Leitsatz

Die gerichtliche Überprüfung einer den Billigkeitserlass einer Kindergeldrückforderung betreffenden Behördenentscheidung hat u.a. zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflichten erfüllte. Dies erfordert jedenfalls nähere Feststellungen dazu, auf welchem Tatbestand die Kindergeldfestsetzung beruhte und worin die Mitwirkungspflicht bestand.

 

Normenkette

§ 68 Abs. 1 EStG, § 227 AO, § 11 SGB II, § 102 FGO, Art. 20 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin bezog Kindergeld für ihren 1990 geboren Sohn B. Am 5.1.2012 teilte B dem Jobcenter mit, er habe der Familienkasse am 14.10.2010 seinen Gesellenbrief übersandt.

Im Zeitraum Januar bis Juni 2011 wurde das Kindergeld für B vom Jobcenter bei der Einkommensberechnung des B nach SGB II berücksichtigt und auf die Sozialleistungen angerechnet.

Im Oktober 2011 hob die Familienkasse die Kind­er­geldfestsetzung ab Januar 2011 auf und forderte von der Klägerin die Rückzahlung des für Januar 2011 bis April 2011 gezahlten Kindergeldes i.H.v. 736 EUR, weil B eine Beschäftigung aufgenom­men habe, die den Anspruch auf Kindergeld aus­sch­ließe.

Der Erlassantrag wurde abgelehnt. Das FG gab der Klage statt; die Rückforderung sei aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.10.2017, 10 K 10109/13, Haufe-Index 11718693).

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse führte zur Aufhe­bung des FG-Urteils und Zurückverweisung der ­Sache. Im zweiten Rechtsgang hat das FG Feststellungen zum Inhalt und zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht zu treffen.

 

Hinweis

1. Das Urteil befasst sich wie die vorstehende Entscheidung mit den Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses von zurückgefordertem Kindergeld, das auf Sozialleistungen angerechnet wurde. Auf die dortigen Erläuterungen wird verwiesen.

2. Das FG hatte hier zutreffend entschieden, dass keine generelle Verpflichtung der Familienkasse zum Billigkeitserlass bestehe, wenn Kindergeld auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurde und es später mangels eines Kindergeldanspruchs zur Rückforderung des Kindergelds durch die Familienkasse kommt; im Billigkeitsverfahren sei vielmehr das Verhalten des Kindergeldberechtigten, des Sozialleistungsträgers und der Familienkasse zu würdigen und abzuwägen.

3. Das FG-Urteil wurde aufgehoben, weil die tatsächlichen Feststellungen nicht die Würdigung trugen, dass die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 68 Abs. 1 EStG erfüllt hatte.

Die finanzrichterliche Überzeugungsbildung ist revisionsrechtlich zwar nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften überprüfbar. Das FG hat aber im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat; dies muss auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruhen, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden.

Beanstandet wurde danach vom BFH die Annahme des FG, es liege im Streitfall keine Mitwirkungs‐ und Mitteilungspflichtverletzung der Klägerin vor, weil das Kind angeblich einen Gesellenbrief übersandt hatte. Beanstandet wurde weiter die Annahme, die Familienkasse habe mit dem Aufhebungsbescheid über Gebühr zeitlich zugewartet; insoweit fehlte es an der Darlegung des Berücksichtigungsgrundes der Kindergeldfestsetzung und der Bestimmung des Inhalts der Mitwirkungspflicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.9.2018 – III R 48/17

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