Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.09.1998; Aktenzeichen L 3 AL 1900/96)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. September 1998 wird insoweit aufgehoben, als es einen Erstattungsanspruch wegen berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation abgelehnt hat.

Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger, ein überörtlicher Sozialhilfeträger, begehrt von der Beklagten Erstattung der Kosten der Heimunterbringung des Beigeladenen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte gemäß §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Bei dem im Jahre 1970 geborenen Beigeladenen bestand eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Eine im August 1987 begonnene Ausbildung zum Stahlbauschlosser brach er zum 31. Juli 1988 ab. Der Beigeladene wurde sodann ab Juli 1988 im Psychiatrischen Landeskrankenhaus E.… behandelt. Von Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 war er stationär in einem Heim untergebracht. Die Kosten der Heimunterbringung wurden vom Kläger gemäß § 43 BSHG getragen.

Mit Schreiben vom 7. September 1989 beantragte der Kläger nach § 91a BSHG für den Beigeladenen bei der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) oder Arbeitslosenhilfe (Alhi). In demselben Schreiben heißt es: “Der Leistungsberechtigte ist nach den Bestimmungen des BSHG verpflichtet, sich an den Heimkosten mit einem Kostenbeitrag in Höhe der Sozialleistung zu beteiligen. Wir machen deshalb unseren Erstattungsanspruch gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend. “Der Beigeladene meldete sich am 27. September 1989 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte ebenfalls Alhi. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 1989 mit der Begründung ab, daß der Beigeladene im letzten Jahr vor der Arbeitslosmeldung keine 150 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei. Der Kläger legte mit Schreiben vom 5. Februar 1990 der Beklagten eine Bescheinigung über den Krankengeldbezug des Beigeladenen in der Zeit vom 1. August 1988 bis 1. Juni 1989 vor und bat die Beklagte um nochmalige Entscheidung über einen Anspruch auf Alg oder Alhi. Mit Bescheid vom 22. Februar 1990 bejahte die Beklagte die Erfüllung der Anwartschaftszeit für das Alg, lehnte den Anspruch aber mit der Begründung ab, daß der Beigeladene nicht verfügbar sei und § 105a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) keine Anwendung finde. Gegen diesen an den Beigeladenen adressierten Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte ihm gegenüber mit Bescheid vom 5. Juli 1990 zurückwies. Weder der Kläger noch der Beigeladene erhoben hiergegen Klage.

Am 15. Juli 1993 hat der Kläger sodann Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zur Erstattung seiner Aufwendungen für die Heimunterbringung des Beigeladenen in Höhe der diesem zustehenden Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu verurteilen. Das SG hat durch Urteil vom 23. Mai 1996 die Beklagte verurteilt, die dem Kläger für die Heimunterbringung des Beigeladenen in der Zeit vom 27. September 1989 bis 30. Juni 1990 “entstandenen Aufwendungen in Höhe der für diesen Zeitraum zu gewährenden Leistungen nach dem AFG (Arbeitslosengeld/Anschlußarbeitslosenhilfe) im gesetzlichen Umfang zu erstatten”. Der Kläger mache zu Recht einen Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X geltend, der unabhängig von etwaigen Bescheiden der Beklagten an den Beigeladenen zu beurteilen sei . Dem Beigeladen en habe im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung des § 105a AFG in der streitigen Zeit ein Anspruch auf Alg zugestanden, weil er allein wegen der Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht verfügbar gewesen sei; § 105a AFG greife auch dann ein, wenn in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behinderung eine Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Maßnahme) durchgeführt werde.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 16. September 1998 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Beigeladene sei im streitigen Zeitraum nicht verfügbar gewesen. Nach § 105a AFG werde die Verfügbarkeit nur fingiert, wenn allein wegen der nicht nur vorübergehenden Minderung der Leistungsfähigkeit keine längere als eine kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausgeübt werden könne. Der Beigeladene sei hier aber wegen Teilnahme an einer Arbeits- und Beschäftigungstherapie nicht in der Lage gewesen, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Der Umstand, daß die Arbeits- und Beschäftigungstherapie im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung des Beigeladenen stehe, könne hieran nichts ändern. Auch könne ein Anspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte nicht aus §§ 56 ff AFG abgeleitet werden, weil es sich bei der Maßnahme nicht um eine berufliche, sondern eine rein medizinische Reha-Maßnahme gehandelt habe.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 105a Abs 1 Satz 1 AFG und des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). In der Zeit vom 27. September 1989 bis 30. Juni 1990 sei der Beigeladene verfügbar iS des § 105a Abs 1 AFG gewesen, weil auch das Hinzutreten weiterer Verfügbarkeitshindernisse – wie hier die Teilnahme an einer Reha-Maßnahme – die Verfügbarkeitsfiktion des § 105a AFG nicht entfallen lasse. § 105a AFG enthalte eine Nahtlosigkeitsregelung und könne vom Normzweck her nicht mit § 105b oder § 105c AFG verglichen werden. Das LSG habe auch gegen § 103 SGG verstoßen, weil nicht erkennbar werde, aufgrund welcher Feststellungen das LSG zu dem Schluß gekommen sei, daß es sich um eine rein medizinische Reha-Maßnahme gehandelt habe. Das LSG hätte vielmehr erst aufklären müssen, welche Ziele mit der Reha-Maßnahme verfolgt worden seien und welches therapeutische Konzept dem zugrunde gelegen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. September 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Der Beigeladene sei schon nicht erreichbar gewesen iS des § 1 der Aufenthaltsanordnung (AufenthaltsAnO). Im Antrag auf Alhi sei als Wohnanschrift vom Beigeladenen die Behinderteneinrichtung angegeben worden, in der die Therapie stattgefunden habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, daß Teilnehmer an einer Maßnahme unter der Anschrift des Maßnahmeträgers für das Arbeitsamt nicht unmittelbar erreichbar seien und deshalb Erreichbarkeit nicht vorliege. § 105a AFG könne diese Voraussetzung des § 1 Abs 1 AufenthaltsAnO nicht überwinden.

Der Beigeladene hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet, soweit er einen Erstattungsanspruch wegen eines Kostenbeitrages des Beigeladenen zu den Heimunterbringungskosten aus dessen Ansprüchen wegen Arbeitslosigkeit geltend macht. Hingegen war das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als das LSG auch einen Erstattungsanspruch des Klägers wegen berufsfördernder Leistungen zur Reha abgelehnt hat. Insoweit beruht das Urteil des LSG auf einer Verkennung des Streitgegenstands, weil der Kläger einen solchen Anspruch zu keiner Zeit prozessual geltend gemacht hat. Darüber durfte der Senat auch ohne Rüge entscheiden, weil es sich um eine Verletzung materiellen Rechts handelt (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, RdNr 6 zu § 123 mwN). Der Kläger hat – schon seit Beginn des Verwaltungsverfahrens – seinen Erstattungsanspruch gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X auf den Kostenbeitrag beschränkt, mit dem sich der Beigeladene an den Heimkosten in Höhe der Sozialleistung zu beteiligen habe (§ 43 Abs 1 iVm § 28 BSHG). Streitgegenstand des Rechtsstreits war bis zur Entscheidung des LSG ausschließlich der Sachverhalt der Heimunterbringung und die sich daraus ergebende Rechtsfolge einer möglichen Erstattung des Kostenbeitrags, den der Sozialhilfeträger vom Leistungsberechtigten erheben kann. Demgegenüber stellt der vom LSG unzulässigerweise (mit-)entschiedene Streitgegenstand auf einen anderen Sachverhalt ab, nämlich eine – neben der Heimunterbringung – zusätzlich erbrachte Eingliederungs- bzw Reha-Maßnahme (vgl § 40 Abs 1 BSHG). Dabei handelt es sich nicht um deckungsgleiche Tatbestände. Dies zeigt insbesondere schon der Umstand, daß in diesem Fall ein Erstattungsanspruch unmittelbar nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X zu prüfen wäre, der aber eine Gleichartigkeit der Leistungen der beiden Sozialleistungsträger und ein Verhältnis der Nach- und Vorrangigkeit dieser Leistungen voraussetzt (vgl dazu im einzelnen Urteil des Senats vom 25. Januar 1994, BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 8). § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X enthält demgegenüber eine Sonderregelung für Träger der Sozialhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge für den Fall, daß sie von dem Leistungsberechtigten Aufwendungsersatz geltend machen oder einen Kostenbeitrag erheben können. In diesen Fällen ist gerade keine Gleichartigkeit der Leistungen und – abgesehen von der allgemeinen Nachrangigkeit der Sozialhilfe – auch kein Vor- und Nachrangverhältnis der Leistungspflichten verlangt. Zweck des § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X ist es, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Leistungsberechtigten zu verhindern, soweit der Träger der Sozialhilfe von ihm Kostenersatz – wie hier gemäß § 43 Abs 1 BSHG – beanspruchen kann.

Der von Amts wegen zu beachtende Verstoß des LSG gegen § 123 SGG iVm § 153 SGG ist nicht deshalb überholt, weil der Kläger die Überschreitung seines Klagebegehrens im Revisionsverfahren nicht gerügt, sich dieses vielmehr durch eine Stellungnahme zur Frage des Charakters der vom Kläger – zusätzlich – erbrachten Maßnahme möglicherweise stillschweigend zu eigen gemacht hat (vgl hierzu BSG, Urteil vom 1. Dezember 1978 – 10 RV 19/78 –, unveröffentlicht). Hierin kann auch keine Klageänderung gesehen werden, sondern allenfalls die notwendige Begründung der Revision zu einem weiteren Streitgegenstand. Da eine solche Klageänderung gemäß § 168 SGG unzulässig wäre, ist eine Auslegung des Revisionsvorbringens im Sinne einer Klageänderung ausgeschlossen. Dies gilt auch für Fälle des § 99 Abs 3 SGG, wenn das Revisionsgericht über einen neuen Sachverhalt zu entscheiden hätte (BSGE 18, 12, 14 f) bzw wenn gerade die Sachverhaltsfeststellungen des LSG – wie hier – angegriffen werden.

Die vom Senat aufgehobene Entscheidung des LSG hinsichtlich des Erstattungsanspruchs wegen berufsfördernder Leistungen zur Reha erwächst mithin nicht in Rechtskraft. Dem Kläger bleibt es daher unbenommen, hinsichtlich dieses weiteren Sachverhalts bzw Sachvortrags, der Beigeladene habe sich im streitigen Zeitraum in einer berufsfördernden Reha-Maßnahme befunden, einen möglichen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X bei der Beklagten geltend zu machen. Freilich wird dabei zunächst die Erfüllung des Antragserfordernisses nach § 56 Abs 1 Satz 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (RehaAnO) vom 31. Juli 1985 idF der 14. Änderungsanordnung vom 6. Juli 1988 (ANBA 1988, Seite 1125) und die Fristenregelung des § 111 SGB X zu prüfen sein.

Soweit der Kläger gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X Erstattung wegen eines vom Beigeladenen geschuldeten Kostenbeitrags geltend macht, ist der Anspruch nicht begründet. Nach § 28 BSHG iVm § 43 Abs 1 BSHG kann der Kläger, auch wenn er die Kosten der Heimunterbringung zu tragen hat, den Beigeladenen zu einem Kostenbeitrag heranziehen, soweit dem Beigeladenen die Aufbringung der Mittel zumutbar ist. Vorliegend ist es ohne Bedeutung, ob über einen solchen Kostenbeitrag durch Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers zu entscheiden wäre, ob der Kläger einen solchen Bescheid gegenüber dem Beigeladenen erteilt hat und ob der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers aus § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X überhaupt erst mit der Entscheidung über den Kostenbeitrag entsteht (BSG SozR 1300 § 104 Nr 13).

Denn der Erstattungsanspruch des Klägers scheitert hier schon daran, daß die Beklagte Ansprüche des Beigeladenen auf Alg/Alhi bestandskräftig abgelehnt hat. Den im Leistungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen ergangenen Bescheid über den Leistungsanspruch hat der Kläger grundsätzlich zu akzeptieren. Wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist die Leistungspflicht des auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger grundsätzlich durch die gegenüber dem Leistungsempfänger ergangenen Bescheide begrenzt (BSG SozR 4100 § 105b Nr 6 im Anschluß an BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2; BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 8, Seite 19; vgl auch BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr 7, BSG SozR 3-2200 § 183 Nr 6 und BSG SozR 3-1300 § 112 Nr 2). Rechtsgrund für dieses Akzeptierenmüssen der ablehnenden Leistungsbescheide ist das im geltenden Recht vorgesehene gegliederte und auf dem Prinzip der Aufgabenteilung beruhende Sozialleistungssystem und letztlich die auf diesem System beruhende Verpflichtung der Sozialleistungsträger zur engen Zusammenarbeit gemäß § 86 SGB X (grundlegend hierzu BSGE 57, 146, 149 = SozR 1300 § 103 Nr 2, Seite 5 f). Allerdings bedeutet dies nicht, daß in Erstattungsverfahren allgemein jegliche inhaltliche Überprüfung der Entscheidung des anderen Leistungsträgers ausgeschlossen wäre. Vielmehr entfällt die “Bindungswirkung” eines Leistungsbescheids (ob insoweit von einer “Tatbestandswirkung” gesprochen werden kann, wie im Urteil des 9. Senats vom 23. Juni 1993 – BSG SozR 3-1300 § 112 Nr 2, Seite 5 –, ist zweifelhaft) etwa dann, wenn die Leistungen nicht aus Gründen des besonderen Leistungsrechts, sondern gerade wegen der Leistungsverpflichtung eines anderen Sozialleistungsträgers abgelehnt wurden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 28. September 1993 – 11 RAr 7/93 –, nicht veröffentlicht). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Ein weiterer Ausnahmefall ist von der Rechtsprechung des BSG dann angenommen worden, wenn der Leistungsbescheid offensichtlich unrichtig ist (BSGE 57, 146, 149 = SozR 1300 § 103 Nr 2; BSG SozR 1300 § 103 Nr 3). Ein Beharren des möglicherweise erstattungspflichtigen Leistungsträgers auf einer offensichtlich rechtswidrigen Entscheidung verletzt das in § 86 SGB X ausdrücklich festgelegte Gebot der engen Zusammenarbeit der Leistungsträger.

Ob im vorliegenden Fall die einen Anspruch des Beigeladenen auf Alg/Alhi ablehnenden Bescheide der Beklagten offensichtlich unrichtig waren, kann offenbleiben. Der ersatzbegehrende Leistungsträger kann sich auf eine offensichtliche Unrichtigkeit der Bescheide jedenfalls dann nicht berufen, wenn er – wie hier der Kläger – als Sozialhilfeträger berechtigt war, das Verwaltungsverfahren für den Hilfeempfänger selbst zu betreiben, und dieses auch tatsächlich betrieben hat. Nach § 91a Satz 1 BSHG kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Der Kläger hat hier von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und als gesetzlicher Prozeßstandschafter (zur Rechtsstellung des Sozialhilfeträgers gemäß § 91a BSHG im einzelnen BSG SozR 3-5910 § 91a Nr 1, Seite 5 mwN) für den Beigeladenen das Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten durchgeführt. Deren Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1990 war dabei sogar an den Kläger als Widerspruchsführer adressiert. Der Kläger hat diesen Bescheid sodann bindend werden lassen (§ 77 SGG) bzw nicht mit der Klage angefochten, wozu er gemäß § 91a Satz 1 BSHG als “erstattungsberechtigter” Leistungsträger gerade im Hinblick auf seinen Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X befugt gewesen wäre. In diesen Fällen kann der Sozialhilfeträger nach dem Gebot der engen Zusammenarbeit gemäß § 86 SGB X eine nochmalige Überprüfung der Sachlage auch bei offensichtlicher Unrichtigkeit der bisherigen Leistungsablehnung nicht verlangen, zumal er eine “offensichtliche” Unrichtigkeit der Leistungsablehnung im Regelfall erkennen kann und schon deshalb nicht auf eine Überprüfung ihrer Richtigkeit im Klageverfahren verzichten darf. Für dieses Ergebnis spricht im übrigen auch der Umstand, daß der Sozialhilfeträger an versäumte Verfahrensfristen gebunden ist, soweit er das Verfahren selbst betrieben hat (§ 91a Satz 2 2. Halbsatz BSHG). Ob in besonderen Fallkonstellationen etwas anderes gilt, etwa bei mißbräuchlicher Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung, so daß ein Akzeptierenmüssen unter dem hier maßgeblichen Gesichtspunkt des § 86 SGB X von dem eigentlich verpflichteten Sozialleistungsträger gerade nicht eingefordert werden dürfte, kann hier dahinstehen; denn ein solcher Fall liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 80

SGb 1999, 407

SozSi 2000, 241

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