Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 07.08.1992; Aktenzeichen III B 147/91)

FG Köln (Urteil vom 28.08.1991; Aktenzeichen 3 K 1809/91)

 

Tenor

Das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 28. August 1991 – 3 K 1809/91 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen. Der Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 7. August 1992 – III B 147/91 – wird damit gegenstandlos.

Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Tatbestand

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die steuerrechtliche Nichtanerkennung eines zwischen Ehegatten bestehenden Arbeitsverhältnisses.

I.

1. Der Beschwerdeführer betrieb in den streitigen Veranlagungszeiträumen 1978 bis 1981 ein Oberbekleidungsgeschäft. Die Ehefrau des Beschwerdeführers arbeitete in dessen Betrieb. Das Gehalt der Ehefrau wurde auf ein Konto der Eheleute überwiesen, über welches jeder Ehegatte allein verfügen konnte (sog. „Oder-Konto”). Im Anschluß an eine Betriebsprüfung ließ das Finanzamt die an die Ehefrau geleisteten Gehaltszahlungen nicht mehr zum Abzug zu.

Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht schloß sich der Rechtsauffassung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BStBl II 1990, 160) an, wonach ein Ehegattenarbeitsverhältnis steuerlich nicht anerkannt werden könne, wenn die Bezüge des Arbeitnehmerehegatten auf ein Oder-Konto der Ehegatten überwiesen worden seien. Dann seien Lohnüberweisungen keine Betriebsausgaben, weil die Zahlungen die betriebliche Sphäre noch nicht verlassen hätten. Denn auch nach Überweisung auf das Oder-Konto könnte der Arbeitgeberehegatte frei über diesen Betrag verfügen. Damit fehle es an einer Lohnzahlung in der unter Fremden üblichen Art und Weise.

Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf der Bundesfinanzhof als unzulässig. Der Beschwerdeführer habe die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO „dargelegt”. Habe der Bundesfinanzhof bereits über eine streitige Rechtsfrage entschieden, so sei darzulegen, weshalb trotz dieser Entscheidung weiterhin ein Klärungsbedarf bestehe. An einer solchen Darlegung fehle es; die von dem Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage sei bereits mit dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs eingehend und abschließend beantwortet worden. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs habe sich auch mit den verfassungsrechtlichen Bedenken auseinandergesetzt; ein weiterer Klärungsbedarf bestehe nicht.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zwinge den Beschwerdeführer, zwei Privatkonten zu führen. Dies sei eine Beeinträchtigung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit, zumal sich auch die Kosten verdoppeln würden. Im übrigen sei es die Privatangelegenheit des Beschwerdeführers, auf welches Konto das Gehalt überwiesen werde. Der Beschwerdeführer macht sich im weiteren die in der steuerrechtlichen Literatur (Kasch, DStR 1988, 691) anzutreffende – verfassungsrechtliche – Kritik an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Oderkonto bei Ehegattenarbeitsverhältnissen zu eigen: Das Bundesverfassungsgericht habe schon früh der auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFHE 27, 22) zurückzuführenden Ansicht, daß die Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen der Steuerumgehung Vorschub leiste, Grenzen gesetzt, wenn es festgestellt habe, daß Art. 6 Abs. 1 GG es gebiete, angemessene Vergütungen aus Ehegattenarbeitsverhältnissen zugunsten der Beteiligten steuerlich anzuerkennen (BVerfGE 13, 290; 13, 318). Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Oderkonto führe dazu, daß die steuerliche Anerkennung von Verträgen unter Ehegatten an Kriterien anknüpfe, die für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Fremden nicht maßgebend seien. Damit seien Ehegatten im Vergleich zu Fremden steuerlich benachteiligt, weil aus der ehelichen Bindung ein Indiz zur Begehung steuerlicher Unregelmäßigkeiten abgeleitet werde. Auch hier habe das Bundesverfassungsgericht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung Grenzen gesetzt, wenn es in seinem Beschluß zur Betriebsaufspaltung (BVerfGE 69, 188) festgestellt habe, daß Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG es nicht erlaube, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet seien. Entscheidend sei, daß der behauptete Inhalt eines Ehegattenarbeitsverhältnisses und seine tatsächliche Durchführung auch nachzuweisen seien. An diesen Nachweis seien strenge Anforderungen zu stellen. Dadurch sei noch keine Diskriminierung der Ehegattenarbeitsverhältnisse gegeben; die strengen Anforderungen folgten aus der Einsicht, daß aufgrund des regelmäßig fehlenden Interessengegensatzes zwischen den Ehegatten der Anreiz zu steuersparenden Scheinverträgen größer sei als unter Fremden. Hätten indessen die Ehegatten den Nachweis geführt, daß sie gegenseitig schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen seien, und daß sie ihre Vereinbarungen auch durchgeführt hätten, könne die steuerliche Anerkennung dieser Vereinbarungen nicht durch zusätzliche Anforderungen, die nur an Ehegatten gestellt werden, versagt werden. Entscheidend sei danach, ob die Ehegatten ein Arbeitsverhältnis ernsthaft vereinbart und dementsprechend auch durchgeführt hätten und ob der Lohn des Arbeitnehmerehegatten nicht überhöht sei. Lägen diese Voraussetzungen zweifelsfrei vor, dann könne es für die steuerliche Anerkennung des Ehegattenarbeitsverhältnisses nur darauf ankommen, daß der Arbeitnehmerehegatte die Möglichkeit habe, über seinen Lohn frei zu verfügen. Aus der Sicht des Arbeitgeberehegatten sei insofern entscheidend, ob die gegen ihn gerichtete Forderung auf Auszahlung des Arbeitslohns durch die Überweisung auf ein gemeinsames Konto erloschen sei. Mit der Möglichkeit der tatsächlichen Verfügung über das Arbeitsentgelt sei das Schuldverhältnis erloschen und damit umfassend durchgeführt. Unbefriedigend sei, wenn demgegenüber Barzahlungen, die kaum überprüfbar seien, steuerlich unschädlich seien, dagegen nachweisbare Verfügungen des Arbeitnehmerehegatten über seinen Arbeitslohn schlichtweg ignoriert würden, nur weil der Arbeitslohn auf das „falsche” Konto überwiesen worden sei.

II.

1. Zu der Verfassungsbeschwerde haben namens der Bundesregierung das Bundesfinanzministerium, der Bundesfinanzhof sowie das Finanzamt Aachen als Gegner im Ausgangsverfahren Stellung genommen.

2. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen bei Überweisung des Arbeitslohns auf ein sog. „Oderkonto” findet im Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1989 (GrS 1/88, BFHE 158, 563) ihren vorläufigen Abschluß.

Dort faßt der Bundesfinanzhof seine ständige Rechtsprechung in dem Ergebnis zusammen, daß Dienstverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich nur anzuerkennen seien, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart seien und entsprechend der Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt (vollzogen) würden. Um bei Ehegattenvertragsverhältnissen abgrenzen zu können, ob wirklich ein Leistungsaustauschverhältnis gewollt sei, verlange die Rechtsprechung nicht nur, daß die Verträge rechtlich wirksam zustande gekommen seien, sondern auch, daß sie nach Inhalt und Ausführung dem entsprächen, was unter Fremden üblich sei. Von diesen Grundsätzen ausgehend fordere die Rechtsprechung für die Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen, daß der Ehegatte tatsächlich mitarbeite und daß die Leistung des Arbeitgebers bei ihm zu einem Wertabfluß führe und ein Zufluß beim anderen Ehegatten eintrete, weil auch ein fremder Arbeitnehmer eine uneingeschränkte Verfügungsmacht hinsichtlich des ihm zustehenden Entgelts beanspruche.

An dieser Rechtsprechung hält der Große Senat im wesentlichen fest. Während bei untereinander fremden Personen Vermögensverschiebungen regelmäßig auf betrieblichen und beruflichen Beziehungen beruhten, hätten sie zwischen Ehegatten ihre Ursache nicht selten auch im familiären Bereich. Ob eine Vermögensverschiebung zwischen Ehegatten auf einem Leistungsaustauschverhältnis und damit auf betrieblicher Veranlassung oder auf privaten Erwägungen beruhe, hänge von den getroffenen Vereinbarungen und ihren tatsächlichen Durchführungen ab, sei also zunächst eine Frage der maßgeblichen Vereinbarungen und der Sachverhaltsermittlung. Häufig sei der Sachverhalt allerdings nur anhand von Beweisanzeichen (Indizien) feststellbar.

Zu diesen Indizien rechnet der Bundesfinanzhof u.a., daß der Arbeitnehmerehegatte eine Entlohnung erhalte, sowie insbesondere, daß der Arbeitnehmerehegatte über diese Entlohnung auch frei – vom Arbeitgeberehegatten unabhängig – verfügen könne. Deshalb müsse die vereinbarte Entlohnung ersichtlich in den Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmerehegatten gelangen, der von dem des Arbeitgeberehegatten klar und eindeutig getrennt sein müsse.

Ein solcher eindeutiger Übergang fehle indessen bei einer Überweisung des Gehalts auf ein „Oderkonto” der Ehegatten. Der Geldbetrag habe dann zwar den betrieblichen Bereich, nicht jedoch den Vermögensbereich des Arbeitgeberehegatten verlassen. Denn der Arbeitgeberehegatte könne über das Konto uneingeschränkt verfügen, seine Gläubiger könnten in dieses Konto vollstrecken. Zivilrechtlich stünde der als Arbeitslohn überwiesene Geldbetrag sowohl dem Arbeitgeber- als auch dem Arbeitnehmerehegatten zu; der in die Privatsphäre des Arbeitgeberehegatten übergegangene Geldbetrag sei damit nicht eindeutig als Betriebsausgabe anzusehen, so daß die ausschließlich betriebliche Veranlassung der Zahlung fehle.

Diese Rechtsprechung stimme mit der des Bundesverfassungsgerichts überein. Zwar dürften Ehegatten im Vergleich zu Ledigen nicht allein deshalb schlechter gestellt werden, weil sie verheiratet seien (BVerfGE 69, 188 ≪205≫). Das Bundesverfassungsgericht habe aber wiederholt entschieden, daß es keine Diskriminierung von Ehe und Familie darstelle, wenn die Rechtsprechung fordere, daß Ehegatten-Dienstverhältnisse vertraglich klar und eindeutig wie zwischen Fremden üblich vereinbart seien und diese Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt würden. Das Bundesverfassungsgericht habe auch ausdrücklich einen Fremdvergleich für sachgemäß erachtet (BVerfGE 13, 290 ≪314, 317≫).

Dies habe verfassungsrechtlich auch dann zu gelten, wenn der Arbeitslohn auf ein „Oderkonto” des Ehegatten überwiesen werde. Es sei zwar richtig, daß für die steuerliche Anerkennung von Dienstverhältnissen zwischen Beteiligten einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft diese Maßstäbe nicht gelten würden. Nicht jede Rechtsauslegung, die der familienrechtlichen Verbundenheit von Eheleuten besondere Bedeutung beimesse, verstoße jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Dem Leistungsaustausch zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft könne Familienrecht nicht zugrunde liegen.

3. Anders als im Bereich der Einkommensteuer erkennt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 15. März 1993, DStR 1993, 1293) umsatzsteuerrechtlich Zahlungen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Konto an. Der Bundesfinanzhof verneint die Entgeltlichkeit im umsatzsteuerlichen Sinne nicht bereits dann, wenn der Leistungsempfänger die Gegenleistung auf ein Bankkonto überweist, über das jeder der beiden Ehegatten allein verfügungsberechtigt ist oder das auf den Namen des Leistungsempfängers lautet und über das der Leistende mitverfügungsberechtigt ist. Die Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht, die in diesen Fällen den Betriebsausgabenabzug des Arbeitgeber- oder Mieter-Ehegatten versage, lasse sich auf das Umsatzsteuerrecht nicht übertragen. Diese Rechtsprechung beruhe auf der Vorschrift des § 12 Nr. 1 und Nr. 2 EStG, die der Abgrenzung des privaten und betrieblichen/beruflichen Bereichs im Ertragsteuerrecht diene. Eine solche Vorschrift enthalte das Umsatzsteuerrecht nicht. Die umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten ließen es geboten erscheinen, von einer der ertragsteuerlichen Beurteilung entsprechenden Typisierung abzusehen. Das Umsatzsteuerrecht besteuere nicht gegenseitige Leistungspflichten sondern tatsächliche Vorgänge. Unter nahen Angehörigen sei ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch danach nicht bereits dann zu verneinen, wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprächen, was unter Fremden üblich sei.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

Die angegriffene Entscheidung des Finanzgerichts, wonach das Ehegattenarbeitsverhältnis steuerrechtlich allein deshalb nicht anzuerkennen ist, weil die Lohnzahlung des Arbeitgeberehegatten an den Arbeitnehmerehegatten auf ein Bankkonto erfolgt, über das jeder der beiden Ehegatten allein verfügungsberechtigt ist, verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

1. Die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der Dienstverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich nur anzuerkennen sind, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart sind und entsprechend dieser Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie trägt den innerhalb eines Familienverbundes typischerweise fehlenden Interessengegensätzen und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Mißbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch Ehegatten Rechnung. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, daß es dem Gesetzgeber gestattet ist, einem Mißbrauch der Vertragsgestaltung zwischen Ehegatten entgegenzuwirken; der Gesetzgeber hat daher auch die Möglichkeit, an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge zwischen Ehegatten strenge Anforderungen zu stellen (BVerfGE 6, 55 ≪84≫; 9, 237 ≪245≫; 13, 290 ≪316≫; 13, 318 ≪327≫; 18, 257 ≪269 f.≫). Dies gilt nicht nur für vom Gesetzgeber zu normierende Tatbestände sondern auch für ihre Auslegung und Anwendung durch die Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 13, 318 ≪329≫).

Ob eine Vermögenszuwendung zwischen Ehegatten auf einem Leistungsaustauschverhältnis und damit auf betrieblicher Veranlassung beruht, oder ob diese in familiären Beziehungen ihren Grund hat, ist, wie der Bundesfinanzhof zu Recht bemerkt (BFH, Beschluß vom 27. November 1989 – GrS 1/88 –, BFHE 158, 563 unter C.III.2.), als innere Tatsache häufig nicht zweifelsfrei feststellbar; dies rechtfertigt es, „äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien)” (BFH, a.a.O., C.III.3.) heranzuziehen.

Es ist verfassungsrechtlich auch grundsätzlich unbedenklich, wenn der Bundesfinanzhof in gefestigter Rechtsprechung, gestützt auf § 4 Abs. 4 in Verbindung mit § 12 EStG, an die tatsächliche Durchführung eines Ehegattenarbeitsverhältnisses die Anforderung stellt, der Arbeitnehmerehegatte müsse die unter Fremden übliche Entlohnung erhalten (BFH, a.a.O., unter C.III.3.d) und hierüber frei und vom Arbeitgeberehegatten uneingeschränkt verfügen können (BFH, a.a.O., unter C.III.3.e), und wenn er hierzu als Indiz auch auf die Form des Entgeltzugangs beim Arbeitnehmerehegatten anhand des formalen Kriteriums der Kontoführung abhebt. Auch insoweit wird eines der „äußerlich erkennbaren Merkmale” i.S. der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, a.a.O., C.III.2.) herangezogen, um den betrieblichen oder privaten Anlaß einer Vermögensverschiebung zwischen Eheleuten zu beurteilen.

Ein solches Indizmerkmal darf indessen dann nicht mehr mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden, wenn ein Sachverhalt nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann.

2. Die angegriffene finanzgerichtliche Entscheidung erkennt allein deshalb das Ehegattenarbeitsverhältnis einkommensteuerlich nicht an, weil das Gehalt auf ein Konto des Arbeitgeberehegatten überwiesen wird, über das der Arbeitnehmerehegatte auch allein verfügen kann. Diese Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 4 und des § 12 EStG verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfGE 81, 132 ≪137≫; 86, 59 ≪62 f.≫).

Ist im vorliegenden Fall ein Arbeitsverhältnis ernstlich vereinbart, tatsächlich erfüllt und angemessen entgolten worden, bedarf es keiner weiteren Feststellungen und Beweise. Dann darf auch das aus dem Erfordernis der freien und uneingeschränkten Verfügbarkeit der Gehaltszahlung abgeleitete nachteilige Indiz eines Oderkontos nicht zu einem Tatbestandsmerkmal „Art der Kontoführung” verselbständigt werden, das schon für sich genommen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausschließt. Umgekehrt würde übrigens auch die strikte Kontentrennung nicht genügen, um ein Arbeitsverhältnis trotz nicht hinreichender Vereinbarung oder ungenügendem Vollzug als gegeben zu unterstellen. Der Umstand, daß eine Person über das Konto einer anderen Person verfügen kann, gibt für sich allein keinen zwingenden Aufschluß darüber, ob zwischen diesen ein Arbeitsverhältnis wirklich besteht und vollzogen wird. Die Art der Kontoführung ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, ein Kriterium; steht die tatsächlich geleistete Arbeit und ihre Entlohnung außer Frage, hat dieses Kriterium als Prüfungsmaßstab keine Bedeutung mehr.

Die angegriffene Entscheidung stellt demgegenüber nur auf die Überweisung des Arbeitsentgelts auf ein Arbeitgeberkonto ab. Allein daraus schließt sie, daß das Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich durchgeführt worden sei, ohne überhaupt die Frage zu stellen, ob nicht unabhängig davon das Arbeitsverhältnis wirtschaftlich bestanden hat, Arbeit geleistet und angemessen vergütet worden ist. Diese Auslegung und Anwendung der §§ 4 Abs. 4 und 12 EStG genügt nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 3 Abs. 1 GG an die Gesetzesbindung der Rechtsprechung stellt (BVerfGE 81, 132 ≪137≫; 86, 59 ≪62 f.≫). Das Finanzgericht hätte jedenfalls prüfen müssen, ob im hier gegebenen Fall das Ehegattenarbeitsverhältnis nach dem festgestellten Sachverhalt bereits eindeutig die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses erfüllt, so daß es keines weiteren Beweises mehr bedarf und die Indizwirkung eines Oderkontos deshalb unerheblich ist.

II.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Böckenförde, Kirchhof, Sommer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1134567

NJW 1996, 834

ZIP 1996, 244

ZBB 1996, 57

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