Rz. 10

Um bestandsgefährdende Risiken frühzeitig identifizieren zu können, bedarf es eines Risikoüberwachungssystems, welches jedoch zu einem Risiko- und Chancenmanagementsystem[1] zu erweitern ist, um die Vorteile der Früherkennung auch im Bereich der Chancen nutzen zu können und um eine aktive Steuerung der Risiken zu ermöglichen. Der Jahresabschluss spielt in diesem Zusammenhang zwei wichtige Rollen.

 

Rz. 11

Zum einen fungiert der Jahresabschluss als Indikator für die Krise, da die Überschuldung direkt und die weiteren Insolvenzauslösetatbestände zumindest indirekt dem Abschluss zu entnehmen sind. Der Jahresabschluss wird somit selber zum Früherkennungsinstrument, indem etwa durch entsprechende Analysen eine verschlechterte Rentabilität, abnehmende Liquidität oder strukturelle Ungleichgewichte offensichtlich werden. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang Plan-Jahresabschlüssen[2] zu, da diese nur intern bekannt sind und somit bei auftretenden Anzeichen einer Krise noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, die extern als solche nicht bekannt werden. Letztlich wird die Fortführungsprognose auch auf der Basis von (Plan-)Jahresabschlüssen erstellt. Darüber hinaus wird es nötig sein, die Abschlüsse intern aus dem Blick der Abschlussadressaten zu analysieren, wobei Erfahrungen aus durchlaufenen Ratingverfahren bei Kreditinstituten einfließen können.[3] Allerdings ist zu bedenken, dass der Jahresabschluss häufig erst relativ spät auf eine kritische Entwicklung hinzuweisen vermag. Bis sich beispielsweise eine sinkende Kundenzufriedenheit im Jahresabschluss niederschlägt, kann es ggf. Jahre dauern. Die Risikoidentifikation muss daher als kontinuierlicher Prozess das Unternehmen als Ganzes sowie das relevante Umfeld betrachten und bereits an qualitativen oder noch nicht monetarisierten Indikatoren ansetzen. Letztlich ist das Risikomanagement Teil einer ordnungsmäßigen Geschäftsführung, die jede Entscheidung an den Unternehmenszielen Erfolg und Liquidität unter Beachtung der dabei akzeptierten Risikolage ausrichtet.[4]

 

Rz. 12

Zum anderen muss der Jahresabschluss aber auch die Risiken zumindest in Teilen mit aufnehmen und darf ggf. nicht nach der Unternehmensfortführungsprämisse erstellt werden. Dabei müssen grundsätzlich gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB alle Risiken i. e. S. im handelsrechtlichen Jahresabschluss berücksichtigt werden, die bis zum Abschlussstichtag entstanden bzw. eingetreten sind.[5] Diese Risiken sind auch in monetärer Form in den Bilanzpositionen zu berücksichtigen, was insbesondere die Rückstellungen betrifft. Andere Beispiele für die Risikodarstellung im Jahresabschluss sind außerplanmäßige Abschreibungen. Des Weiteren sind bestimmte Eventualverpflichtungen angabepflichtig. Bei diesen Positionen geht es immer um einzuschätzende, zukünftige und wahrscheinliche Entwicklungen mit negativen Auswirkungen. Gleichwohl werden nicht alle Risiken abgebildet, da etwa im Anlagevermögen das Niederstwertprinzip lediglich gemildert zur Anwendung kommt. Daher ist die Risikodarstellung nach HGB zwar durch das Vorsichtsprinzip geprägt, aber aufgrund der unterstellten Prämissen oft nur sehr ungenau, was eine Interpretation der Daten deutlich erschwert.

[1] Vgl. Müller/Müller, Unternehmenscontrolling, 3. Aufl. 2020, S. 211–240.
[3] Vgl. Müller u. a., Finanzierung mittelständischer Unternehmen nach Basel III, 2. Aufl. 2011, S. 29–140.
[4] Vgl. Müller, Management-Rechnungswesen, 2003, S. 438.

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