Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine einstweilige Anordnung wegen Erhebung der Lohnsummensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren wegen Erhebung der Lohnsummensteuer ist nicht geboten, wenn das erstrebte Ziel auch anders z.B. durch Aussetzung der Vollziehung erreicht werden kann.

 

Normenkette

BVerfGG § 32; GewStG § 27; FGO § 69 Abs. 3

 

Gründe

A.

Die Gesellschafter der Antragstellerin wurden zur Gewerbesteuer aus der Lohnsumme (Lohnsummensteuer) herangezogen. Sie halten die Erhebung dieser Steuer seit dem Jahre 1970 für verfassungswidrig, weil von diesem Jahr an aus dem Betrieb nur Verluste erzielt worden seien. Es verstoße gegen Art. 1, 2, 3, 14, 20 und 28 GG, für ein Unternehmen, das keine Erträge erwirtschafte, Gewerbesteuer zu erheben.

Die Antragstellerin hat beim Finanzamt nach § 27 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) beantragt, den Lohnsummensteuermeßbetrag 1971 und 1972 auf null DM festzusetzen. Offensichtlich hat das Finanzamt wenigstens für 1971 einen Bescheid erlassen und den Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme festgesetzt. Dagegen hat sie am 14. September 1972 beim Finanzgericht Klage erhoben und zusätzlich am 20. Juni 1973 beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes auszusetzen; über beide Anträge ist noch nicht entschieden.

Mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung erstrebt die Antragstellerin, der Stadt aufzugeben, „die wegen einer Gewerbesteuer aus der Bemessungsgrundlage Lohnsumme bevorstehende Zwangsvollstreckung … einstweilen bis zur Entscheidung des vor dem Finanzgericht …anhängigen Verfahrens einzustellen”.

Sie trägt dazu vor, seit dem Beginn der Verlustperiode im Jahr 1970 habe sie unter dem Druck der laufend angedrohten Zwangsvollstreckung für die Lohnsummensteuer einen Betrag von … DM entrichtet. Neuerdings habe ihr die Stadt wegen eines Rückstandes von … DM im Wege der Zwangsstreckung Sicherungshypotheken eintragen lassen. Diese Maßnahme beeinträchtige die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und verursache dadurch einen hohen Schaden. Eine künftige Zwangsversteigerung werde unweigerlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens führen.

B.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zulässig ist, solange eine an sich mögliche Verfassungsbeschwerde nicht eingereicht wird. Jedenfalls ist der Antrag aus anderen Gründen zu verwerfen.

Aus dem Vorbringen der Antragstellerin geht nicht hervor, für welchen Zeitraum die fragliche Lohnsummensteuer gefordert wird, auf welchen, gebenenenfalls formlosen Steuerbescheiden der Stadt sie beruht und ob hierfür der im finanzgerichtlichen Verfahren streitige, vom Finanzamt bereits festgesetzte Meßbetrag maßgebend ist. In keinem Fall kann jedoch der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Anordnung Erfolg haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, daß eine einstweilige Anordnung dann nicht dringend geboten ist, wenn das erstrebte Ziel auch auf einem anderen Wege insbesondere durch das Anrufen anderer Gerichte erreicht werden kann (BVerfGE 17, 120 [122]; 21, 50 [51]; 29, 120 [125]). Das ist hier möglich, auf welchem Verwaltungsakt auch immer die fragliche Steuer beruhen mag. Soweit sie sich aus dem im finanzgerichtlichen Verfahren streitigen Meßbetrag ergibt, hat das Finanzgericht nach § 69 Abs. 3 FGO die Möglichkeit zur Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung, die sich auch auf die aus dem Meßbetrag folgende Steuer beziehen würde. Ein entsprechender Antrag wurde bereits gestellt. Der Antragstellerin ist auch zuzumuten, eine Entscheidung darüber abzuwarten, zumal sie selbst mehr als neun Monate vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zur Antragstellung hat verstreichen lassen.

Auch soweit die Steuer nicht auf dem vom Finanzamt bereits festgesetzten Meßbetrag beruht, kann die Antragstellerin eine Aussetzung der Vollziehung auf anderem Weg erreichen. Abgesehen von der Möglichkeit, nach § 27 GewStG einen Meßbescheid zu erhalten und danach den finanzgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten, ist bereits in der Abgabe der Lohnsummensteuererklärung und deren widerspruchsloser Annahme durch die Gemeinde ein formloser Steuerbescheid der Gemeinde zu sehen, gegen den Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage gegeben sind (BVerwGE 19, 68 [69]). Da die formlose Heranziehung zur Lohnsummensteuer keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, ist der Widerspruch gegen die Heranziehung nach §§ 58 und 70 VwGO bis zum Ablauf eines Jahres möglich. Nach Einlegung des Widerspruchs kann die Widerspruchsbehörde nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung aussetzen, auf Antrag auch das Gericht der Hauptsache (§ 80 Abs. 5 VwGO).

Eine dem Begehren der Antragstellerin folgende finanz- oder verwaltungsgerichtliche Entscheidung ist nach § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO bzw. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auch dann möglich, wenn mit der Zwangsvollstreckung bereits begonnen worden ist.

Schließlich ist sowohl im finanzgerichtlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Verfassungsmäßigkeit der Heranziehung zur Lohnsummensteuer zu prüfen (BVerwGE 19, 68 [70]; Bundesfinanzhof in BStBl. 1964 III S. 47).

 

Fundstellen

BVerfGE, 379

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