Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Steuerhinterziehung bei verdeckten Parteispenden. Aussetzung des Strafverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Strafvorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wird dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot von Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gerecht.

2. Daß sich zur Umgehung der eingeschränkten steuerlichen Berücksichtigung von Parteispenden eine Praxis entwickelt hat, die einen weitergehenden Abzug ermöglichte, berührt nicht die Verfassungsmäßigkeit des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

3. Es verstößt nicht gegen das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die für Strafverfahren zuständigen Gerichte das Verfahren nicht allein deshalb nach § 396 AO 1977 aussetzen, weil zur Frage der steuerrechtlichen Berücksichtigung der mittelbaren Parteienfinanzierung vor allem in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

4. Scheingeschäfte bei Zuwendungenan die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V.

5. Kannte der Steuerpflichtige die maßgeblichen Umstände der verdeckten Parteienfinanzierung und war er sich auch über die steuerrechtliche Bedeutung seines Tuns im klaren, so ist das Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG) nicht verletzt, wenn nach Auffassung des Gerichts eine Verwirkung des Steueranspruchs nicht in Betracht kommen kann, weil ein schutzwürdiges Vertrauen – das auch den staatlichen Strafanspruch berühren könnte – nicht anzuerkennen ist.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1, §§ 396, 363 Abs. 1, §§ 407, 162, 41; PartG §§ 2, 34-35; FGO § 74

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 28.01.1987; Aktenzeichen 3 StR 373/86)

LG Hamburg (Entscheidung vom 06.03.1986; Aktenzeichen (92) 17/85 KLs 151 Js 414/83)

 

Tatbestand

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Strafvorschrift des § 370 AO 1977.

I.

Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführer wegen (fortgesetzter) gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit verdeckter Parteienfinanzierung zu Geldstrafen. Durch Urteil vom 28. Januar 1987 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision der Beschwerdeführer (vgl. BGH, NJW 1987, S. 1273 = BGHSt 34, 272).

II.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer geltend, die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung verstoße gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 2 GG. Die Blankettstrafnorm des § 370 AO in Verbindung mit dem anwendbaren Steuergesetz entspreche nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.

III.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesminister der Finanzen, der Bundesgerichtshof, der Bundesfinanzhof und die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg geäußert.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die angegriffenen Entscheidungen sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

I.

§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gerecht.

Die Vorschrift bestimmt, daß sich derjenige strafbar macht, der den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt (zu § 392 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. vgl. BVerfGE 37, 201 ≪206 ff.≫). Ob eine solche Steuerverkürzung vorliegt, richtet sich nach den Vorschriften des materiellen Steuerrechts. Insoweit handelt es sich bei § 370 AO um ein Blankettgesetz (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 208 f.). Blankettgesetze genügen dem in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgrundsatz nur dann, wenn sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund eines Gesetzes, auf das Bezug genommen wird, voraussehen lassen (BVerfGE 14, 245 ≪252≫; 75, 329 ≪342≫; st. Rspr.). Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Gesetzgeber beim Erlaß einer Strafvorschrift, die Freiheitsstrafe androht, mit hinreichender Deutlichkeit selbst zu bestimmen, was strafbar sein soll, und Art und Maß der Freiheitsstrafe im förmlichen Gesetz festzulegen. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe müssen entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einer anderen gesetzlichen Vorschrift, auf die das Blankettstrafgesetz Bezug nimmt, hinreichend deutlich umschrieben werden (BVerfGE 75, 329 ≪342≫).

Diesen Anforderungen genügen die im vorliegenden Fall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften. Die Steuerpflicht sowie die Grundlagen der Besteuerung, insbesondere die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, ergeben sich unmittelbar aus dem Körperschaftsteuergesetz in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung (vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 44. Aufl., 1988, § 2 Rdnr. 13c: Samson, in: Franzen/Gast/Samson, Steuerstrafrecht, 3. Aufl., 1985, § 369 Rdnr. 25 f.). Danach waren Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 PartG, die die Veranlagungszeiträume 1971 bis 1979 betreffen, nur bis zur Höhe von insgesamt 600 DM im Kalenderjahr abzugsfähige Ausgaben im Sinne des § 11 Nr. 5b KStG 1968/1975 oder abziehbare Aufwendungen im Sinne des § 9 Nr. 3b KStG 1977. Diese Regelungen waren durch die §§ 34, 35 des Parteiengesetzes vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) erstmals mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1967 eingeführt worden. Die Tatsache, daß sich zur Umgehung der eingeschränkten steuerrechtlichen Berücksichtigung von Parteispenden eine Praxis entwickelte, die einen weitergehenden Abzug der Parteispenden ermöglichte, berührt – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer – nicht die Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschrift. Ob diese in der Vergangenheit geübte Spendenpraxis, etwa aus Gründen des Vertrauensschutzes, den staatlichen Strafanspruch beeinflussen kann, ist eine Frage, die im Einzelfall nach Maßgabe strafrechtlicher Grundsätze zu prüfen ist.

II.

1. Es würde dem Sinn des Instituts der Verfassungsbeschwerde und der besonderen Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht werden, wollte dieses ähnlich wie eine Revisionsinstanz die unbeschränkte rechtliche Nachprüfung von gerichtlichen Entscheidungen um deswillen in Anspruch nehmen, weil eine unrichtige Entscheidung möglicherweise Grundrechte des betroffenen Teils berührt. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des Gesetzesrechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte hat das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin einzugreifen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 74, 102 ≪127≫; st. Rspr.). Eine Grundrechtswidrigkeit liegt noch nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hierzu zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen „Richtigkeit” (in dem allgemeinen Sinne von „Sachgemäßheit” oder „Billigkeit”) sich streiten läßt (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫).

Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots, also einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, kommt ein verfassungsgerichtliches Eingreifen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht und nicht schon dann, wenn die Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler enthalten (BVerfGE 74, 102 ≪127≫ m.w.N.). Vielmehr muß hinzukommen, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Dabei will die verfassungsrechtliche Feststellung von Willkür in einem objektiven Sinn verstanden sein; nicht subjektive Willkür führt zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit, sondern die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll (vgl. BVerfGE 62, 189 ≪192≫ m.w.N.).

2. a) Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht und der Bundesgerichtshof es nicht für erforderlich gehalten haben, das Verfahren nach § 396 AO auszusetzen, soweit es um die Beurteilung entscheidungserheblicher steuerrechtlicher Fragen ging (vgl. BVerfG, NJW 1985, S. 1950; NStZ 1985, S. 366).

Durch § 396 AO wurde – im Gegensatz zu früheren Regelungen der Reichsabgabenordnung – dem Strafrichter die Vorfragenkompetenz eingeräumt (vgl. OLG Hamm, NJW 1978, S. 283 ≪284≫; Gast-de Haan, in: Franzen/Gast/Samson, Steuerstrafrecht, 3. Aufl., 1985, § 396 Rdnr. 5; Zeller, in: Koch, Abgabenordnung 1977, 3. Aufl., 1986, § 396 Rdnr. 1 und 3; Kleinknecht/ Meyer, StPO, 39. Aufl., 1989, § 262 Rdnr. 5; zur Entwicklungsgeschichte des § 396 AO vgl. Hübner, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Rdnr. 1 bis 10). Andererseits können auch die Finanzbehörden und Finanzgerichte ihrerseits das Besteuerungsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß eines Strafverfahrens gemäß § 363 Abs. 1 AO bzw. § 74 FGO aussetzen (vgl. Groh, Die steuerrechtlichen Grundlagen des Parteispendenverfahrens, NJW 1985, S. 993 ≪997≫; Franzen/Gast/Samson, a.a.O., Rdnr. 12). Durch die Beteiligung der Finanzbehörden am Strafverfahren (vgl. § 407 AO) ist eine Rückkoppelung zur Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gewährleistet. Allein die Tatsache, daß zur Frage der steuerrechtlichen Berücksichtigung der mittelbaren Parteienfinanzierung vor allem in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten wurden, mußte für die Strafkammer und das Revisionsgericht kein zwingender Anlaß sein, nach § 396 AO zu verfahren. Die angegriffenen Entscheidungen bieten keinen Anhalt für eine Feststellung dahin, daß die Strafgerichte die steuerrechtlichen Vorfragen nicht sachgerecht entscheiden konnten und deswegen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gehalten waren, das Verfahren bis zum Abschluß eines Besteuerungsverfahrens zur Änderung der bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheide auszusetzen.

Im Blick auf die Vorfragenkompetenz des Strafrichters ist es auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung die Höhe der hinterzogenen Körperschaftsteuer festgestellt hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt die bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1971 bis 1979 noch nicht geändert waren. Die Fachgerichte sind der Auffassung der Beschwerdeführer, die Bestandskraft dieser Steuerbescheide stünde einer abweichenden Feststellung der hinterzogenen Steuer entgegen, aus vertretbaren Erwägungen nicht gefolgt. Eine Bindung des Strafrichters an bestandskräftige Steuerbescheide ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 1, § 396 AO). Daß die Feststellung der Steuerhöhe im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren unterschiedlichen Beweisregeln folgt, spricht für die gegenteilige Ansicht. Auch die im Besteuerungsverfahren häufige Schätzung gemäß § 162 AO dürfte in der Regel mit dem im Strafrecht geltenden Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten” nicht zu vereinbaren sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1954 – BStBl. 1955 I S. 365 ≪366≫ und vom 1. März 1956 – BStBl. 1956 I S. 441 ≪442≫; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung, 15. Aufl., 1987, § 396 Rdnr. 1). Das Landgericht hat deshalb mit der Feststellung, ob und in welcher Höhe Steuern verkürzt wurden, nicht seine Kompetenz in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überschritten. Auch ein Verstoß gegen andere Vorschriften des Grundgesetzes ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar.

b) Die Entscheidung der Fachgerichte, die Beschwerdeführer hätten sich einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht, ist vertretbar, sicherlich nicht willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Auffassung, Zuwendungen an politische Parteien seien im allgemeinen nicht als steuerabzugsfähige Betriebsausgaben anzusehen, wird von Finanzgerichten (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 28. Juli 1983, DStZ 1983, S. 500 ≪501≫ sowie FG Hamburg, Urteil vom 29. Juli 1983, EFG 1984, S. 18) sowie von anderen Strafgerichten (vgl. AG Köln, Urteil vom 5. November 1984, NJW 1985, S. 1037 ff.; AG Bochum, Urteil vom 13. Februar 1985, NJW 1985, S. 1968 ≪1969≫; LG Bonn, Beschluß vom 12. September 1985, NJW 1985, S. 3033 ≪3034≫) und teilweise auch in der Literatur vertreten (vgl. Birk, NJW 1985, S. 1939 ff.; Groh, NJW 1985, S. 993 ff.; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., Rdnr. 825 zu § 4, 5 EStG). Auf der Grundlage des Gutachtens des Bundesfinanzhofs vom 17. Mai 1952 (BStBl. 1952 III, S. 228 ≪231≫) und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 6, 273; 8, 51; 24, 300; 52, 63) ist es jedenfalls nicht willkürlich, daß das Landgericht und der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall auch bei einer Körperschaft den Abzug von Parteispenden als Betriebsausgaben nicht uneingeschränkt zugelassen haben. Inzwischen hat der Bundesfinanzhof entschieden, Spenden an politische Parteien seien auch dann nur bis zu den in § 11 Nr. 5b KStG 1968/1975 und § 9 Nr. 3b KStG 1977/1981 festgelegten Höchstbeträgen abziehbar, wenn sie dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sind (vgl. BFH, Urteil vom 25. November 1987, Der Betrieb 1988, S. 475 ff.).

Die Feststellung und Würdigung des subjektiven Tatbestandes ist nachvollziehbar und läßt einen Fehler, der gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen könnte, ebenfalls nicht erkennen.

c) Entsprechendes gilt für die Auffassung, alle an die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V. geleisteten Zahlungen – also auch solche, die möglicherweise zur Deckung des Verwaltungsaufwandes der Staatsbürgerlichen Vereinigung gedient haben bzw. staatspolitischen Zwecken zugeflossen sein könnten – seien als mittelbare Parteispenden anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat plausibel dargelegt, wegen der von den Beschwerdeführern gewollten Bestimmung der Spenden für eine politische Partei handle es sich bei allen Zahlungen um Scheingeschäfte oder Scheinhandlungen, auch soweit die Zuwendungen angeblich der Staatsbürgerlichen Vereinigung selbst gemacht wurden; denn mit Wissen und Wollen aller Beteiligten sollten die Beträge ihr gerade nicht zur Verfügung stehen. Werde durch ein Scheingeschäft (vgl. § 41 AO) ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so sei das verdeckte Geschäft für die Besteuerung maßgebend (BGH, UA S. 13 = NJW 1987, S. 1273 ≪1275≫). Aus solcher Sicht erscheint es als unerheblich, ob die einzelnen Beiträge die Partei ungekürzt erreicht haben.

Im übrigen ergäbe sich aus dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten” – in dem sich die Beschwerdeführer insoweit verletzt sehen – nichts anderes. Dieser Satz weist den Richter lediglich an, wie er zu verfahren hat, wenn er sich über eine entscheidungserhebliche Tatsache keine Gewißheit verschaffen kann; er sagt nichts über die Maßstäbe, nach denen der Richter eine Tatsache für gewiß halten darf. Der Satz „in dubio pro reo” ist daher nicht schon verletzt, wenn der Richter hätte zweifeln müssen, sondern nur, wenn er verurteilte, obwohl er zweifelte (vgl. BVerfG ≪Vorprüfungsausschuß≫, Beschluß vom 6. November 1974 – 2 BvR 407/74 –, MDR 1975, S. 468 ≪469≫; Kleinknecht/Meyer, StPO, 39. Aufl., § 261 Rdnr. 26 m.w.N.). Offenbleiben kann daher, ob diesem Satz Verfassungsrang zukommt.

III.

Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen das Gebot des Vertrauensschutzes und verletzen daher die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

1. Das Gebot des Vertrauensschutzes ist im Rechtsstaatsprinzip mit Verfassungsrang verankert (BVerfGE 30, 392 ≪403≫; 50, 244 ≪250≫). Der Bürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 ≪271≫). Daher schützt die Verfassung grundsätzlich das Vertrauen darauf, daß die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben (vgl. BVerfGE 30, 367 ≪386≫). Dieser Grundsatz des Vertrauensschutzes kann eine Ausnahme in den Fällen unredlichen Verhaltens erfahren (vgl. BVerfGE 27, 231 ≪239≫; 32, 311 ≪319≫; 59, 128 ≪171≫).

2. Nach den Feststellungen des Tatrichters kannten die Beschwerdeführer die maßgeblichen Umstände der verdeckten Parteienfinanzierung. Sie waren sich auch über die steuerrechtliche Bedeutung ihres Tuns im klaren (vgl. BGH, UA S. 31 f. = NJW 1987, S. 1273 ≪1279≫). Aufgrund dieser Feststellungen ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn nach Auffassung der Fachgerichte im vorliegenden Fall eine Verwirkung des Steueranspruchs nicht in Betracht kommen kann, weil ein schutzwürdiges Vertrauen – das auch den staatlichen Strafanspruch berühren könnte – nicht anzuerkennen sei (vgl. BGH, UA S. 12 f. = NJW 1987, S. 1273 ≪1275 f.≫).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

NJW 1992, 35

MDR 1992, 837

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