Leitsatz

Eine Bruchteilsgemeinschaft kann nicht Unternehmer sein. Es liegen vielmehr zivil- und umsatzsteuerrechtlich durch die Gemeinschafter als jeweiliger Unternehmer anteilig erbrachte Leistungen vor (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 UStG, § 1 Abs. 2 VO zu § 180 Abs. 2 AO, § 370 AO, § 741 ff. BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte zusammen mit weiteren Personen Systeme zur endoskopischen Gewebecharakterisierung entwickelt. Die Erfindungen lizenzierten sie gemeinsam an eine KG, die ihnen für die Lizenzgewährung Gutschriften auf der Grundlage des seit 2007 geltenden Regelsteuersatzes von 19 % er­teilte. Die auf ihn entfallenden Lizenzgebühren ­versteuerte der Kläger demgegenüber nur nach dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Das für den Kläger zuständige FA erfuhr hiervon im Rahmen einer Kontrollmitteilung und erließ gegenüber dem Kläger geänderte Steuerbescheide. Hiergegen machte der Kläger u.a. geltend, dass nicht er, sondern eine zwischen ihm und den anderen Erfindern gebildete Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer und damit Steuerschuldner für die Lizenzgewährung gegenüber der KG sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das FG die Klage auch im zweiten Rechtsgang ab (FG München, Urteil vom 10.10.2017, 14 K 1548/17, Haufe-Index 11549971, EFG 2018, 578).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz. Danach ist der Kläger der leistende Unternehmer, der die auf ihn entfallenden Lizenzgebühren nach dem Regelsteuersatz zu versteuern habe. Anders als die Vorinstanz und entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung begründete der BFH dies aber damit, dass eine Bruchteilsgemeinschaft umsatzsteuerrechtlich nicht Unternehmer sein könne.

 

Hinweis

1. Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu Bruchteilsgemeinschaften (Gemeinschaften nach Bruchteilen gemäß §§ 741 ff. BGB) einen Vorsteuerabzug sowohl bei der Bruchteilsgemeinschaft als auch beim Miteigentümer (Gemeinschafter) als möglich angesehen.

a) Liegt eine steuerpflichtige Vermietung eines mehreren Personen gemeinsam gehörenden Gegenstandes vor, ging der BFH umsatzsteuerrechtlich von einer Vermietung durch die Gemeinschaft aus, sodass die Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer und damit zum Vorsteuerabzug berechtigt war (BFH, Urteil vom 25.3.1993, V R 42/89, BStBl II 1993, 729 und BFH, Urteil vom 29.4.1993, V R 38/89, BStBl II 1993, 734).

b) Wird der gemeinsame Gegenstand von den ­Gemeinschaftern jeweils eigenunternehmerisch genutzt, sah der BFH die Gemeinschafter aus der Eigennutzung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Umsatztätigkeit als zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt an (BFH, Urteil vom 1.10.1998, V R 31/98, BFH/NV 1999, 575, BStBl II 2008, 497).

2. Dies stieß auf wenig Gegenliebe bei der Finanzverwaltung, die nach zehn Jahren Bedenkzeit ­einen Nichtanwendungserlass hierzu veröffentlichte (BMF vom  9.5.2008, BStBl I 2008, 675). Die Gründe hierfür waren nicht bekannt. Möglicherweise ließ sich die Finanzverwaltung von der Vorstellung leiten, dass ein Vorsteuerabzug im Fall der gemeinsamen Vermietung eine Steuerrechtssubjektivität voraussetzt, die bei einer fehlenden ­Unternehmerstellung der Bruchteilsgemeinschaft einem Vorsteuerabzug bei den Gemeinschaftern entgegensteht.

3. Der BFH sah sich durch diesen Nichtanwendungserlass zu einer nochmaligen Prüfung der Gesamtproblematik veranlasst.

a) Ausgangspunkt war für den BFH dabei, dass sich die Person des Leistenden und des Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde ­liegenden Rechtsverhältnis bestimmt. Dieses Rechtsverhältnis ergibt sich regelmäßig aus den von den Beteiligten zivilrechtlich getroffenen Vereinbarungen.

b) Zivilrechtlich kann die nicht rechtsfähige Bruchteilsgemeinschaft aber keine Verpflichtungen begründen oder Berechtigungen erwerben. Wird der gemeinsame Gegenstand vermietet, liegt daher zivilrechtlich eine Vermietung durch die Gemeinschafter, nicht aber eine Vermietung durch die Gemeinschaft vor.

c) Dementsprechend geht der BFH nunmehr für diesen Fall – entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (s. oben 1.a)) – davon aus, dass die Leistung mit dem gemeinsamen Gegenstand anteilig durch die Gemeinschafter, nicht aber wie bisher durch die Gemeinschaft erbracht wird. Damit kommt es zu einer Vereinheitlichung der beiden vorstehend beschriebenen Fallgruppen; s. oben 1.a) und b). Diese Vereinheitlichung erfolgt aber entgegengesetzt zur Verwaltungsauffassung. Denn nach der BFH-Rechtsprechung ist nunmehr stets der Gemeinschafter die zum Vorsteuerabzug berechtigte Person. Der BFH hat sich dabei auch von Überlegungen zur eindeutigen Bestimmung des Steuerschuldners und zur Vollstreckbarkeit von Steuerbescheiden leiten lassen.

d) Die Neubeurteilung gilt für alle Bruchteilsgemeinschaften, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich die Gemeinschaft z.B. auf eine Erfindung oder ein Grundstück bezieht.

4. Damit stellen sich Folgefragen.

a) Nicht betroffen von der Rechtsprechungsänderung sind Personengesellschaften. Diese werden häufig als nicht rechtsfähig b...

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