Rz. 106

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist auch die Bilanzpolitik unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten zu beurteilen. D.h., bei der Entscheidung über den Einsatz der bilanzpolitischen Mittel darf nicht übersehen werden, dass die einzelnen Instrumente in unterschiedlichem Maß Kosten oder eventuell auch Mindererträge auslösen können. Dem sind die Vorteile der beabsichtigten Maßnahmen gegenüberzustellen.

 

Rz. 107

Die Kosten bilanzpolitischer Maßnahmen wurden in Verbindung mit den Sachverhaltsgestaltungen bereits ausgeführt.[1] Ein Kostenanfall kann u. a. auch durch folgende Vorgänge ausgelöst werden:

  • Gewinnung von Informationen über die für das Unternehmen bedeutsamen Normen des Bilanzrechts und die sich daran anschließenden Gestaltungsmöglichkeiten. Das bezieht sich insbesondere auf branchenspezifische Bilanzierungs- und Steuerfragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Information sich nicht nur auf die Geschäftsleitung bzw. auf die Leitung des Finanz- und Rechnungswesens beziehen sollte. In mittleren und größeren Unternehmen werden auch die Leiter anderer Fachabteilungen, von Zweigstellen, Projekten usw. über die ihren Bereich betreffenden rechtlichen Regelungen und deren Änderungen zu informieren sein, damit sie in der Lage sind, in ihrem speziellen Verantwortungsbereich bilanzpolitische Erfordernisse zu beachten.
  • Will man eine systematische Bilanzpolitik betreiben, so kommt es ferner darauf an, die Geschäftsvorfälle des Unternehmens und die einzelnen Sachverhaltsbereiche vollständig auf ihre bilanzpolitische Verwertbarkeit hin zu untersuchen.
  • Kosten können auch dadurch entstehen, dass bestimmte Maßnahmen die Schaffung umfangreicher Nachweise erforderlich machen, weil sonst die Anerkennung gefährdet ist. Man denke z. B. an Unterlagen zum Nachweis der Effektivität der nach § 254 HGB gebildeten Bewertungseinheiten,[2] Dokumentation über die nicht verlässlich mögliche Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens bzw. entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwerte bei Abschreibung über einen Zeitraum von 10 Jahren (§ 253 Abs. 3 Sätze 3 f. HGB) oder Unterlagen über die Inanspruchnahme aus Garantieverpflichtungen oder an die Erstellung sog. Minuslisten über Preisherabsetzungen im Einzelhandel. Aus steuerlicher Perspektive ist insbesondere die Anwendung der Layer-Bildung bei Anwendung des Lifo-Verfahrens einschließlich der auf Ebene der Layer vorzunehmenden Teilwertabschreibungen zu nennen.[3]

    Kosten ergeben sich außerdem bei der Erstellung von Gutachten und der Inanspruchnahme von externen Beratungen zu zweifelhaften Bilanzierungsfragen, zur externen Ermittlung des Leistungsfortschritts bei langfristigen Fertigungsaufträgen im Falle der Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode (vgl. Rz. 41a) oder zur Wertfeststellung des beizulegenden Zeitwerts von Vermögensgegenständen, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, im Falle von Finanzinstrumenten bei gleichzeitig fehlenden Marktpreisen (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB i. V. m. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB und § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB). In diesem Zusammenhang sind auch die Kosten von (steuerlichen) Rechtsmitteln zur Durchsetzung bilanzpolitischer Maßnahmen zu nennen.

Diese Vorgänge führen hauptsächlich zu Personalkosten bzw. zu Kosten externer Berater.

 

Rz. 108

Betrachtet man die verschiedenen bilanzpolitischen Instrumente, so zeigen sich im Hinblick auf den jeweiligen Informationsbedarf durchaus signifikante Unterschiede:[4] Bei den Wahlrechten, deren Existenz den Fachleuten i. d. R. bekannt ist, ergibt sich normalerweise kaum zusätzlicher Informationsbedarf; der Einsatz solcher Instrumente kann unter Berücksichtigung der bilanzpolitischen Zielsetzungen unmittelbar vorgenommen werden. Anders ist es dagegen bei der Ausnutzung von Spielräumen, insbesondere von Individualspielräumen. Hier sind häufig stark einzelfallbezogene Informationen erforderlich, die u. U. erst zeitaufwändig und mühsam beschafft werden müssen, z. B. im Fall von außerplanmäßigen Abschreibungen (insbes. bei Schätzung künftiger Cashflows) oder die externe Beurteilung des Projektfertigstellungsgrads bei langfristigen Fertigungsaufträgen.

Entsprechendes gilt auch für viele Sachverhaltsgestaltungen. Die bilanziell gestaltbaren Sachverhalte sind aufzuspüren, was – speziell bei mittleren und größeren Unternehmen – eine ausreichende innerbetriebliche Kommunikation voraussetzt.[5]

 

Rz. 109

Was den Nutzen bilanzpolitischer Maßnahmen betrifft, so sind die Feststellung und der Vergleich mit den Kosten relativ einfach, wenn es sich um quantifizierbare Vorteile handelt. Das gilt hauptsächlich für den steuerlichen Bereich: Die Verringerung der Steuerbelastung bzw. der Zinsvorteil aus der Erzielung von Steueraufschüben ist im Allgemeinen ohne grundsätzliche Schwierigkeiten betr...

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