Rz. 104

Bilanzpolitische Maßnahmen können hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit sichere, d. h. unstreitige Maßnahmen sein; das ist etwa bei Wahlrechten und bei den meisten Sachverhaltsgestaltungen der Fall. Es kann sich aber auch um Maßnahmen handeln, die vor ihrer endgültigen Durchsetzung u. U. erst "erkämpft" werden müssen, z. B. im Rahmen der Jahresabschlussprüfung oder anlässlich einer steuerlichen Betriebsprüfung oder in einem steuerlichen Rechtsmittel. Dieser, mit einem mehr oder weniger großen Realisierungsrisiko behafteten Gruppe von Maßnahmen ist zu einem erheblichen Teil die Ausnutzung von Individualspielräumen und die eher selten oder erst in jüngerer Zeit vorkommenden Sachverhaltsgestaltungen, für die vergleichsweise wenig gesicherte Erkenntnisse über ihre Anerkennung vorliegen, zuzurechnen.

Bilanzrechtliche Risiken können insbesondere in folgenden Fällen bestehen:

  • Es bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, in welchem Ausmaß ein behaupteter Sachverhalt am Bilanzstichtag realisiert ist. Beispiel: In welchem Umfang sind die eine Teilwertabschreibung auslösenden wertmindernden Faktoren gegeben, z. B. bei Wertabschlägen auf Vorräte.
  • Die an einem gegebenen Sachverhalt anknüpfenden bilanzrechtlichen Konsequenzen werden unterschiedlich beurteilt: Beispiel: Einstufung bestimmter Umbauarbeiten an Gebäuden als Herstellungsaufwand oder als Erhaltungsaufwand.
  • Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalls gem. § 246 Abs. 3 Satz 2 HGB bzw. § 252 Abs. 2 HGB, der eine Durchbrechung des Stetigkeitsgebots rechtfertigt.
  • Beurteilung der Zulässigkeit einer Sachverhaltsgestaltung vor dem Hintergrund des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO). Hier sind insbesondere verschiedene Sachverhaltsgestaltungen zur Vermeidung der Anwendung der Zinsschranken-Regelung des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG zu nennen.[1]
  • Gegebenenfalls besteht das Risiko sogar darin, dass eine Maßnahme bei strenger Beurteilung als Bilanzfälschung oder Steuerstraftat gesehen werden kann.
 

Rz. 105

Das Kriterium der Sicherheit bilanzpolitischer Maßnahmen hat aufgrund der Verzinsung von Steuernachforderungen an Bedeutung gewonnen, denn solche Zinsen wird man nach Möglichkeit zu vermeiden suchen. Zudem sind Steuerzinsen auf steuerlich nicht abzugsfähige Steuern, z. B. Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuern, steuerlich gem. § 12 Nr. 3 2. Halbsatz EStG und § 10 Nr. 2 2. Halbsatz KStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Darüber hinaus besteht ein generelles Abzugsverbot von Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 AO (§ 4 Abs. 5 Nr. 8a EStG).

[1] Vgl. Kirsch, Der Konzern 2007, S. 662  ff.

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