Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß der Durchführungsbestimmungen über die Steuerberaterprüfung verfassungsgemäß

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des § 158 Nr. 1 StBerG über die Steuerberaterprüfung.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG genügt dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Welcher Prüfungsstoff für die Steuerberaterprüfung in Betracht kommt, ist durch das Steuerberatungsgesetz in wesentlichen Konturen vorgegeben.

2. Es ist mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, daß die Durchführung der Steuerberaterprüfung, das Verfahren bei der Wiederholung der Prüfung und die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses in Form einer Rechtsverordnung geregelt sind.

 

Normenkette

StBerG § 158 Nr. 1 Buchst. b, c, d, § 35 Abs. 2, § 157 Abs. 2 Fassung: 1975-11-04; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2, Art. 12 Abs. 1; DVStB Fassung: 1979-11-12

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Vorlegungsbeschluss vom 20.07.1981; Aktenzeichen II StB 91/81 StB)

 

Tenor

§ 158 Nummer 1 Buchstaben b, c und d des Steuerberatungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 2735) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit darin die Bundesregierung ermächtigt wird, Bestimmungen über die Durchführung der Steuerberaterprüfung, das Verfahren bei der Wiederholung der Steuerberaterprüfung und die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses zu erlassen.

 

Gründe

A.

Die Vorlage betrifft, die Frage, ob die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes, die die Bundesregierung ermächtigen, durch Rechtsverordnung die Durchführung der Steuerberaterprüfung, das Verfahren bei der Wiederholung der Prüfung und die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses zu regeln, nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und deshalb mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) vom 12. August 1961 (BGBl. I S. 1301) – StBerG –, das am 4. November 1975 (BGBl. I S. 2735) neu bekanntgemacht wurde, regelt in § 158 u. a.:

§ 158

Durchführungsbestimmungen zu den Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften

Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhören der

Bundessteuerberaterkammer mit Zustimmung des Bundesrates durch

Rechtsverordnung Bestimmungen zu erlassen

1. über

  1. die Durchführung der Prüfung, insbesondere die Prüfungsgebiete,

    die schriftliche und mündliche Prüfung,

  2. das Verfahren bei der Wiederholung der Prüfung,
  3. die Zusammensetzung des Zulassungs- und des

    Prüfungsausschusses;

Aufgrund des § 158 StBerG erließ die Bundesregierung die Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) vom 12. November 1979 (BGBl. I S. 1922), die an die Stelle der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962 (BGBl. I S. 537) trat. Die Verordnung enthält in ihrem Ersten Teil die Prüfungsordnung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte.

II.

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens wiederholte im Jahr 1980 zum zweiten Mal die Steuerberaterprüfung. Nachdem er in den Klausurarbeiten die Noten 4,5; 5 und 4 erhalten hatte, wurden in der mündlichen Prüfung am 25. Februar 1981 sein Vortrag mit der Note 5 (Thema verfehlt) und die Prüfungsabschnitte der einzelnen Prüfer mit den Noten 4; 3; 4; 4,5; 4 und 4 bewertet. Da die Prüfungsgesamtnote von 4,28 die Zahl 4,15 überstieg, sah der Prüfungsausschuß die Prüfung gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 DVStB als nicht bestanden an.

Der Kläger focht die Entscheidung des Prüfungsausschusses beim Finanzgericht Düsseldorf an. Zur Begründung seiner Klage trug er vor, von dem Prüfer, der seine mündliche Leistung mit der Note 4,5 bewertet habe, seien im Verlauf der mündlichen Prüfung zwei richtige Antworten ausdrücklich als falsch bezeichnet worden; außerdem hätte ihn die Prüfungskommission während seines Vortrags auf die Themaverfehlung hinweisen müssen.

Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen trat der Klage entgegen.

2. Am 20. Juli 1981 beschloß das Finanzgericht, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 158 Nr. 1 Buchst. b. b, c und d StBerG mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist. Im Vorlagebeschluß wird ausgeführt:

Von der Gültigkeit des § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG hänge es ab, ob das Gericht die Klage abweise oder nicht. Sei die Vorschrift gültig, müsse das Gericht die Klage abweisen, weil der Prüfungsausschuß die Bestimmungen der Prüfungsordnung jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers verletzt habe. Sei § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG dagegen verfassungswidrig, habe die Klage Erfolg. Dann fehle es an einer gültigen Ermächtigungsnorm für die §§ 10, 11, 12, 15, 26, 27, 28 und 30 DVStB, auf denen die Prüfungsentscheidung beruhe.

§ 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil er gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit verstoße. Unter Buchst. b der beanstandeten Vorschrift belasse es der Gesetzgeber dabei, die Bundesregierung zum Erlaß einer Rechtsverordnung über die Durchführung der Prüfung, insbesondere die Prüfungsgebiete, die schriftliche und die mündliche Prüfung zu ermächtigen. Durch die Ermächtigungsnorm werde der Verordnungsgeber also nur insoweit gebunden, als die Prüfung aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil zu bestehen habe. Damit habe der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen für die Durchführung der Prüfung jedenfalls in der Ermächtigungsnorm nicht selbst getroffen, weil in dieser die Leitentscheidungen fehlten, die die Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers nach Tendenz und Programm abgrenzten und vorhersehbar machten. Solche Leitentscheidungen hätte der Gesetzgeber mindestens für den Prüfungsstoff und die Voraussetzungen für den Prüfungserfolg treffen müssen. § 1 StBerG, der den Anwendungsbereich des Gesetzes festlegt, und § 33 StBerG, der den Inhalt der beruflichen Tätigkeit bestimmt, schieden für die Konkretisierung der Ermächtigungsnorm schon deshalb aus, weil sie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte in gleicher Weise beträfen. § 36 StBerG erlaube so unterschiedliche Vorbildungsvoraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater, daß hieraus keine hinreichend bestimmten Schlüsse auf das Programm der Prüfung gezogen werden könnten. § 156 Abs. 2 StBerG, der die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter regle, unterscheide sich von den in § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG alternativ aufgezählten Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater so wenig, daß hieraus ebenfalls keine Schlüsse auf unterschiedliche Programme beider Prüfungen gezogen werden könnten. Schließlich habe sogar der Gesetzgeber die Form der in § 158 StBerG enthaltenen Ermächtigung im Jahre 1972 bei Schaffung des jetzt geltenden § 157 StBerG nicht mehr übernommen. § 157 StBerG, der die erleichterte Prüfung für Steuerbevollmächtigte regle, enthalte Bestimmungen über Dauer und Stoff eines vom Prüfungsteilnehmer zu absolvierenden Seminars ebenso wie über das Prüfungsverfahren.

Der Gesetzgeber hätte auch den Umfang des Prüfungsstoffes bei Wiederholungsprüfungen selbst regeln müssen. Es sei nicht selbstverständlich, daß eine Einschränkung des Prüfungsstoffes bei Wiederholungsprüfungen unzulässig sei, wie eine große Zahl anderer Prüfungsordnungen – vor allem auf naturwissenschaftlichem Gebiet – zeige.

Der Gesetzgeber habe damit, daß er die Zusammensetzung des Zulassungs- und Prüfungsausschusses – abgesehen von dem bei der Berufskammer liegenden Vorschlagsrecht (§ 76 Abs. 2 Nr. 9 StBerG) – ohne Einschränkung dem Verordnungsgeber überlassen habe, auch insoweit nicht die notwendigen Leitentscheidungen getroffen. Dabei wären Leitentscheidungen über die Zusammensetzung des Zulassungs- und des Prüfungsausschusses besonders wesentlich gewesen, weil wegen der Konstruktion des Berufsstandes der Steuerberater (Kammerprinzip mit Staatsaufsicht) jedenfalls drei verschiedene Möglichkeiten für die Zusammensetzung der beiden Ausschüsse denkbar gewesen wären: nur Angehörige des öffentlichen Dienstes, nur Steuerberater und die Beteiligung beider Berufsgruppen. In diesem Bereich sei es nicht möglich, hinreichend bestimmte Ergebnisse durch Auslegung unter besonderer Berücksichtigung des Ziels und des Sinnzusammenhangs des Steuerberatungsgesetzes zu erzielen.

III.

1. Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen zu der Vorlage geäußert:

Die Vorlage sei nur zulässig, soweit die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Ermächtigungsvorschriften die Steuerberaterprüfung und die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses beträfen. Soweit die Vorlage zulässig sei, sei sie jedoch nicht begründet. Die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm lasse sich durch Auslegung feststellen. Inhalt, Zweck und Ausmaß der für den Bereich der Prüfungsgebiete erteilten Ermächtigung würden durch das Berufsbild des Steuerberaters geprägt, das einerseits durch die in § 36 i. V. m. § 1 StBerG geregelten Aufgaben des Steuerberaters und anderseits durch seine in § 36 StBerG geforderten Vorbildungsvoraussetzungen bestimmt werde. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlaß auch der sonstigen Bestimmungen über die Durchführung der Steuerberaterprüfung, über das Verfahren bei der Wiederholung der Prüfung und über die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse würden durch den Begriff „Prüfung” bestimmt. Für den Gesetzgeber habe auch kein Anlaß bestanden, die Ermächtigung zum Erlaß von Bestimmungen über das Verfahren bei Wiederholung der Steuerberaterprüfung ausdrücklich zu präzisieren. Regelungen über den stofflichen Umfang der Wiederholungsprüfung gehörten nicht zu den in § 158 Nr. 1 Buchst. c StBerG genannten Verfahrensbestimmungen, sondern seien materiell-rechtliche Regelungen der Wiederholungsprüfung. Hierüber habe der Gesetzgeber in § 35 Abs. 2 StBerG eine eindeutige Entscheidung getroffen. Nach dieser Vorschrift sei die Prüfung im gesamten Umfang zu wiederholen. Auch die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses sei nach Tendenz und Programm hinreichend bestimmt. Sowohl die Teilnahme berufsständischer Vertreter als auch die Teilnahme von Vertretern der Finanzverwaltung sei vorgezeichnet.

2. Der Bundesfinanzhof hat in einer Stellungnahme seines für die streitigen Rechtsfragen zuständigen VII. Senats mitgeteilt, daß er § 158 Nr. 1 Buchst. b StBerG ebensowenig für verfassungswidrig halte wie § 158 Nr. 1 Buchst. c und d StBerG. Der Senat habe in seinem Urteil vom 15. Oktober 1980 (BFHE 131, 546) entschieden, daß entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf § 158 Nr. 1 Buchst. b StBerG nicht insoweit nichtig sei, als Auswahl des Prüfungsstoffes und inhaltliche Ausgestaltung der Prüfungsbedingungen nur durch den Verordnungsgeber geregelt worden seien. Daneben sei der Senat in den letzten 5 1/2 Jahren in 25 Streitsachen von der Vereinbarkeit des § 158 Nr. 1 Buchst. b StBerG mit dem Grundgesetz ausgegangen, ohne einen Anlaß gesehen zu haben, sich mit dieser Frage zu befassen.

B.

Die Vorlage ist zulässig. Die Vorlagefrage ist jedoch zu beschränken. Die vorgelegten Bestimmungen betreffen die Steuerberater- und die Steuerbevollmächtigtenprüfung. Im Ausgangsverfahren spielt die Steuerbevollmächtigtenprüfung keine Rolle. Es ist daher nur zu prüfen, ob die Vorschriften des § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit sie die Steuerberaterprüfung betreffen. Ferner ist die Verordnungsermächtigung zum Erlaß von Bestimmungen über die Zusammensetzung des Zulassungsausschusses (§ 158 Nr. 1 Buchst. d StBerG) nicht entscheidungserheblich, da sich die Klage allein gegen das vom Zulassungsverfahren unabhängige Prüfungsverfahren richtet. Daher ist die Vorlagefrage weiter auf die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses zu beschränken.

C.

Die Vorschriften des § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG sind in dem zu prüfenden Umfang mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor.

1. Das Grundgesetz fordert in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG allgemein, daß die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigende Vorschrift nach Inhalt, Zweck und Ausmaß näher bestimmt ist. Dies muß nicht ausdrücklich im Text der Ermächtigungsnorm geschehen. Für ihre Interpretation gelten die allgemeinen Auslegungsvorschriften. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie sonst bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt demnach nicht, daß die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich formuliert und gefaßt sein muß. Sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein (st. Rspr., vgl. BVerfGE 8, 274 (307); 33, 358 (364 f.); 40, 196 (230); 45, 142 (163 f.); 55, 207 (226 f.)).

Welche Bestimmtheitsanforderungen im einzelnen erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs sowie von Gewicht und Wirkung der zu regelnden Maßnahmen abhängig. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muß der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so müssen höhere Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (vgl. BVerfGE 41, 251 (266); 58, 257 (277 f.)). Bezieht sich eine Ermächtigung auf einen Sachbereich, der bereits durch eine Verordnung geregelt war, so geht der Gesetzgeber, wenn er nichts anderes zum Ausdruck bringt, in der Regel davon aus, daß der Verordnungsgeber sich an den bisherigen Grundsätzen orientieren wird (vgl. BVerfGE 34, 52 (61)).

2. § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d StBerG genügt danach dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot.

a) Welcher Prüfungsstoff für die Steuerberaterprüfung in Betracht kommt, ist durch das Steuerberatungsgesetz in wesentlichen Konturen vorgegeben.

§ 1 StBerG regelt, welche Angelegenheiten die Hilfeleistung in Steuersachen umfaßt. § 3 Nr. 1 StBerG gibt den Steuerberatern die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in diesen Angelegenheiten. Dabei haben nach § 33 StBerG die Steuerberater die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Die Hilfeleistung in Steuersachen setzt neben der Beherrschung der in § 1 StBerG genannten Steuerrechtsmaterien die für die Anwendung des Steuerrechts und die Berufsausübung notwendigen, auch durch die Vorbildungsvoraussetzungen des § 36 StBerG vorgezeichneten Kenntnisse im Bereich des allgemeinen Rechts, der Betriebswirtschaft, des Wirtschaftsrechts sowie des Berufsrechts voraus. Damit hat der Gesetzgeber durch die §§ 1, 3, 33 und 36 StBerG bestimmt, welche Kenntnisse und Fähigkeiten ein Steuerberater bei der Ausübung seines Berufes besitzen muß. Durch diese Vorschriften hat der Gesetzgeber aber auch den Inhalt der Berufsausbildung zum Steuerberater und den in Frage stehenden Prüfungsstoff festgelegt. Denn in der Steuerberaterprüfung soll der Kandidat den Nachweis erbringen, daß er zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben befähigt ist.

Der erforderlichen Bestimmtheit der Ermächtigung steht nicht entgegen, daß §§ 1 und 33 StBerG die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten in gleicher Weise betreffen. Die §§ 156 und 157 StBerG lassen die Unterschiede zwischen dem Beruf des Steuerberaters und dem des Steuerbevollmächtigten deutlich erkennen. Nach § 156 Abs. 5 StBerG ist der Beruf des Steuerbevollmächtigten ein auslaufender Beruf. Im Hinblick auf die dort bestimmten Fristen werden Prüfungen für Steuerbevollmächtigte nur noch ausnahmsweise stattfinden. § 157 StBerG sieht die Bestellung von Steuerbevollmächtigten zu Steuerberatern vor. Dies setzt unter anderem die erfolgreiche Teilnahme an einem Seminar voraus, das sich auf die Gebiete „Bilanzierungsvorschriften des Aktiengesetzes”, „Besteuerung von Kapitalgesellschaften” und „Finanzgerichtsordnung” erstreckt (§ 157 Abs. 2 StBerG). Diese Vorschriften zeigen, daß die Ausbildung des Steuerberaters nach den Vorstellungen des Gesetzgebers umfassender ist als die des Steuerbevollmächtigten. Für den Verordnungsgeber wird daraus deutlich erkennbar, auf welche Prüfungsgebiete er die Steuerberaterprüfung – im Unterschied zur Steuerbevollmächtigtenprüfung – zusätzlich zu erstrecken hat.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß sich die in § 158 StBerG erteilte Ermächtigung auf einen rechtlich vorgeformten Regelungsgegenstand bezieht. Der Prüfungsstoff der Steuerberaterprüfung war vor Erlaß des Steuerberatungsgesetzes in Rechtsverordnungen der Länder festgelegt (vgl. in Bayern: § 12 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes Nr. 105 über Wirtschaftsprüfer, Buchrevisoren und Steuerberater vom 15. Dezember 1948 – BayBS IV S. 76 –; in Hessen: § 13 der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über Wirtschaftsprüfer, Buchrevisoren und Steuerberater vom 3. Mai 1950 – GVBl. S. 73 –; in Württemberg-Baden: § 13 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater vom 8. November 1948 – Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden 1949, S. 7 –). Der Gesetzgeber konnte somit erwarten, daß sich die Bundesregierung bei der Bestimmung der Prüfungsgebiete an den bisherigen landesrechtlichen Regelungen orientieren werde. Gründe, die zu einer wesentlich anderen Konzeption hätten Anlaß geben können, waren aus dem Gesetz nicht ersichtlich.

Zudem hat sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 158 StBerG an ein durch eine Reihe von Gerichtsentscheidungen gebilligtes Regelungssystem gehalten. Im Bereich des Bundes ist es üblich, daß der Gesetzgeber die ausdrückliche Festlegung des Prüfungsstoffes dem Verordnungsgeber überläßt (vgl. etwa § 41 Berufsbildungsgesetz, § 4 Abs. 1 Bundesärzteordnung, § 5 Bundes-Apothekerordnung, § 8 Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz). Vergleichbare Regelungen finden sich im Landesrecht, etwa in den Ermächtigungen zum Erlaß von Prüfungsordnungen für die juristischen Staatsprüfungen (vgl. in Baden-Württemberg: § 7 des Gesetzes über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst; in Bayern: Art. 115 Abs. 2 Satz 2 Bayer. Beamtengesetz; im Saarland: Gesetz Nr. 703 über die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst). Diese Ermächtigungen zum Erlaß von Prüfungsordnungen waren von der Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden (vgl. BayVerfGHE 16, 101 (106); 21, 59 (61); 26, 18 (23); BVerwG, Buchholz, 421.0 Nrn. 73, 78 und 146).

Daß der Gesetzgeber in Abweichung von dem ihm vorgegebenen Orientierungsrahmen den Prüfungsstoff für die Übergangsprüfung der Steuerbevollmächtigten (§ 157 Abs. 2 StBerG) selbst niedergelegt hat, ist ohne Belang. § 157 StBerG enthält eine detaillierte Sonderregelung für den auslaufenden Beruf des Steuerbevollmächtigten. Allgemeine Grundsätze lassen sich aus dieser Regelung daher nicht ableiten.

b) Die zur Prüfung vorgelegte Regelung ist auch hinsichtlich des Umfangs des Prüfungsstoffes der Wiederholungsprüfung hinreichend bestimmt.

Nach § 35 Abs. 2 StBerG kann die Prüfung als Steuerberater zweimal wiederholt werden. Eine Einschränkung des Prüfungsstoffes sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Einschränkung ist daher dem Verordnungsgeber verwehrt. Er ist aufgrund des § 158 Nr. 1 Buchst. c StBerG lediglich ermächtigt, das Verfahren bei der Wiederholung der Prüfung zu regeln.

Eine solche Auslegung ist auch unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit geboten. Alle zur Steuerberaterprüfung zugelassenen Bewerber haben sich gleichzeitig und unter möglichst gleichen Bedingungen der Prüfung zu unterziehen (vgl. BFHE 131, 173 (176 f.)). Bei diesem Prüfungssystem könnten Wiederholer bevorzugt sein, wenn sie Kenntnisse nur auf bestimmten Prüfungsgebieten nachzuweisen hätten.

Eine Einschränkung des Prüfungsstoffes der Wiederholungsprüfung war daher auch in den früheren landesrechtlichen Prüfungsordnungen nicht vorgesehen. Ebenso ist bei vergleichbaren Prüfungen, wie den zweiten juristischen Staatsprüfungen etwa in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz oder der Steuerbeamtenprüfung, die Prüfung vollständig zu wiederholen.

Abweichende Regelungen bei naturwissenschaftlichen Prüfungen wie etwa der ärztlichen Prüfung (§ 20 Abs. 1 der Approbationsordnung für Ärzte) legen eine andere Interpretation des § 35 Abs. 2 StBerG nicht nahe. Diesen Prüfungen liegt ein anderes Prüfungssystem zugrunde. So war die ärztliche Prüfung traditionell keine Einheit. Sie wurde in Teilabschnitten mit großen zeitlichen Zwischenräumen abgelegt. In diesen Teilabschnitten wurden und werden nacheinander bestimmte Fachgebiete geprüft. Durch die Wiederholung einzelner Abschnitte werden hier die anderen Prüfungsteilnehmer nicht wesentlich benachteiligt. Sowohl die Wiederholer als auch die anderen Prüfungsteilnehmer haben bei diesem Prüfungsverfahren im gleichen Zeitraum das gleiche Wissen nachzuweisen.

c) Der vom vorlegenden Gericht angenommene und als zu weit erachtete Gestaltungsspielraum bei der Besetzung des Prüfungsausschusses besteht nicht. Die Ermächtigung des § 158 Nr. 1 Buchst. d StBerG ist hinreichend bestimmt.

Die Steuerberaterprüfung ist eine staatliche Prüfung, die vor einer staatlichen Stelle, nämlich dem Prüfungsausschuß abgelegt wird. Deshalb ist eine Besetzung des Prüfungsausschusses mit Beamten der Finanzverwaltung sachlich geboten. Ebenso ist die Besetzung des Prüfungsausschusses mit Steuerberatern sachgerecht. Denn die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses soll sicherstellen, daß die Prüfer vermöge ihres Sachverstandes die fachliche Eignung der Prüfungskandidaten für den Beruf des Steuerberaters beurteilen können. Demnach wäre es nicht zweckmäßig, den Prüfungsausschuß nur mit Steuerberatern oder nur mit Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu besetzen.

Eine solche Regelung würde auch den Vorstellungen des Gesetzgebers widersprechen. Die Steuerberaterkammer hat nach § 76 Abs. 2 Nr. 9 StBerG die berufsständischen Mitglieder für die Prüfungsausschüsse der steuerberatenden Berufe vorzuschlagen. Dieses Entsendungsrecht der Steuerberaterkammer gewinnt nur dann Bedeutung, wenn der Verordnungsgeber die Besetzung des Prüfungsausschusses auch mit berufsständischen Mitgliedern vorschreibt. Davon dürfte der Gesetzgeber bei der in § 76 Abs. 2 Nr. 9 StBerG getroffenen Regelung ausgegangen sein.

Im übrigen knüpft die Ermächtigung in § 158 Nr. 1 Buchst. d StBerG an frühere Normen an. In den durch das Steuerberatungsgesetz aufgehobenen landesrechtlichen Verordnungen war bestimmt, daß den Prüfungsausschüssen Vertreter der aufsichtsführenden Ministerien und der Berufsgruppe angehören müssen. Der Gesetzgeber durfte daher erwarten, daß die Bundesregierung entsprechende Regelungen erlassen werde.

d) Das vorlegende Gericht beanstandet, daß der Gesetzgeber keine Leitentscheidungen für die Voraussetzungen eines Prüfungserfolges getroffen hat. Es macht dabei aber nicht deutlich, was es unter „Leitentscheidungen” versteht.

Das Finanzgericht könnte es für notwendig gehalten haben, daß der Gesetzgeber selbst bestimmt, wie die einzelnen Prüfungsleistungen bewertet werden, welches Gewicht die schriftliche Prüfung im Verhältnis zur mündlichen Prüfung haben soll, ob die Teilnahme an der mündlichen Prüfung das Bestehen der schriftlichen Prüfung voraussetzt, ob der Kandidat trotz Bestehens der schriftlichen Prüfung an der mündlichen Prüfung scheitern kann und ob die einzelnen Prüfungsleistungen aus der schriftlichen und aus der mündlichen Prüfung einer Gesamtbewertung unterzogen werden sollen. Das Steuerberatungsgesetz regelt diese Fragen nicht. Dennoch ist die Ermächtigung in § 158 Nr. 1 Buchst. b StBerG hinsichtlich der Durchführung der Prüfung hinreichend bestimmt. Inhalt, Zweck und Ausmaß ergeben sich aus der Notwendigkeit eines geordneten Prüfungsverfahrens. Daneben hat sich der Verordnungsgeber an der bisher üblichen Gestaltung der Steuerberaterprüfungen zu orientieren. Für ihn ist auch die Durchführung vergleichbarer Prüfungen wie etwa der juristischen Staatsprüfungen von Bedeutung. Der Gesetzgeber kann erwarten, daß der Verordnungsgeber bei seinen Entscheidungen bewährte Prüfungsordnungen in Betracht zieht. Er kann ferner davon ausgehen, daß die allgemeinen Prüfungsgrundsätze – wie etwa der Grundsatz der Chancengleichheit – beachtet werden.

II.

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist durch die zur Prüfung vorgelegte Regelung nicht verletzt.

Es ist mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, daß die Durchführung der Steuerberaterprüfung, das Verfahren bei der Wiederholung der Prüfung und die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses in Form einer Rechtsverordnung geregelt sind. Die vom Finanzgericht beanstandeten Einschränkungen der Berufsfreiheit ergeben sich nicht aus den Vorschriften des § 158 Nr. 1 Buchst. b, c und d des Steuerberatungsgesetzes. Daß die Prüfung als Steuerberater nur zweimal wiederholt werden kann, wobei eine Einschränkung des Prüfungsstoffes nicht vorgesehen ist, ist im übrigen in § 35 Abs. 2 StBerG geregelt.

 

Fundstellen

BVerfGE, 203

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