Rz. 32

Unter dem Aspekt der Erkennbarkeit wird man eher solche bilanzpolitischen Instrumente auswählen, die keine besonderen Angabe-, Ausweis- oder Berichtspflichten auslösen. Dies trifft zunächst auf die Ermessensspielräume zu, die bei der Bilanzierung und Bewertung unvermeidlich sind. Konkret geht es um sog. implizite Wahlrechte. Der Ansatz einer Rückstellung ist dann geboten, wenn gem. § 249 Abs. 1 HGB i. V. m. § 253 Abs. 1 HGB ein Ansatz nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Dies ist aber objektiv ebenso wenig zu bestimmen wie die Höhe von diesen Rückstellungen oder auch von (außerplanmäßigen) Abschreibungen und Wertminderungen.

 

Rz. 33

Die impliziten Wahlrechte haben für die Bilanzpolitik an Bedeutung gewonnen, da einerseits mit dem BilMoG weitere explizite Wahlrechte gestrichen wurden und andererseits Neuregelungen zu impliziten Bewertungswahlrechten geführt haben. Die folgenden wesentlichen impliziten Wahlrechte bestehen nach dem HGB:

 
Vorschrift Inhalt Anwendung mit dem Ziel der Ergebnisausweismaximierung
§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB Gebot der Vorsicht: Realisations- und Imparitätsprinzip Keine zu strenge Auslegung
§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB Zeitliche Abgrenzung von Aufwendungen und Erträgen Verschiebung der Erträge in die aktuelle und der Aufwendungen möglichst in eine andere Periode
§ 253 Abs. 1 HGB Abschätzung des Erfüllungsbetrags bei Rückstellungen (insb. z. B. die Trendannahmen bei Pensionsverpflichtungen) sowie deren Laufzeit Möglichst geringe Erfüllungsbeträge durch niedrige Trendannahmen
§ 253 Abs. 3 HGB Vornahme von außerplanmäßigen Abschreibungen Möglichst wenige außerplanmäßige Abschreibungen
§ 253 Abs. 5 HGB Zeitpunkt des Wegfalls der Gründe für vorgenommene außerplanmäßige Abschreibungen Möglichst frühzeitig
§ 254 HGB Bildung von Bewertungseinheiten Möglichst intensiv nutzen, um keine schwebenden Verluste berücksichtigen zu müssen
§ 255 Abs. 1 HGB Bemessung von Anschaffungs(neben)kosten Möglichst hoch
§ 255 Abs. 2a HGB Trennung von Forschungs- und Entwicklungskosten (Ansatzwahlrecht) Möglichst viel als (aktivierungsfähige) Entwicklungskosten
§ 256 a HGB Währungsumrechnung Möglichst viel zum Stichtagskurs
§ 274 HGB Bemessung der aktiven und passiven latenten Steuern (Aktiv: Ansatzwahlrecht) Möglichst hohe aktive latente Steuern, geringe passive

Tab. 4: Implizite Bewertungswahlrechte nach HGB

 

Rz. 34

Weil diesbezüglich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, braucht man – um ein bestimmtes Volumen an Ergebnisverbesserung zu erreichen – die einzelnen Spielräume i. d. R. nicht extrem in Anspruch zu nehmen, es genügt meistens ein maßvolles "Drehen an der Schraube". Probleme hinsichtlich der Durchsetzbarkeit gegenüber steuerlichen Betriebsprüfungen wird man bei ergebnisverbessernder Ausnutzung von Spielräumen kaum haben; eher können Einwendungen von Seiten des handelsrechtlichen Abschlussprüfers kommen.

Soll hingegen die Strategie zur bilanzpolitischen Maximierung des Verlusts verfolgt werden, um kurzfristig von Verlustrückträgen in den vorherigen (erfolgreichen) Veranlagungszeitraum zu profitieren, müssen ebenfalls die Aspekte der steuerlichen Anerkennung und die grundsätzlich bestehende Methodenstetigkeit beachtet werden, wobei es hier deutlich mehr Spielräume gibt, da etwa die Corona-Pandemie bei vielen bisher verwendeten Methoden, z. B. für die Bestimmung von Pauschalwertberichtigungen oder Garantierückstellungen, als Bruch in der Zeitachse aufzufassen ist und ohnehin den Einsatz neuer Schätzungsmethoden erforderlich macht. Somit könnten außerplanmäßige Abschreibungen gut begründet und bilanzpolitisch motiviert deutlich höher eingeschätzt werden, um einen Verlust im Geschäftsjahr 2020 zu erhöhen.

Aufgrund der teilweise notwendigen Dokumentation ist der Übergang von den impliziten Wahlrechten zu den sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen fließend. Außerdem setzen einige impliziten Wahlrechte aufgrund der notwendigen Dokumentation einen zeitlichen Vorlauf im Geschäftsjahr voraus und sind daher nicht mehr erst bei der Abschlusserstellung auszuüben.

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