Beteiligte

Stadt Regensburg – Sozialamt –

AOK Bayern – Die Gesundheitskasse

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Juli 1995 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der klagende Sozialhilfeträger begehrt Kostenerstattung aus der Krankenversicherung des Beigeladenen zu 1) für die sozialpädiatrische Förderung von dessen Sohn. Der Rechtsstreit wird als „Musterprozeß” für über 350 Einzelverfahren geführt.

Im fraglichen Zeitraum war der Beigeladene zu 1) bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Regensburg (AOK), an deren Stelle inzwischen die Beklagte getreten ist, für den Fall der Krankheit versichert. Er war familienhilfeberechtigt für einen 1984 geborenen Sohn mit angeborenen Fehlbildungen, der von April 1985 bis Dezember 1988 im Regensburger Kinderzentrum St. Martin ambulant betreut wurde. Dieses ist seit 1978 zur Teilnahme an der ambulanten kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung entwicklungsgestörter und entwicklungskranker Kinder ermächtigt; seit 1. April 1989 beruht die Ermächtigung auf § 119 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Da sich die Trägerin der Einrichtung, die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg eV (Beigeladene zu 2) generell außerstande sah, die Betreuungskosten nach den im Einzelfall tatsächlich erbrachten therapeutischen Leistungen aufzuschlüsseln, hatte sie mit den Kostenträgern Pauschalvereinbarungen geschlossen. Grundlage waren die Gesamtkosten des Zentrums, die durch die Zahl der tatsächlich betreuten Kinder geteilt wurden, um den Aufwand für den einzelnen Betreuungsfall zu ermitteln. Für diese Fallpauschale sollte der einzelne Kostenträger anteilig in demjenigen Verhältnis aufkommen, in dem die Zahl der zu bestimmten Berufsgruppen gehörenden Therapeuten zur Gesamtzahl der beschäftigten Ärzte und Therapeuten stand. In diesem Sinne war die Vergütung des Aufwands für ärztliche Leistungen zwischen der Beigeladenen zu 2) und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vertraglich geregelt. Mit Rücksicht auf nichtärztliche Leistungen hatten sich die AOK und die Ersatzkassenverbände in weiteren Vereinbarungen zur Zahlung einer Nebenleistungspauschale verpflichtet. Darin wurde der Kostenanteil der Krankenkassen nach den pro Behandlungsfall durchschnittlich notwendigen Personalkosten für Krankengymnasten, Logopäden und Beschäftigungstherapeuten zuzüglich der auf diese Personalkosten anteilig entfallenden Sachkosten berechnet; offen blieben die entsprechenden Kosten für Heilpädagogen und Diplompsychologen, für die der Betreute oder – bei dessen Bedürftigkeit – der Sozialhilfeträger aufkommen mußte. Bis zum 31. Dezember 1988 stellte das Kinderzentrum der klagenden Stadt als Sozialhilfeträger für den Sohn des Versicherten insgesamt knapp 3.400 DM in Rechnung, die sich bis Ende 1987 aus quartalsweisen Pauschalen und danach aus Einzelleistungsvergütungen zusammensetzten. Die Beklagte lehnte den mit Schreiben vom 14. November 1985 von der Klägerin angemeldeten Erstattungsanspruch ab, verzichtete aber auf die Einrede der Verjährung.

Mit der Klage im Dezember 1991 hat die Klägerin knapp 3.900 DM für „sogenannte Nebenleistungen der Psychologen und Heilpädagogen” gefordert, die im Zuge einer ärztlich angeordneten und überwachten Behandlung tätig geworden seien. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin keine Sozialleistungen erbracht, sondern möglicherweise noch offene Vergütungsansprüche der Katholischen Jugendfürsorge als Trägerin des Kinderzentrums gegenüber der Beklagten im Vorgriff befriedigt habe. Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 5. Juli 1995). In den Entscheidungsgründen hat es ua ausgeführt: Unstreitig habe der Versicherte einen Anspruch auf Krankenpflege im Rahmen der Familienkrankenhilfe gehabt. Dieser umfasse heilpädagogische und psychologische Maßnahmen, und zwar entweder im Rahmen ärztlicher Behandlung als Hilfeleistung durch untergeordnete und ärztlich überwachte Personen oder aufgrund ärztlicher Verordnung als Heilmittel ohne persönliche Überwachung durch den Arzt. Es sei davon auszugehen, daß die im Regensburger Kinderzentrum durchgeführten nichtärztlichen Leistungen unter ärztlicher Anleitung und Überwachung erbracht worden seien. Aufgrund der im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot vereinbarten Kostenpauschalen sei die Beklagte weder im Verhältnis zur Trägerin der Einrichtung (Beigeladene zu 2) noch auf dem Umweg über einen Erstattungsanspruch zur Zahlung weiterer Kosten für nichtärztliche Leistungen verpflichtet. Die Leistungen der Sozialhilfe seien weder als Krankenhilfe noch als Eingliederungshilfe geeignet, eine weitergehende Leistungspflicht der Beklagten zu begründen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte sei bereits vor dem 1. Januar 1989 verpflichtet gewesen, die Kosten für nichtärztliche Leistungen von Heilpädagogen und Psychologen im Kinderzentrum (Nebenleistungspauschale) zu tragen. Die Kosten der Behandlung durch Heilpädagogen und Psychologen seien durch die zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) getroffene Vereinbarung nicht abgedeckt. Mit ihrer Berufungsbegründung habe sie beantragt, hierzu den Vertreter der AOK Regensburg bei den Vertragsverhandlungen als Zeugen zu befragen. Die Zeugenbefragung sei trotz Entscheidungserheblichkeit unterblieben. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat die Klägerin ihre Erstattungsforderung um 500 DM gemindert.

Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts vom 17. September 1992 und das Urteil des Landessozialgerichts vom 5. Juli 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, DM 3.389,38 an die Klägerin zu zahlen,
  • hilfsweise

    den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Ob die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eine Gesetzesverletzung ergeben, weil das LSG den nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen § 103 SGG nicht genügend aufgeklärt hat, kann offenbleiben. Denn jedenfalls stellt sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig dar (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Unabhängig von der Reichweite der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kinderzentrum und der Beklagten steht der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.

Die Klägerin möchte von ihrem Kostenanteil für die im Kinderzentrum durchgeführte sozialpädiatrische Betreuung befreit werden. Soweit dieses Begehren auf die Erwägung gestützt wird, daß die durch Heilpädagogen und Diplompsychologen in einem sozialpädiatrischen Zentrum erbrachten Leistungen generell in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen fallen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X oder nach anderen Vorschriften zu beurteilen ist, denn alle denkbaren Anspruchsgrundlagen setzen die Einstandspflicht der Beklagten nach den Regelungen des Krankenversicherungsrechts voraus. Da insoweit Verpflichtungen der Beklagten nicht zu begründen sind, erübrigen sich weitere Erörterungen zu den in Frage kommenden Anspruchsnormen.

Unerheblich ist auch, ob der Inhalt der Pauschalvereinbarung dem Erstattungsanspruch der Klägerin schon deshalb die Grundlage entzieht, weil er auch dem dafür maßgeblichen Leistungsanspruch des Versicherten entgegengehalten werden könnte. Dagegen bestehen deshalb Bedenken, weil die Pauschalvereinbarung weder mit dem Versicherten noch mit der Klägerin abgeschlossen wurde und keine Rechtsvorschriften ersichtlich sind, die für den Bereich der sozialpädiatrischen Leistungen normativ wirkende Vergütungsverträge zulassen. Unabhängig von der rechtlichen Wirkung der Pauschalvereinbarung, deren genauer Inhalt infolgedessen nicht aufgeklärt zu werden braucht, lassen sich Leistungspflichten der Beklagten gegenüber dem Versicherten mit den Erwägungen der Klägerin nicht begründen, so daß auch der Erstattungsanspruch des für den Versicherten eingetretenen Sozialhilfeträgers scheitern muß.

Entgegen dem rechtlichen Ausgangspunkt der Klägerin ist der geltend gemachte Anspruch nicht damit zu rechtfertigen, daß die Beklagte für die gesamten Kosten einer sozialpädiatrischen Behandlung aufzukommen habe. Nach den hier noch anzuwendenden Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO), die seit dem 1. Januar 1989 durch die Vorschriften des SGB V abgelöst sind, war die Beklagte zur Gewährung von Krankenpflege verpflichtet; dazu gehörten nach § 182 Abs 1 Satz 1 RVO insbesondere die dort genannten Behandlungsmaßnahmen. Im Rahmen der Krankenpflege wurden ausschließlich Maßnahmen geschuldet, die gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen – grob vereinfachend kann von „medizinischen” Leistungen gesprochen werden; die Krankenkassen hatten nicht die Aufgabe, sonstige wegen einer Krankheit notwendig werdende „nichtmedizinische” Hilfe im Bereich der Lebensführung zu bieten (BSGE 42, 16, 18 f = SozR 2200 § 182 Nr 14 S 30 ≪Beschäftigungs- und Bewegungstherapie≫; im Versorgungsrecht: BSG SozR 3100 § 11 Nr 13 S 10 ≪Reittherapie≫; zur stationären Behandlung vgl BSG SozR 2200 § 184 Nr 28 mwN). Der dargestellte Grundsatz galt auch für den Bereich der krankenversicherungsrechtlichen Rehabilitation, die ebenfalls auf medizinische Leistungen beschränkt war (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 193 RVO Anm 2 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks 7/1237 S 65). An dieser für die Krankenversicherung grundsätzlichen Unterscheidung hat sich durch das Inkrafttreten des SGB V nichts geändert (vgl BSG SozR 3-2500 § 27 Nr 6 S 18 f; SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 4 f). Soweit der heutige § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V eine bestimmte Zielsetzung verlangt, faßt er lediglich die von der Rechtsprechung bereits aus den Vorschriften der RVO über die Krankenpflege entwickelten Grundsätze zusammen. Auch der Ausschluß von Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung in § 43 Nr 2 SGB V ist keine Neuregelung, sondern eine Bestätigung der bisherigen Rechtslage (so auch die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 11/2237 S 163 zu § 11 Abs 2, S 180 zu § 42).

Wenn die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für eine Hilfsmaßnahme nicht schon wegen deren genereller Zweckbestimmung ausscheidet (zur Abgrenzung zwischen Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens: BSGE 77, 209 = SozR 3-2500 § 33 Nr 19 mwN; vgl auch BSGE 37, 138 = SozR 2200 § 187 Nr 1 ≪elektrische Schreibmaschine≫; zwischen Nahrungs- und Arzneimittel: Senatsurteil vom 9. Dezember 1997 – 1 RK 23/95, zur Veröffentlichung bestimmt – mwN), können medizinische und nichtmedizinische Leistungen nach der weiter oben zitierten Rechtsprechung nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Bedürfnisse und Heilungschancen des einzelnen Behandlungsfalls voneinander abgegrenzt werden. Dabei spielen die Art der Erkrankung und ihr Bezug zu den eingesetzten Mitteln sowie die damit verfolgten Nah- und Fernziele eine Rolle (vgl beispielsweise die Zielbeschreibung und den Anwendungskatalog in den Abschnitten A 1 und C der Psychotherapie-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 3. Juli 1987, Beilage zum BAnz 1987 Nr 156a). Bei der demnach gebotenen Gesamtabwägung kann die Gewährung einer bestimmten Maßnahme bei dem einen Versicherten durch ihre außermedizinische Zwecksetzung von der Krankenversicherung ausgeschlossen sein, während sie beim anderen als Versicherungsleistung in Betracht kommt – je nach dem, welches konkrete Ziel mit der fraglichen Hilfe in erster Linie verfolgt wird: Nur wenn die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund steht, ist die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt (vgl nochmals BSG SozR 3-2500 § 27 Nr 6).

Das gilt für die hier notwendige Abgrenzung der Verantwortung der Hauptbeteiligten für Maßnahmen der Krankenpflege einerseits und anderen Hilfsmaßnahmen, insbesondere der sozialen Eingliederung, andererseits in besonderem Maße. Da die Auswirkungen einer Krankheit auf das Gesamtbefinden stark individuell geprägt sind, entzieht sich die Abwägung, ob eine Maßnahme mehr der Krankheitsbekämpfung oder mehr der Überwindung von sozialen Folgen dient, jeglicher allgemeinen Festlegung. Vor allem bei den hier in Rede stehenden behinderten Kindern können soziale und medizinische Befunde in sehr unterschiedlicher Weise miteinander verknüpft sein, so daß es unmöglich ist, die einzelnen Schritte der Betreuung unabhängig von der konkreten Situation des Betreuten der Krankenpflege oder der Eingliederungshilfe rechtlich zuzuordnen. Insofern sind die Erwägungen der Klägerin schon im Ansatz ungeeignet, den umstrittenen Betreuungsaufwand generell dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzuweisen.

Dem kann die besondere Zielsetzung der Betreuung in einem sozialpädiatrischen Zentrum nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Die Orientierung in einem solchen Zentrum ist nicht ausschließlich diejenige der Krankenpflege, so daß die aufgezeigte Grundregel der Einzelprüfung hierdurch nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt wird. Schon die Bezeichnung läßt erkennen, daß die sozialpädiatrische Betreuung auf die soziale Dimension der Erkrankung besonderen Wert legt und sich nicht nur auf die gezielte Krankheitsbekämpfung beschränkt. Das kommt auch in den Umschreibungen ihrer Aufgaben und Schwerpunkte zum Ausdruck, die sich aus den Beziehungen zwischen dem Kind und den Besonderheiten seiner Entwicklung einerseits und der Gesellschaft bzw der gesellschaftlichen Strukturen andererseits ergeben sollen (Hellbrügge in: Hellbrügge ua, Klinische Sozialpädiatrie, 1981, S 3; Schlack, Kinderarzt 1982, 66 ff; vgl auch Schulin, Krankenversicherungsrechtliche Beurteilung von Leistungen in Sozialpädiatrischen Zentren ≪Gutachten im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie≫, München 1995, S 12 f).

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Einführung eigener Regelungen über sozialpädiatrische Leistungen durch das Gesundheits-Reformgesetz (seit 1. Januar 1989 zunächst § 119 SGB V; seit 1. Januar 1992 § 43a an Stelle des bisherigen § 119 Abs 2 SGB V). Unabhängig von deren Reichweite im einzelnen hätte es jedenfalls keiner zusätzlichen Leistungsvorschriften bedurft, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, daß die sozialpädiatrische Betreuung ohnehin als Ganzes zum Leistungsumfang der Krankenversicherung gehöre, weil sie der nach neuem und früherem Recht gleichen Zielsetzung der Krankenbehandlung bzw der Krankenpflege entspreche. Daß dieses gerade nicht der Fall war, belegt nicht nur die Einfügung der fraglichen Vorschriften als solche, sondern auch die Bezeichnung des § 119 SGB V als „neu” in der Begründung zum Gesetzentwurf (vgl BT-Drucks 11/2237 S 202 zu § 128) und die bei der Einfügung des § 43a SGB V betonte Notwendigkeit einer Ergänzung des Leistungsrechts (BT-Drucks 12/1363 S 6 unter Nr 5; in diesem Sinne auch BSG SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 5). Im Einklang hiermit wurde bei den Beratungen über § 43a SGB V die Erweiterung des Leistungskatalogs um „neuropsychiatrische” Leistungen mit der Begründung abgelehnt, diese seien schon nach geltendem Recht Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung (Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 12/1392 S 3). Unter diesen Umständen ist kein Raum für die Annahme, die gesetzliche Krankenversicherung habe bereits unter Geltung der RVO generell für sozialpädiatrische Leistungen aufkommen müssen.

Soweit Erwägungen im Schrifttum einen umfassenden Leistungsanspruch auf sozialpädiatrische Betreuung aus der Zielrichtung eines angeblich umfassenden Behandlungsanspruchs im SGB V herzuleiten suchen (Schulin aaO, insbesondere S 75 ff), rechtfertigt das kein anderes Ergebnis. Träfe diese Begründung für das neue Recht zu, wäre sie allerdings auch für das bisherige Recht zu erörtern, weil sich die krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze insoweit nicht geändert haben. Die fragliche Argumentation verkennt jedoch, daß auch ein umfassender Behandlungsanspruch des Versicherten die Krankenkasse nicht verpflichtet, für alles aufzukommen, was der Gesundheit förderlich ist. Vielmehr geht es gerade darum, die gezielte Krankheitsbehandlung von Maßnahmen zu unterscheiden, die der sozialen Eingliederung und deshalb allenfalls mittelbar den spezifisch krankenversicherungsrechtlichen Zielen dienen. Damit soll die Bedeutung dieser nichtmedizinischen Maßnahmen für den Erfolg der Gesamtbetreuung keineswegs in Abrede gestellt werden. Ein notwendiges Zusammenwirken unterschiedlich gearteter Hilfen ist jedoch keine Rechtfertigung für eine Ausweitung des von den Krankenkassen abzudeckenden Versicherungsrisikos. Hiervon hat die Rechtsprechung nur in ganz besonderen Fällen Ausnahmen zugelassen (vgl Senatsurteil vom 9. Dezember 1997 – 1 RK 11/97, zur Veröffentlichung bestimmt – mwN). Da eine solche Ausnahme die genaue Überprüfung des einzelnen Behandlungsfalls voraussetzt und keine pauschale Beurteilung für eine unbestimmte Zahl von sozialpädiatrischen Behandlungen erlaubt, kann die Klage auch unter diesem Aspekt keinen Erfolg haben.

Aus dem Zwang, die Eingliederungshilfe von der Krankenpflege nach der konkreten Situation des Betreuten abzugrenzen, ergibt sich gleichzeitig, daß die von der Beklagten übernommene Fallpauschale auch nicht mit dem Hinweis auf die Berufszugehörigkeit der an der Betreuung beteiligten Therapeuten als unzulänglich angegriffen werden kann. Zwar sind bestimmte Behandlungsleistungen krankenversicherungsrechtlich den Therapeuten mit einer bestimmten beruflichen Qualifikation vorbehalten (vgl Abschnitt F aaO; Abschnitt E 1 Abs 2 der Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 26. Februar 1982, Beilage zum BAnz 1982 Nr 32). Dieser Vorbehalt darf jedoch nicht zu dem Umkehrschluß verleiten, daß alle von einem insoweit berechtigten Therapeuten erbrachten Leistungen ohne nähere Prüfung von der Krankenkasse zu übernehmen sind. Er kann lediglich in der Praxis dazu führen, daß der Berufsbezeichnung des Therapeuten eine Indizwirkung für die krankenversicherungsrechtliche Zuordnung zukommt; dieses Merkmal, das erst zusammen mit anderen die Beurteilung des einzelnen Falles erlaubt, ist jedoch nach der bisherigen Rechtsprechung nicht als einziger Maßstab für eine unbestimmte Zahl von Fällen heranzuziehen (vgl auch BSG SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 5 f).

Die Tatsache, daß die Beklagte eine Fallpauschale gegenüber dem Kinderzentrum übernommen hat, die auf den Personalkosten für die Therapeuten bestimmter Berufsgruppen beruht, gibt der Klägerin unter diesen Umständen nicht das Recht, die Erhöhung der Pauschale zu verlangen, weil die Leistungen weiterer Therapeuten generell als Krankenpflege einzuordnen seien. Im Hinblick auf die dargestellten Voraussetzungen für die Leistungspflicht der Krankenversicherung kann eine Pauschalvereinbarung auf der Grundlage von Personalkosten nur als Notbehelf für eine anders nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu bewältigende Abgrenzung angesehen werden, ohne die eine Leistungspflicht der Krankenkasse insgesamt in Frage zu stellen ist. Dem kann eine andere Art der Pauschalierung mit der Behauptung eines „richtigeren” Ergebnisses jedenfalls solange nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, wie die vorgenommene Abgrenzung nicht offensichtlich unvertretbar ist.

Freilich macht der Sozialhilfeträger oder der Versicherte, der eine höhere Kostenbeteiligung der Krankenkasse fordert, als sie in einer Pauschalvereinbarung vorgesehen ist, sinngemäß auch geltend, der geleistete Pauschalbetrag stimme mit den tatsächlichen Kosten für die im einzelnen Behandlungsfall von der Krankenkasse geschuldeten Einzelleistungen nicht überein. Dieser Einwand unterscheidet sich von den bereits behandelten generellen Erwägungen der Klägerin im rechtlichen Ausgangspunkt und in den entscheidungserheblichen Tatsachen. Die grundsätzliche Erwägung trennt medizinische von nichtmedizinischen Leistungen unter rechtlich-abstrakten Gesichtspunkten; mit dem konkreten Einwand gegen die Pauschalierung werden demgegenüber die „wirklichen” Maßnahmekosten zur Überprüfung gestellt. Nach den Gesamtumständen ist Streitgegenstand des jetzigen Verfahrens jedoch nur die Frage, ob heilpädagogische und/oder psychologische Maßnahmen eines sozialpädiatrischen Zentrums im Wege der Fallkostenbeteiligung in die Krankenpflege nach § 182 Abs 1 Satz 1 RVO generell einzubeziehen sind; die Überprüfung der krankenversicherungsrechtlich geschuldeten Maßnahmekosten im einzelnen Behandlungsfall ist vom klägerischen Begehren nicht umfaßt.

Die Klägerin hat die Pauschalvereinbarung von Anfang an nur mit der Behauptung angegriffen, die heilpädagogischen und psychologischen Leistungen im Kinderzentrum gehörten generell zu der von der Beklagten geschuldeten Krankenpflege; sie hat nicht mit der konkreten Zwecksetzung einzelner Leistungen in Bezug auf den Gesundheitszustand des betreuten Kindes argumentiert. Die Führung als „Musterprozeß” wäre sinnlos, wenn es der Klägerin um den einzelnen Behandlungsfall ginge. Vor den Tatsacheninstanzen hat die Klägerin zu den Einzelumständen der in Frage stehenden Maßnahmen oder auch zu ihrer typischen Zielrichtung nichts vorgetragen. Soweit in den Akten von Krankengymnastik die Rede ist, scheinen zusätzliche Unklarheiten zu bestehen. Zum Charakter der strittigen nichtärztlichen Leistungen hat das LSG nur festgestellt, daß es sich um heilpädagogische und psychologische Maßnahmen gehandelt habe; in welchem Umfang, mit welchem Ziel, oder ob überhaupt derartige Maßnahmen bei der Betreuung des Sohnes des Versicherten eingesetzt wurden, gibt das angefochtene Urteil nicht zu erkennen. Das Fehlen näherer Feststellungen ist im Revisionsverfahren nicht gerügt worden; vielmehr haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, auf die tatsächliche Abgrenzung zwischen gängigen Heilmitteln und den hier fraglichen Leistungen komme es aus ihrer Sicht nicht an. Schließlich hat die Klägerin auch im Erörterungstermin vom 11. November 1997 deutlich gemacht, daß sie ihre Ansprüche auf die generelle Verpflichtung der Beklagten zu sozialpädiatrischen Leistungen stützt. Im übrigen dürfte es kaum noch möglich sein, den Einsatz bestimmter Maßnahmen und ihre Zwecksetzung im Rahmen der Betreuung im Kinderzentrum zu ermitteln. Hierfür müßte auf die Unterlagen des Kinderzentrums und die Einschätzung der dortigen Ärzte und Therapeuten zurückgegriffen werden. Deren Auffassung von einer untrennbaren Einheit, die sich einer Einzelabrechnung entziehe, hat jedoch die Beklagte zu der bereits geschilderten Pauschalierung nach den Personalkosten bewogen.

Da die Klägerin ihr Begehren auf den Gesichtspunkt der unrichtigen Kostenpauschale beschränkt hat, braucht der Senat den aufgezeigten Fragen, die eine Zurückverweisung des Rechtsstreits hätten veranlassen können, nicht nachzugehen. Die von der Klägerin ausschließlich begehrte Kostenpauschale für heilpädagogische und psychologische Leistungen ist von der Beklagten nicht geschuldet, so daß das LSG die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen hat; die Revision kann ebenfalls keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 651695

SGb 1998, 308

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