Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeistand als Inhaber einer ärztlichen Verrechnungsstelle kein „ähnlicher Beruf” i. S. des § 18 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit der Gesetzgeber Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit insbesondere von Einkünften aus Gewerbebetrieb unterscheidet und an diese Unterscheidung ungleiche Rechtsfolgen knüpft, bewegt er sich im Bereich verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen. Insbesondere ist es ihm erlaubt, bei der Aufstellung des Katalogs der freien Berufe von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch zu machen.

2. Daß der BFH die Tätigkeit eines Rechtsbeistands, der sich auf das Betreiben einer ärztlichen Verrechnungsstelle spezialisiert hat, nicht als „ähnlichen Beruf” i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ansieht, ist verfassungsmäßig nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 31.10.1988; Aktenzeichen III B 41/88)

FG München (Urteil vom 19.01.1988; Aktenzeichen XI 66/85 E)

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer die Verletzung der Art. 2 und 14 GG rügt, denn es fehlt insoweit an einem tatsächlichen Vorbringen, aus dem sich zumindest die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung der behaupteten Art ergeben könnte (vgl. BVerfGE 15, 288 ≪292≫; 43, 154 ≪165≫; 64, 1 ≪12≫).

Im übrigen lassen die angegriffenen finanzgerichtlichen Entscheidungen einen Verfassungsverstoß nicht erkennen. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist sowohl in der für diesen Fall bedeutsamen gesetzlichen Ausgestaltung wie in der von den Finanzgerichten vorgenommenen Auslegung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Gleichbehandlungsgebot vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Dabei bleibt der an den Gleichheitssatz gebundene Gesetzgeber befugt, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen. Der Spielraum des Gesetzgebers endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 76, 256 ≪329 f.≫).

Soweit der Gesetzgeber Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit insbesondere von Einkünften aus Gewerbebetrieb unterscheidet und an diese Unterscheidung ungleiche Rechtsfolgen knüpft, bewegt er sich im Bereich verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen. Insbesondere ist es ihm erlaubt, bei der Aufstellung des Katalogs der freien Berufe von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 37, 38 ≪49 f.≫; 46, 224 ≪239 ff., 242≫). Dabei unterliegt es keinem Zweifel, daß die fragliche Gesetzesregelung, soweit sie sich auch auf „ähnliche Berufe” erstreckt, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normklarheit und Justitiabilität beachtet. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt der gesetzlichen Regelung nicht ihre rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 21, 73 ≪79 f.≫; 63, 312 ≪323 f.≫).

Auch die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG durch das Finanzgericht begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des einfachen Rechts, die Würdigung und Subsumtion des festgestellten Sachverhalts ist grundsätzlich allein Sache der Steuergerichte (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 42, 143 ≪148 f.≫; 60, 79 ≪90≫). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann hier nur angenommen werden, wenn die Rechtsanwendung so fehlerhaft erscheint, daß sie nicht mehr verständlich ist und sich dadurch der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 54, 117 ≪125≫; 67, 90 ≪94≫) oder wenn ein Beruf als freiberuflich nicht anerkannt wird, obwohl dieser Beruf den anerkannten freien Berufen so nahe steht, daß eine Nichtanerkennung sachlich nicht zu erklären wäre (vgl. BVerfGE 46, 224 ≪242≫; 58, 369 ≪374≫). Ein solcher Verstoß ist jedoch im Falle des Beschwerdeführers nicht gegeben.

Die angegriffene und durch den Bundesfinanzhof bestätigte Entscheidung des Finanzgerichts läßt sich mit hinreichenden sachlichen Gründen rechtfertigen. Das Berufsbild des Rechtsanwaltes wird geprägt von der Aufgabe, in allen Rechtsangelegenheiten eigenverantwortlich Rechtsrat zu erteilen und für Rechtsuchende deren Rechtsangelegenheiten innerhalb und außerhalb der Gerichte zu besorgen. Das Aufgabengebiet des Rechtsanwaltes geht daher nach seinem Wesen und Umfang weit über das hinaus, was ein Rechtsbeistand, der sich auf das Betreiben einer ärztlichen Verrechnungsstelle spezialisiert hat, leistet, mit der Folge, daß das Vorliegen eines „ähnlichen Berufs” im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG verneint werden konnte.

Des weiteren belegen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers, mit denen er die Ähnlichkeit seiner Tätigkeit mit den Arbeiten eines Arztes behauptet, keine Verletzung des Gleichheitssatzes, denn das Finanzgericht durfte sachlich davon ausgehen, daß die Erstellung von Gebührenabrechnungen nicht zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit gehört.

Soweit schließlich der Beschwerdeführer die Ähnlichkeit seiner Tätigkeit mit der eines Steuerberaters anführt, ist diesem Gesichtspunkt durch die Trennung der entsprechenden Einnahmen von den übrigen Einnahmen und ihre Zuordnung zu den Einkünften im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zureichend Rechnung getragen. Anhaltspunkte, die zu einer verfassungsrechtlichen Beanstandung führen könnten, sind auch hier nicht ersichtlich.

Die Auferlegung der Unterliegensgebühr beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1556435

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