Rz. 9

Nach der statischen Bilanztheorie, die erst später von Schmalenbach so bezeichnet wurde, besteht die Aufgabe der Bilanzierung in der Ermittlung des Reinvermögens. Die Zerschlagungsstatik des Reichsoberhandelsgerichts sieht in der Rechnungslegung ein Mittel zur Ermittlung des Schuldendeckungspotenzials. Die Annahme der Zerschlagung führt zu einem hohen Gläubigerschutz, da hier die Bilanzierung mit der Bewertung unter Ausklammerung des konkreten Nutzens für das Unternehmen zum schlechtestmöglichen Fall, d. h. den Einzelverkauf der Vermögensgegenstände, beruht. Demnach ist das Vermögen zu potenziellen Veräußerungswerten anzusetzen. Nach dieser älteren (juristischen geprägten) statischen Bilanztheorie hat die kaufmännische Bilanz primär „den Zweck, die Übersicht und Feststellung des Vermögensbestandes in einem bestimmten Zeitpunkte … zu bewirken“.[1] Durch Vergleich dieses Reinvermögensbestandes, bewertet zum gegenwärtigen „allgemeinen Verkehrswert“, zu verschiedenen Zeitpunkten lasse sich auch das „Resultat der Geschäftsführung“ der dazwischen liegenden Periode ermitteln.

 

Rz. 10

Im Gegensatz zur Zerschlagungsstatik steht die Fortführungsstatik Simons. Simon stellt die Sicht des Kaufmanns in den Vordergrund. Diesen interessiert vor allem, was die Unternehmung unter Zugrundelegung der Fortführungsannahme (going-concern) wert ist, und weniger der nur eventuell eintretende Insolvenzfall oder die Interessen der Gläubiger. Simon realisiert früh, dass eine unbedachte Fortführungskonzeption, z. B. durch eine umfangreiche Berücksichtigung immaterieller Vermögensgegenstände, in der Praxis schnell zu Willkür führen kann. Deshalb müssen Vereinfachungen vom bilanztheoretischen Wunschdenken in Kauf genommen werden, die der Objektivierung des Jahresabschlusses dienen. Die Gewinnermittlung hat nur eine untergeordnete Bedeutung. Der Periodenerfolg ergibt sich schlichtweg durch den Vermögensvergleich mit der Vorjahresbilanz. Zudem wurde diese stichtagsbezogene Brutto-Vermögensdarstellung noch durch besondere Vermögens- und Kapitalgliederungen und deren spezifische Bewertungsmaßstäbe verfeinert. Nach der weiterentwickelten statischen Bilanztheorie (z. B. Le Coutres „totale“ Bilanz) soll die Bilanz den Stand (Status) der Vermögens- und Kapitalwerte an einem bestimmten Stichtag darstellen, als nominelle Kapitalbestandsrechnung die finanzielle Konstitution und Situation der Unternehmung überwachen und das eingesetzte Kapital erhalten. Aus dieser Zwecksetzung werden beispielsweise die Forderungen nach strengem Stichtagsbezug, nach Einzelbetrachtung der Vermögensgegenstände und Schulden, nach klarer Bilanzgestaltung (Bruttoprinzip), nach tiefer, sachgerechter Gliederung und Bewertung nach dem Anschaffungskostenprinzip abgeleitet. Die Aufgabe der Gewinnermittlung kommt danach – im Gegensatz zur älteren Statik – allein der Gewinn- und Verlustrechnung zu, die als „Kapitaleinsatzbilanz“ gleichrangig neben der Beständebilanz steht.[2]

[1] ROHG v. 1873, Bd. XII, S. 17.
[2] Vgl. Federmann/Müller, Bilanzierung nach Handelsrecht und Steuerrecht, 13. Aufl. 2018, S. 148 f.

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