Leitsatz

1. Aufwendungen einer Krankenschwester für einen Lehrgang mit dem Ziel, Lehrerin für Pflegeberufe zu werden, sind als Werbungskosten anzuerkennen.

2. Eine Bildungseinrichtung ist als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG , § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG

 

Sachverhalt

Die 1967 geborene, als Krankenschwester ausgebildete Klägerin nahm ab Oktober 1995 bis September 1997 an einem Lehrgang (mit Vollzeitunterricht) einer privaten Krankenpflege-Hochschule teil, um Lehrerin für Pflegeberufe (Unterrichtsschwester) zu werden. Im Streitjahr 1995 machte sie bei einem Arbeitslohn von rd. 45.000 DM Werbungskosten i.H.v. rd. 6.200 DM (Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Arbeitsmittel, Studiengeld) geltend.

Das FA berücksichtigte nur 900 DM als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Die Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung dem Grund nach. Er kürzte aber die Fahrtkosten um rd. 600 DM, da die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuwenden war. Mangels Dienstreisen konnten zudem die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht anerkannt werden.

 

Hinweis

1. Das Besprechungsurteil knüpft zunächst an die neuere Rechtsprechung des VI. Senats an, wonach Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten darstellen (BFH, Urteile vom 4.12.2002, VI R 120/01, BFH-PR 2003, 97, zur Umschulung; vom 17. Dezember 2002, VI R 137/01, BFH-PR 2003, 98, zum berufsbegleitenden Erststudium; vom 27.5.2003, VI R 33/01, BFH-PR 2003, 345, zur erstmaligen Berufsausbildung; vom 22.7.2003, VI R 137/99, BFH-PR 2003, 416, Weiterbildung im nicht ausgeübten Beruf; vom 22.7.2003, VI R 50/02, BFH-PR 2003, 417, Universitätsstudium nach Abschluss eines Fachhochschulstudiums).

2. Zur Höhe der abziehbaren Erwerbsaufwendungen hat der BFH in einer weiteren Grundsatzentscheidung vom 29.4.2003, VI R 86/99, BFH-PR 2003, 296 allgemein dahin gehend entschieden, dass der berücksichtigungsfähige Umfang der Kosten nach den allgemeinen Vorschriften zu ermitteln ist. Die Sache wurde damals zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen insbesondere mit dem Hinweis, dass auch bei beruflichen Bildungsmaßnahmen die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu beachten ist, da auch eine Ausbildungsstätte eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. dieser Vorschrift sein kann.

3. Im Streitfall konkretisierte der BFH nunmehr, wann eine regelmäßige Arbeitsstätte – als ortsgebundener Mittelpunkt der auf Dauer angelegten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen – anzunehmen ist. Der BFH bekräftigte (nochmals), dass ein solcher Mittelpunkt auch eine Bildungseinrichtung (Universität, Fachhochschule usw.) sein kann, wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zweck eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird.

4. Im Streitfall konnte der BFH durcherkennen, da die tatsächlichen Feststellungen des FG ausreichten. In Anwendung der o.a. rechtlichen Grundsätze befand der BFH, dass eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG – zweifelsfrei – dann anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige bei einem längerfristigen (hier: zweijährigen) Lehrgang fast arbeitstäglich (hier: ca. 60-mal im Vierteljahr) zur Bildungsstätte fährt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.7.2003, VI R 190/97

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