Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung des Gesellschaftsvermögens anhand von Bilanzierungsgrundsätzen. Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen verbotener Auszahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

a) Das gem. § 30 Abs. 1 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen ist nach den allgemeinen, für die Jahresbilanz geltenden Bilanzierungsgrundsätzen festzustellen; dabei sind Gesellschafterdarlehen auch im Fall eines Rangrücktritts stets zu passivieren.

b) Schadensersatzansprüche gegen einen GmbH-Geschäftsführer wegen gem. § 30 Abs. 1 GmbHG verbotener Auszahlungen (§ 43 Abs. 3 GmbHG) verjähren gem. § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren ab der jeweiligen Zahlung. Unterlässt der Geschäftsführer die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft gegen den Zahlungsempfänger (§ 31 Abs. 1 GmbHG) bis zum Eintritt der Verjährung dieser Ansprüche (hier § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG), wird dadurch nicht eine weitere Schadensersatzverpflichtung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG mit einer erst von da an laufenden Verjährungsfrist gem. § 43 Abs. 4 GmbHG ausgelöst.

 

Normenkette

GmbHG § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, 5, § 43 Abs. 2-4

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 30.11.2006; Aktenzeichen 6 U 330/06)

LG Koblenz (Entscheidung vom 08.02.2006; Aktenzeichen 5 O 154/05)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 1) wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 30.11.2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten zu 1) erkannt ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger ist Insolvenzverwalter der A. GmbH (nachfolgend Schuldnerin), deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagte zu 1) war. Weitere Gesellschafterin war seine Ehefrau, die Beklagte zu 2). Beide hatten im Oktober 1997 ein privates Darlehen i.H.v. ca. 550.000 DM bei ihrer Bank aufgenommen. Zur Rückführung dieses Darlehens zahlte die Schuldnerin in der Zeit von November 1997 bis Juni 2000 insgesamt 260.000 DM (132.935,89 EUR) auf das Bankkonto der Beklagten. Der - erst im Oktober 2001 erstellte - Jahresabschluss der Schuldnerin per 31.12.1996 wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag i.H.v. ca. 485.000 DM auf, wobei Gesellschafterdarlehen i.H.v. ca. 963.000 DM passiviert waren (Rev.Begr. S. 2 mit Hinweis auf BGHZ 171, 46 Tz. 1). Im September 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er beantragte am 30.12.2004 den Erlass eines Mahnbescheids gegen beide Beklagten wegen einer Hauptforderung von 132.935,89 EUR unter der Bezeichnung "private Darlehenstilgung aus Vermögen der A. GmbH vom 1.1.1997 bis 31.12.2003". Gleichzeitig beantragte er einen Mahnbescheid mit derselben Forderungsbezeichnung gegen den Beklagten zu 1) wegen einer Hauptforderung von 129.663,93 EUR. Beide Mahnbescheide wurden anschließend zugestellt.

[2] Mit seiner Klage hat der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern Rückzahlung der auf ihr Privatkonto geflossenen 132.935,89 EUR mit der Behauptung verlangt, die Schuldnerin habe den Betrag entweder als Darlehen an die Beklagten oder ohne Rechtsgrund geleistet. Die Beklagten haben dies mit der Maßgabe bestritten, dass es sich im Verhältnis zu ihnen um die Rückzahlung eines der Schuldnerin gewährten Gesellschafterdarlehens gehandelt habe. Weiter haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben. Das LG hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 15.338,76 EUR und den Beklagten zu 1) zu einer weiteren Zahlung von 117.597,13 EUR, jeweils nebst Zinsen, verurteilt. Die Berufung der Beklagten blieb im Wesentlichen erfolglos. Mit seiner - von dem erkennenden Senat zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte zu 1) die Beseitigung seiner Beschwer.

 

Entscheidungsgründe

[3] Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO), soweit durch das angefochtene Urteil zum Nachteil des Beklagten zu 1) erkannt ist.

[4] I. Das Berufungsgericht (dazu Dahl/Schmitz NZG 2008, 653) meint, es könne dahinstehen, ob die Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Forderung in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, in § 31 Abs. 1 GmbHG oder in § 812 BGB zu sehen sei. Die Zahlungen der Schuldnerin auf das Privatkonto der Beklagten hätten gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Wie in einem gegen den Beklagten zu 1) ergangenen Urteil des Berufungsgerichts vom 28.7.2005 (dazu BGHZ 171, 46) festgestellt, sei die Schuldnerin seit Ende 1996 insolvenzreif gewesen. Die Gesellschafterdarlehen von ca. 963.000 DM hätten Eigenkapital ersetzt und seien in der vorgelegten Überschuldungsbilanz per 31.12.1996, die einen Fehlbetrag von ca. 287.000 DM ausweise, mangels einer Rangrücktrittserklärung der Beklagten zu Recht passiviert worden. Rückzahlungsansprüche des Klägers aus § 31 GmbHG seien allerdings bis auf einen Teilbetrag von 5.112,92 EUR (wegen der von der Schuldnerin im Mai und Juni 2000 geleisteten Zahlungen von je 5.000 DM) verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG sei durch die von dem Kläger im Dezember 2004 beantragten Mahnbescheide wegen Unklarheit der Anspruchsbezeichnung (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) noch nicht gehemmt worden. Dies sei erst durch Zustellung der Anspruchsbegründung des Klägers am 19.4.2005 geschehen. Ungeachtet dessen und unabhängig von den Voraussetzungen einer "längeren Verjährungsfrist" gem. § 31 Abs. 5 Satz 2 a.F. GmbHG hafte der Beklagte zu 1) jedoch gem. § 43 Abs. 2 GmbHG für die Uneinbringlichkeit der verjährten Ansprüche, weil er als Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet gewesen sei, ihre Ansprüche gegen ihn und seine Ehefrau aus §§ 31 GmbHG, 812 BGB rechtzeitig vor Verjährungseintritt geltend zu machen oder den Kläger als Insolvenzverwalter dazu zu veranlassen. Der Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG sei von dem Ersatzanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG zu unterscheiden und verjähre erst fünf Jahre später als der letztere.

[5] II. Das Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[6] 1. Zu Recht rügt die Revision, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts schon die Annahme der Voraussetzungen eines Primäranspruchs der Schuldnerin bzw. des Klägers gegen den Beklagten zu 1) aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht zu tragen vermögen.

[7] a) Das angefochtene Urteil lässt nicht klar erkennen, von welchem Sachverhalt es ausgeht. Nach dem - prozessual maßgeblichen - Vortrag des Klägers sollen die Zahlungen der Schuldnerin auf das Bankkonto der Beklagten im Verhältnis zu ihnen "darlehensweise oder ohne Rechtsgrund erfolgt" sein. Beides haben aber die Beklagten mit der Maßgabe bestritten, dass mit den Zahlungen eines der Darlehen zurückgeführt worden sei, welche die Beklagten der Schuldnerin gewährt hätten. Feststellungen dazu fehlen. Aus den vorinstanzlichen Urteilen ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Kläger den Vortrag der Beklagten hilfsweise zu Eigen gemacht hat (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urt. v. 14.2.2000 - II ZR 155/98, ZIP 2000, 716m.Nachw.) und er den Beklagten zu 1) - wie die Revision meint - wegen unzulässiger Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen gem. §§ 30, 31 GmbHG analog (vgl. BGHZ 90, 370) in Anspruch nehmen will.

[8] Soweit der Kläger Zahlungen der Schuldnerin "ohne Rechtsgrund" behauptet, handelt es sich der Sache nach um Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen, die bei - hier gegebener - Einigkeit der Gesellschafter nur unter den Voraussetzungen des § 30 GmbHG unzulässig, aber nicht rechtsgrundlos i.S.v. § 812 BGB wären (vgl. BGHZ 148, 167, 171; 173, 1, 14 Tz. 30). Voraussetzung für etwaige Erstattungsansprüche der Schuldnerin bzw. des Klägers aus § 31 GmbHG wegen unzulässiger Entnahmen, die auch bei der Tilgung von Gesellschafterschulden mit Gesellschaftsmitteln vorliegen können (vgl. BGHZ 60, 330; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 30 Rz. 17), wäre jedoch der Nachweis, dass die Schuldnerin in den jeweiligen Zahlungszeitpunkten eine Unterbilanz aufwies. In diesem Fall wäre auch die von dem Kläger alternativ behauptete Darlehensgewährung der Schuldnerin entsprechend § 30 GmbHG unzulässig gewesen und ein sofort fälliger Rückforderungsanspruch gem. § 31 GmbHG entstanden (vgl. BGHZ 157, 72).

[9] Eine bilanzielle sogar insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin "seit Ende 1996" behauptet der Kläger zwar unter Hinweis auf das in einem Rechtsstreit zwischen dem Beklagten zu 1) und seiner Bank ergangene Urteil des Berufungsgerichts vom 20.7.2005. Darauf und auf eine in jenem Rechtsstreit vorgelegte "Überschuldungsbilanz" (mit einem Fehlbetrag von ca. 287.000 DM) stützt sich das Berufungsgericht auch in der vorliegenden Sache. Der erkennende Senat hat aber das genannte Urteil inzwischen durch Urteil vom 5.2.2007 (II ZR 234/05, BGHZ 171, 46) - u.a. wegen unzureichender Feststellungen zum Überschuldungszeitraum (a.a.O. Tz. 8 f.) - aufgehoben.

[10] b) Zu Recht rügt die Revision unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 5.2.2007, a.a.O., Tz. 9, dass aus der Überschuldungsbilanz per Ende 1996 nicht gefolgert werden könne, die - immerhin bis September 2003 weiter existierende - Schuldnerin sei im gesamten Zahlungszeitraum von November 1997 bis Juni 2000 überschuldet gewesen. Die Beklagten haben dies, was die Revisionserwiderung übersieht, ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils bestritten. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt dem Kläger.

[11] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revision kommt es allerdings für den vom Kläger geltend gemachten Primäranspruch wegen angeblich unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen (§§ 30, 31 GmbHG) - anders als für den Tatbestand einer Krise i.S.d. Eigenkapitalersatzrechts (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3.4.2006 - II ZR 332/05, ZIP 2006, 996) - weder auf eine Überschuldung i.S.v. § 19 InsO noch darauf an, ob die Gesellschafterdarlehen der Beklagten von ca. 963.000 DM Eigenkapitalersatzcharakter hatten und - wegen fehlendem Rangrücktritt der Beklagten - in einem Überschuldungsstatus der Schuldnerin zu passivieren wären (dazu BGHZ 146, 264). Das gem. § 30 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen ist vielmehr nach den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Grundsätzen festzustellen (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, a.a.O., § 30 Rz. 11 m.w.N.). Dabei sind Gesellschafterdarlehen nicht nur bei fehlendem Rangrücktritt (dazu BGH, Urt. v. 6.12.1993 - II ZR 103/93, BGHZ 124, 282, 284 m.w.N.), sondern stets zu passivieren (vgl. Scholz/Westermann, GmbHG, 10. Aufl., § 30 Rz. 24 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 30 Rz. 10). Das entsprach auch schon in der Zeit vor Erlass des - ohnehin nur den Überschuldungsstatus betreffenden - Senatsurteils vom 8.1.2001 (BGHZ 146, 264) ganz herrschender Meinung selbst für den Fall eines Rangrücktritts (vgl. BFH BStBl. II 1993, 502; Kleindiek in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts Rz. 7.20 m.w.N.).

[12] All das ändert aber nichts daran, dass es hier an hinreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG fehlt, weil aus der Bilanz per Ende 1996 nicht ohne Weiteres gefolgert werden kann, die Schuldnerin habe im gesamten Zahlungszeitraum eine Unterbilanz aufgewiesen. Dazu bedürfte es "dichterer" Feststellungen zu den jeweiligen Bilanzjahren. Die Sache ist insoweit nicht entscheidungsreif, weil den Parteien gem. § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit gegeben werden muss, zu den von ihnen und dem Berufungsgericht verkannten Gesichtspunkten in tatsächlicher Hinsicht vorzutragen.

[13] 2. Unrichtig entschieden und nicht entscheidungsreif ist die Sache auch hinsichtlich der Verjährungsfrage.

[14] a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann hier nicht offen bleiben, ob die von dem Kläger geltend gemachten Primäransprüche aus § 31 Abs. 1 GmbHG der fünfjährigen Verjährungsfrist gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG (i.V.m. Art. 229 § 12 Abs. 1, § 6 Abs. 3 EGBGB) unterliegen, oder ob stattdessen - wegen etwaiger "böslicher Handlungsweise" des Beklagten zu 1) i.S.v. § 31 Abs. 5 Satz 2 a.F. GmbHG - "eine längere Verjährungsfrist" eingreift. Unter den nach früherem Recht zur Anwendung der Regelverjährung (§ 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB) führenden Voraussetzungen des § 31 Abs. 5 Satz 2 a.F. GmbHG käme nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB die nunmehr zehnjährige Verjährungsfrist gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 n.F. GmbHG zur Anwendung (vgl. dazu Palandt/Heinrichs BGB, 67. Aufl. Art. 229 § 12 EGBGB Rz. 4 sowie zu § 19 Abs. 6 GmbHG BGH, Urt. v. 11.2.2008 - II ZR 171/06, ZIP 2008, 643 Tz. 16 ff.). Danach wären die etwaigen Erstattungsansprüche des Klägers aus § 31 Abs. 1 GmbHG insgesamt nicht verjährt. Sie wären dagegen, wie das Berufungsgericht selbst sieht, bei Anwendung der jeweils mit den einzelnen Zahlungen der Schuldnerin beginnenden fünfjährigen Verjährungsfrist gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG (i.V.m. Art. 229 § 12 Abs. 1, § 6 Abs. 3 EGBGB) großenteils verjährt. Das Gleiche gilt, wie nachfolgend auszuführen ist, für etwaige, mit § 31 Abs. 1 GmbHG konkurrierende Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der Schuldnerin aus § 43 Abs. 3 GmbHG im Hinblick auf die fünfjährige Verjährungsfrist gem. § 43 Abs. 4 GmbHG.

[15] b) Fehlgehend meint das Berufungsgericht, es komme auf die Voraussetzungen des § 31 Abs. 5 Satz 2 a.F. GmbHG nicht an, weil der Beklagte zu 1) als Geschäftsführer der Schuldnerin gem. § 43 Abs. 2 GmbHG dafür hafte, dass die durch die verbotenen Auszahlungen (§ 30 GmbHG) entstandenen Erstattungsansprüche der Schuldnerin gegen ihn selbst und seine Ehefrau aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht rechtzeitig vor deren etwaiger Verjährung gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG beigetrieben worden seien. Zu Recht rügt die Revision, dass die daraus gefolgerte Verdoppelung der Verjährungsfristen des § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG und des § 43 Abs. 4 GmbHG im Gesetz keine Grundlage findet.

[16] aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats beginnt die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen einen GmbH-Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2, 4 GmbHG mit der Entstehung des Anspruchs, d.h. mit Eintritt des Schadens dem Grunde nach, ohne dass der Schaden in dieser Phase schon bezifferbar sein muss; es genügt die Möglichkeit einer Feststellungsklage (BGHZ 100, 228, 231 f.). Auf die Kenntnis der Gesellschafter oder der Gesellschaft von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es - selbst bei deren Verheimlichung durch den Geschäftsführer - nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2005 - II ZR 112/03, ZIP 2005, 852). Die subjektive Anknüpfung des Verjährungsbeginns in § 199 Abs. 1 BGB gilt nur für die "regelmäßige" (§ 195 BGB), nicht aber für die spezialgesetzliche Verjährungsfrist gem. § 43 Abs. 4 GmbHG, die nach wie vor (vgl. § 198 Satz 1 BGB a.F.) mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt (vgl. § 200 Satz 1 BGB; GroßKomm/GmbHG/Paefgen, § 43 Rz. 158; Zöllner in Baumbach/Hueck/Noack, GmbHG, 18. Aufl., § 43 Rz. 57; Hüffer, 8. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 37; a.A. Michalski/Haas, GmbHG § 43 Rz. 233). Ebenso wenig entsteht dadurch, dass der Geschäftsführer gegen ihn gerichtete Schadensersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG verjähren lässt, erneut ein Schadensersatzanspruch (vgl. Zöllner/Noack, a.a.O., Rz. 59; OLG Köln NZG 2000, 1137).

[17] bb) Für Ansprüche nach der im vorliegenden Fall einschlägigen - von dem Berufungsgericht nicht erwähnten - Vorschrift des § 43 Abs. 3 GmbHG gilt nichts anderes. Diese Vorschrift regelt nur einen Sonderfall eines Schadensersatzanspruchs gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, wie aus dem Wort "insb." deutlich wird (vgl. Großkomm.GmbHG/Paefgen, a.a.O., § 43 Rz. 141; vgl. auch § 93 Abs. 3 AktG: "namentlich"; dazu Hopt in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 93 Rz. 239). Danach ist ein Geschäftsführer schon dann "zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht ... worden sind". Bereits in der gegen § 30 GmbHG verstoßenden Auszahlung liegt die haftungsbegründende Pflichtverletzung, wobei ein Verschulden i.S.d. § 43 Abs. 1 GmbHG (vgl. BGHZ 122, 336, 340) zu vermuten ist (vgl. BGHZ 152, 280, 284). Der Schaden der Gesellschaft liegt hier schon in dem Liquiditätsabfluss - ohne Rücksicht auf die damit zugleich entstehenden Erstattungsansprüche gegen den Zahlungsempfänger gem. § 31 Abs. 1 GmbHG (vgl. BGHZ 157, 72, 78; BGH, Urt. v. 9.12.1991 - II ZR 43/91, ZIP 1992, 1166 f.; Hüffer, a.a.O., § 93 Rz. 22 m.w.N.; Zöllner in Baumbach/Hueck/Noack, a.a.O., § 43 Rz. 48 f.). Ihre erfolgreiche Beitreibung kann zwar den genannten Auszahlungsschaden entfallen lassen (vgl. Hüffer, a.a.O.). Geschieht dies nicht, wird aber dadurch auch bei Uneinbringlichkeit des Anspruchs gegen den Zahlungsempfänger aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht erneut ein Schaden dem Grunde nach bzw. ein weiterer Schadensersatzanspruch gem. § 43 Abs. 2 GmbHG ausgelöst, sondern verbleibt es bei dem in § 43 Abs. 3 GmbHG geregelten Schadensersatzanspruch, der gem. § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren ab seiner Entstehung (durch die verbotene Auszahlung) verjährt.

[18] Da die Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG selbst bei Verheimlichen der schädigenden Handlung nicht erst mit dem Ende des Verschweigens beginnt (Senat, Urt. v. 21.2.2005, a.a.O.), kann durch Unterlassung entsprechender Hinweise gegenüber anderen Organpersonen oder dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft erst recht nicht eine erneute Verjährungsfrist in Lauf gesetzt werden. Die dem Berufungsgericht offenbar vorschwebenden Grundsätze der Sekundärverjährung bei der Anwalts- und Steuerberaterhaftung (vgl. BGHZ 94, 380) finden hier keine Anwendung.

[19] c) Das angefochtene Urteil stellt sich hinsichtlich der Verjährungsfrage auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar:

[20] aa) Handelt es sich, wie hier, um mehrere Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, die jeweils nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 GmbHG unzulässig sind, beginnt die Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG - ebenso wie diejenige gem. § 31 Abs. 5 GmbHG - mit der jeweiligen und nicht erst mit der letzten Zahlung (vgl. GroßKomm/GmbHG/Paefgen, a.a.O., § 43 Rz. 160; Hopt in Großkomm/AktG, a.a.O., § 93 Rz. 437).

[21] bb) Eine mit § 43 Abs. 3 GmbHG konkurrierende, der Regelverjährung (§ 195 BGB a.F., §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F.) unterliegende Haftung des Beklagten zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht, wie von dem erkennenden Senat in Fällen einer Vermögensentnahme ohne Willen der Mitgesellschafter angenommen (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1982 - II ZR 121/81, ZIP 1982, 1073; v. 14.9.1998 - II ZR 175/97, ZIP 1999, 240), scheidet hier in Anbetracht des einvernehmlichen Handelns der beiden Beklagten als alleinigen Gesellschaftern der Schuldnerin aus. Eine haftungsbegründende Treuepflichtverletzung ggü. der Gesellschaft liegt in der Mitwirkung an einer gegen § 30 GmbHG verstoßenden Zahlung nicht (BGHZ 142, 92, 96). Die darüber hinausgehenden Voraussetzungen einer Existenzvernichtungshaftung aus § 826 BGB (BGHZ 173, 246 "TRIHOTEL") sind ebenso wenig dargetan wie die Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten zu 1) aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB. Es kann daher hier offen bleiben, ob für die subjektive Anknüpfung des Beginns der Regelverjährung gem. § 199 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB (dazu BGHZ 171, 1, 7 Tz. 19 ff.) auf den Kenntnisstand des Klägers als Insolvenzverwalter abzustellen wäre.

[22] d) Eine abschließende Entscheidung zugunsten des Beklagten zu 1) in der Verjährungsfrage ist dem Senat verwehrt, weil es nach allem auf die von dem Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassene Tatfrage ankommt, ob dem Beklagten zu 1), wie von dem Kläger behauptet, eine "bösliche Handlungsweise" i.S.v. § 31 Abs. 5 Satz 2 a.F. GmbHG vorzuwerfen ist (vgl. oben II 2a).

[23] Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 136, 125, 131 m.w.N.) handelt ein Gesellschafter "böslich", wenn er die Auszahlung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit entgegennimmt, also weiß, dass bereits eine Überschuldung oder eine Unterbilanz besteht oder dass infolge der Auszahlung das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nunmehr angegriffen wird. Dies zu beurteilen, ist in erster Linie Sache des Tatrichters (vgl. auch BGHZ, a.a.O., S. 131 f.), und lässt sich gegenwärtig nicht abschließend beurteilen, weil schon die objektive Voraussetzung einer Unterbilanz im (gesamten) Zeitraum der Zahlungen der Schuldnerin nicht festgestellt ist (vgl. oben II 1b). Andererseits schließt die Tatsache, dass der Beklagte zu 1) den Jahresabschluss der Schuldnerin für 1996 erst im Oktober 2001 und weitere Bilanzen offenbar nicht aufgestellt hat, ein bösliches Handeln nicht zwangsläufig aus, das vielmehr auch dann vorliegen kann, wenn der Gesellschafter die Möglichkeit eines Verstoßes erkennt und sich weiterer Erkenntnismöglichkeit verschließt (vgl. Hachenburg/Goerdeler/W. Müller, GmbHG, 8. Aufl., § 31 Rz. 69).

[24] III. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen, ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, zu treffen. Soweit es darauf ankommen sollte, wird das Berufungsgericht auch die Ausführungen der Revisionserwiderung zur Frage einer Verjährungshemmung durch die beiden Mahnbescheide zu würdigen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2075929

BB 2009, 128

DB 2008, 2584

DStR 2008, 2378

NJW 2009, 68

NWB 2008, 4467

BGHR 2009, 182

EBE/BGH 2008

EBE/BGH 2009

EWiR 2009, 23

NZG 2008, 908

NZG 2009, 20

StuB 2009, 205

WM 2008, 2215

ZAP 2009, 13

ZIP 2008, 2217

DZWir 2009, 189

MDR 2009, 38

GmbHR 2008, 1319

KSI 2009, 36

NJW-Spezial 2008, 752

NotBZ 2009, 24

GmbH-Stpr. 2009, 55

KoR 2009, 87

Konzern 2009, 113

SJ 2009, 40

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