwerdeführern für den Veranlagungszeitraum 1982 als Sonderausgabe geltend gemachten Spende in Höhe von 300 DM hat jedenfalls angesichts dieses zeitlich begrenzten Anwendungsbereichs des § 10b Abs. 2 EStG 1981 kein Ausmaß erreicht, das verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden könnte.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1521090

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