Rz. 17

Da Bilanzpolitik meistens mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt, können zwischen den verschiedenen Zielen Widersprüche – Zielkonflikte – entstehen. Dabei lassen sich insbesondere die folgenden Arten von Zielkonflikten unterscheiden:

  • Zielkonflikte zwischen den einzelnen an der Unternehmung beteiligten Gruppen: Beispielsweise zählt hierzu der Konflikt zwischen Anteilseignern, die tendenziell an hohen Ausschüttungen interessiert sind, und den Gläubigern, die zwecks Erhalts der Unternehmenssubstanz und Sicherung ihrer Kredite an geringen Ausschüttungen und einer hohen Thesaurierung von Gewinnen in den Rücklagen interessiert sind.
  • Zielkonflikte innerhalb einer einzelnen an der Unternehmung beteiligten Gruppe: Beispielsweise sind Kleinaktionäre börsennotierter Unternehmen tendenziell an deutlich höheren Ausschüttungen als Großaktionäre interessiert. Zu dieser Kategorie von Zielkonflikten zählt auch, dass in mittleren und größeren Unternehmen auch divergierende Interessen der verschiedenen unternehmensinternen Gruppen bzw. Leitungsebenen existieren. Bilanzpolitik wird nicht nur von der Geschäftsführung betrieben. Auch die Leiter von Zweigniederlassungen, Sparten, Projekten, Baustellen und dergleichen agieren in ihrem Abrechnungsbereich bilanzpolitisch, weil sie eigene Ziele anstreben, z. B. Vermeidung von Rückfragen vorgesetzter Stellen, Gewährung von Tantiemen, Beförderungen, Zuweisung von Investitionsmitteln durch die Geschäftsleitung.[1]

    Die von Leitern der Zweigniederlassungen, Sparten u.ä. betriebene Bilanzpolitik erstreckt sich primär auf den jeweiligen von diesen verantworteten Bereich. Damit erlangt für diese vor allem die insbes. von kapitalmarktorientierten oder börsennotierten Kapitalgesellschaften bzw. Konzernen aufgestellte Segmentberichterstattung eine herausgehobene Bedeutung.

  • Zielkonflikte zwischen den Zielen einzelner an der Unternehmung beteiligter bzw. interessierter Personen. Dieser Zielkonflikt tritt beispielsweise bei mittelständischen Personengesellschaften auf. Hier sind die Anteilseigner zwar einerseits an einem hohen Ergebnis und an entsprechenden Entnahmen interessiert; andererseits wird ein niedriges Steuerbilanzergebnis zur Verringerung bzw. Verschiebung von Steuerzahlungen angestrebt. Insbesondere durch die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit (der Steuer- für die Handelsbilanz) können jedoch die rein steuerlichen Wahlrechte (zur Problematik des Begriffs vgl. Rz. 12) unabhängig vom Handelsrecht ausgeübt werden. Zudem können bei Personengesellschaften unterschiedliche Interessen zwischen Komplementären und Kommanditisten, insbes. in Bezug auf die Entnahmepolitik, vorliegen.
 

Rz. 18

Zur Lösung der Zielkonflikte gibt es grundsätzlich folgende Möglichkeiten:

  • Prioritätenbildung

    Das aus der Sicht des Unternehmens in der konkreten Situation dominierende Ziel wird realisiert. Die aus der teilweisen oder gänzlichen Nichtbeachtung anderer Ziele resultierenden Nachteile werden in Kauf genommen. Unter normalen Verhältnissen dominiert bei ertragskräftigen mittelständischen Unternehmen die steuerliche Zielsetzung. Dies kann sich jedoch, z. B. in einer Krisensituation, schnell ändern. Wenn es um die Existenz des Unternehmens geht, gewinnt die Bilanzoptik deutlich an Gewicht gegenüber steuerlichen Gesichtspunkten, um eine ausreichende Versorgung mit Krediten durch Kreditinstitute zu erreichen.

  • Durchschnitts- oder Kompromissbildung

    Die Interessen der Bilanzadressaten werden jeweils teilweise berücksichtigt. Die Strategie wird zumeist dann gewählt, wenn die einzelnen mit der Bilanzpolitik zu verfolgenden Ziele in Konflikt zueinander stehen, aber keines der Ziele vernachlässigt werden soll.[2]

  • Ergebnisglättung

    Eine Strategie der Ergebnisglättung bietet sich häufig sowohl aus finanzpolitischen als auch aus informationspolitischen Überlegungen an.[3] In wirtschaftlich guten Zeiten vermeidet eine an der Politik der Ergebnisglättung ausgerichtete Bilanzpolitik den Ausweis eines weit überdurchschnittlichen Ergebnisses. Durch die zumeist enge Ankoppelung der Dividendenausschüttung an den Ergebnisausweis werden auch die Dividendenzahlungen an die Anteilseigner nivelliert (vgl. auch Rz. 6).

    Aus informations- bzw. publizitätspolitischen Überlegungen lässt sich mit einer Strategie der Ergebnisglättung, die ggf. noch durch eine Politik der antizyklischen Rücklagenpolitik verstärkt werden kann (höherer Aufbau von Rücklagen in wirtschaftlich besseren Zeiten und geringerer Aufbau von Rücklagen oder auch Entnahme aus Rücklagen in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten), Stabilität der Unternehmensentwicklung demonstrieren.

    Darüber hinaus besitzt die Strategie der Ergebnisglättung zumindest bei Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleuten steuerliche Vorteile. Die durch die Ergebnisglättung bewirkte Nivellierung der Ausschüttungen kann eventuell Progressionsspitzen bei der Einkommensbesteuerung der Anteilseigner vermeiden helfen. Bei einer streng finanzmathematischen Überprüfung dieses Kalküls muss man allerdings auc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge