Leitsatz (amtlich)

Pfändet der Gläubiger des Sicherungseigentümers die diesem sicherungsübereignete bewegliche Sache, so hat der Sicherungsgeber ein Widerspruchsrecht nur bis zu dem Zeitpunkt, von dem an der Sicherungseigentümer die Sache verwerten darf.

 

Normenkette

ZPO § 771

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Februar 1977 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen des Kaufmanns Edgar R… als Inhaber der Firma Edgar R… Mineralölgroßhandel in K…. Er macht nach § 771 ZPO die Unzulässigkeit einer auf Veranlassung der Beklagten am 16. Februar 1973 ausgebrachten Arrestpfändung in Einrichtungsgegenstände einer damals vom Gemeinschuldner durch einen Tankstellenverwalter betriebenen „RT”-Tankstelle in P… geltend. Die Pfandstücke hatte der Gemeinschuldner durch Vertrag vom 4. Dezember 1969 als Sicherung für mehrere Darlehen von insgesamt 1.440.000,– DM an die Firma „O… Finanz- und Handelsanstalt V…” (im folgenden: O…) sicherungsübereignet. Die O… war im Jahre 1964 durch einen Treuhänder für den Gemeinschuldner gegründet und im Öffentlichkeitsregister des Fürstentums Liechtenstein eingetragen. Aus Mineralölkäufen schuldete sie der Beklagten nach deren Behauptung 280.521,29 DM. Zur Sicherung dieser Forderung zuzüglich Nebenkosten hatte die Beklagte gegen sie einen dinglichen Arrest und zu dessen Vollziehung die Pfändung vom 16. Februar 1973 erwirkt. Zuvor war am 5. Februar 1973 über das Vermögen des Kaufmanns Edgar R… das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet worden, dem am 28. März 1973 das Anschlußkonkursverfahren folgte.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Drittwiderspruchsklage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision mußte Erfolg haben.

I.

Das Berufungsgericht läßt es dahingestellt, ob der Darlehens- und Sicherungsübereignungsvertrag vom 4. Dezember 1969 mangels eigener Rechtspersönlichkeit der O… unwirksam oder wegen Sittenwidrigkeit nichtig und die Zwangsvollstreckung in die Tankstelleneinrichtung schon deshalb unzulässig sei. Für die Revisionsinstanz ist deshalb entgegen der vom Kläger in den Vorinstanzen vertretenen Meinung zunächst davon auszugehen, daß die O… als vom Gemeinschuldner unabhängiges, selbständiges Rechtssubjekt Sicherungseigentümerin der streitigen Pfandstücke geworden und daß insbesondere der Vertrag vom 4. Dezember 1969 nicht mit Rücksicht auf die mit ihm erstrebten Steuervorteile sittenwidrig und damit nichtig war.

II.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein die Veräußerung hinderndes Recht (§ 771 ZPO) an den der O… sicherungsübereigneten Pfandstücken zu, weil die Sicherungsübereignung nur treuhänderisches, formelles Eigentum des Sicherungsnehmers – hier der O… – begründe und das Sicherungsgut nicht endgültig aus dem Vermögen des Sicherungsgebers ausscheide. Der Zweck der Übereignung – die Sicherung nur bis zur Höhe der zugrunde liegenden Forderung – verbiete es, das Sicherungsgut dem Zugriff von Gläubigern des Sicherungsnehmers zu unterwerfen. Deshalb sei das Widerspruchsrecht des Sicherungsgebers nicht von vorheriger Befriedigung des Sicherungsnehmers abhängig. Daß hier der Sicherungsfall infolge Zahlungsrückstandes des Gemeinschuldners zur Zeit der Pfändung unstreitig schon eingetreten gewesen sei, ändere nichts, weil die Zweckbindung des Sicherungsgutes dadurch nicht berührt werde. Wäre die Pfändung für die Beklagte zulässig, bestünde die Gefahr, daß sich der Pfändungsgläubiger für eine höhere Forderung befriedigen könne, als sie dem Sicherungsnehmer zugestanden hätte, und daß in diesem Falle der Sicherungsgeber hinsichtlich des seine Verpflichtung übersteigenden Verwertungserlöses auf einen schuldrechtlichen Ersatzanspruch gegen den Sicherungsnehmer beschränkt sei. Die Zubilligung des Widerspruchsrechts entspreche auch der Regelung über die Rechtsstellung des Sicherungsnehmers im Konkurs des Sicherungsgebers: ihm werde kein Aussonderungsrecht, sondern nur ein Absonderungsrecht gewährt. Daraus gehe hervor, daß das Sicherungsgut nicht dem Vermögen des Sicherungsnehmers, sondern dem des Sicherungsgebers zugerechnet werde.

Diese Begründung hält den Angriffen der Revision jedoch nicht stand.

2. Das auf der Sicherungsübereignung vom 4. Dezember 1969 beruhende Treuhandverhältnis konnte – wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt und wie in der Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. RG in st. Rspr., z.B. RGZ 79, 121; 91, 12, 14; ferner BGHZ 11, 37, 41) – für den jetzigen, Gemeinschuldner als Sicherungsgeber ein Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO begründen, wenn ein Gläubiger der O… in das Sicherungsgut zwangsvollstrecken wollte. Dieses Widerspruchsrecht besteht jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht unbeschränkt, sondern ist abhängig von der Entwicklung des Treuhandverhältnisses und der dadurch begründeten gegenseitigen Rechte von Sicherungsgeber und -nehmer. Im vorliegenden Fall führt die zur Zeit der Pfändung unstreitig eingetretene Verwertungsreife für das Sicherungsgut dazu, dem an die Stelle des Gemeinschuldners getretenen Kläger als Konkursverwalter die Geltendmachung des Widerspruchsrechts zu versagen.

a) Die von der Beklagten als Arrestvollziehung ausgebrachte Pfändung setzte wie jede Pfändung beweglicher Sachen Gewahrsam des Pfändungsschuldners – hier der O… – oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten voraus (§ 930 Abs. 1 i.V.m. §§ 808, 809 ZPO). Insoweit bestehen gegen die, Zulässigkeit der Pfändung keine Bedenken; denn der Tankstellenverwalter als Gewahrsamsinhaber war – wie das Pfändungsprotokoll ausweist – zur Herausgabe bereit.

b) Durch die Herausgabe an den Gerichtsvollzieher hat der Gemeinschuldner ein etwaiges, auf der Sicherungsübereignung beruhendes Widerspruchsrecht nicht eingebüßt. Ein Verzicht auf dieses Recht kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht der Gemeinschuldner selbst, sondern der Tankstellenverwalter als Besitzdiener die Pfandsachen herausgegeben hat.

c) Das Widerspruchsrecht des Klägers hängt, nach § 771 ZPO davon ab, ob ihm bzw. dem Gemeinschuldner zur Zeit der Pfändung ein die Veräußerung seitens des Pfändungsschuldners hinderndes Recht zustand. Als solches kommt im allgemeinen in erster Linie das Eigentum in Betracht, das aber hier der O… als, der Sicherungsnehmerin zustand.

aa) Inwieweit dennoch auch der Sicherungsgeber ein Widerspruchsrecht hat, ist im Schrifttum umstritten. Eine verbreitete Ansicht billigt ihm dieses Recht zu, weil das Sicherungsgut wirtschaftlich und materiell nicht aus seinem Vermögen ausscheide oder weil eine Verwertung für Gläubiger des Sicherungsnehmers dem auf bloße Sicherung gerichteten Zweck der Sicherungsübereignung widerspreche (so z.B. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 4. Aufl. Bd III Anh. zu § 368 Rdn. 216; Staudinger/Berg, BGB, 11. Aufl. § 929 Anm. 40; Soergel/Mühl, BGB, 10. Aufl. § 930 Rdn. 23; Erman/Westermann, BGB, 6. Aufl. Anh. zu §§ 929-931 Rdn. 11; Westermann Sachenrecht, 5. Aufl. § 43 IV 2; Palandt/Bassenge, BGB, 37. Aufl. Einf. vor § 929 Anm. 7 B b bb) ßßß; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 35. Aufl. § 771 Anm. 6 b ß; wohl auch Weber in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 398 Rdn. 142; nicht eindeutig, ob das Widerspruchsrecht von der Befriedigung des Sicherungsnehmers abhängig sein soll: Wolff/Raiser Sachenrecht, 10. Bearb. § 180 IV 2).

Nach anderer Auffassung ist das Widerspruchsrecht davon abhängig, daß der Sicherungsgeber die durch die Sicherungsübereignung gesicherte Forderung beglichen hat oder gleichzeitig begleicht, weil das Sicherungsgut nur dann wirtschaftlich seinem Vermögen zugerechnet werden könne (so z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 9. Aufl. § 771 Anm. 6 a) und e); Rosenberg Zivilprozeßrecht, 9. Aufl. § 185 III 2 b; Derleder, BB 1969, 725, 728; Weber, NJW 1976, 1601, 1605 zu e).

Andere Autoren billigen dem Sicherungsgeber zwar grundsätzlich das Widerspruchsrecht zu, jedoch nur bis zur Verwertungsreife des Sicherungsgutes, weil es nach diesem Zeitpunkt auch wirtschaftlich dem Vermögen des Sicherungsnehmers zuzurechnen und die Beschränkung auf den bloßen Sicherungszweck entfallen sei (so Schönke/Baur, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 8. Aufl. § 44 II 1 b bb); Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 771 II 1a; Lent/Jauernig Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 11. Aufl. § 13 IV 1 a; anscheinend auch Serick Bd III § 34 I 3 i.V.m. III 2 [S. 237], der zwar nicht ausdrücklich das Widerspruchsrecht begrenzt, seine Anerkennung aber damit begründet, daß der Sicherungsnehmer vor der Verwertungsreife gegenüber dem Sicherungsgeber an einer Veräußerung gehindert sei).

bb) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hatte – teils beiläufig, teils ausdrücklich – das Widerspruchsrecht des Sicherungsgebers auch vor der Befriedigung des Sicherungsnehmers anerkannt, ohne sich dabei allerdings mit der Bedeutung der Verwertungsreife für das Fortbestehen des Rechtes auseinanderzusetzen (RGZ 91, 12, 14 m.w.Rspr.-Nachw.). Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher nicht entschieden, sondern nur in Fällen uneigennütziger Treuhand, in denen es auf die Verwertungsreife nicht ankommt, auf das in Rechtsprechung und Literatur für solche Fälle anerkannte Widerspruchsrecht des Treugebers hingewiesen (BGHZ 11, 37, 41; Senatsurteil vom 7. April 1959 – VIII ZR 219/57 = LM ZPO § 771 Nr. 3 = NJW 1959, 1223).

cc) Die Entscheidung muß vom Sinn und Zweck der Vorschrift des § 771 ZPO ausgehen. Maßgebend ist, ob und wieweit der Pfändungsschuldner (Sicherungsnehmer) im Verhältnis zu dem widersprechenden Dritten (Sicherungsgeber) berechtigt ist, das Sicherungsgut zu verwerten (vgl. auch BGHZ 55, 20, 26 m.w.N.). Ein solches Recht steht dem Sicherungsnehmer jedenfalls so lange nicht zu, als nach dem Sicherungsvertrag das Sicherungsgut nicht verwertet werden darf. Ist danach der Sicherungsnehmer, in seinem Verwertungsrecht gegenüber dem Sicherungsgeber eingeschränkt, so rechtfertigt es sich auch, dem Sicherungsgeber grundsätzlich ein Widerspruchsrecht zuzubilligen, wenn Gläubiger des Sicherungsnehmers die Einzelvollstreckung in das Sicherungsgut betreiben. Daß umgekehrt auch dem Sicherungsnehmer nach überwiegender Ansicht (RGZ 124, 73; BGHZ 12, 232, 234 m.w.N.) ein Widerspruchsrecht gegen Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Sicherungsgebers zusteht, steht dem nicht entgegen. Dieses Recht des Sicherungsnehmers läßt sich aus der allgemein die „Veräußerung” durch Dritte „hindernden” Wirkung des Eigentums herleiten. Eine in der Sicherungsabrede begründete vertragliche Verwertungsbeschränkung zu Lasten des Sicherungsnehmers und damit ein Widerspruchsrecht des Sicherungsgebers wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Entfällt aber im Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und -nehmer dessen Beschränkung, darf er also das Sicherungsgut zwecks Befriedigung seiner Forderung verwerten, so läßt sich auch ein Verbot des Zugriffs durch Gläubiger des Sicherungsnehmers nicht mehr rechtfertigen. Da hier zwischen den Parteien nach ausdrücklicher Feststellung des Berufungsgerichts unstreitig ist, daß im Zeitpunkt der Pfändung für die Beklagte die Verwertungsreife zugunsten der O… infolge Zahlungsrückstandes des Gemeinschuldners bereits eingetreten war, hat der Kläger kein Widerspruchsrecht mehr.

Dieser Lösung widerspricht – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch nicht die Ausgestaltung der Rechte von Sicherungsgeber und -nehmer im Konkurs des Sicherungsgebers. Insbesondere läßt sich die Beschränkung des Sicherungsnehmers auf abgesonderte Befriedigung anstelle der Aussonderung nicht mit einer geringeren Wirkungskraft des Sicherungseigentums und entsprechend einer verstärkten dinglichen Stellung des Sicherungsgebers erklären. Grund für die Einschränkung im Konkurs ist vielmehr die aus der Interessenlage hergeleitete Erwägung, daß der Sicherungsnehmer nach Konkurseröffnung und dadurch eingetretener Fälligkeit seiner Forderung nicht sowohl das Eigentum als auch den vollen Betrag seiner Forderung geltend machen soll (RGZ 124, 73, 75; Rosenberg aaO § 185 III 2 b ß).

Das Berufungsgericht hat weiterhin ein Widerspruchsrecht des Sicherungsgebers auch deshalb verneint, weil sich andernfalls ein Pfändungsgläubiger, dessen Forderung höher ist als die des Sicherungsnehmers, auch wegen des Differenzbetrages befriedigen könne. Diese Erwägung bedarf hier keiner näheren Prüfung. Denn die Forderung der O… als der Sicherungsnehmerin gegenüber dem Sicherungsgeber war erheblich höher als die der Beklagten gegenüber der O… .

III.

Das angefochtene Urteil läßt sich daher nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung halten; es stellt sich auch nicht, aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Zwar könnte ein Widerspruchsrecht des Klägers nach § 771 ZPO auch auf andere Gründe gestützt werden als auf den Sicherungsübereignungsvertrag, insbesondere auf anfängliche Nichtigkeit des Vertrages oder auf seine konkursrechtliche Anfechtbarkeit. Das bedarf aber noch weiterer Aufklärung, da das Berufungsgericht diese Fragen ausdrücklich offengelassen hat.

Das angefochtene Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, dem auch die Kostenentscheidung für den Revisionsrechtszug zu übertragen war, weil der endgültige Erfolg der Revision noch nicht zu übersehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609725

BGHZ, 141

NJW 1978, 1859

JZ 1978, 723

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