Leitsatz (amtlich)

Die Umqualifizierung eines Miet- oder Pachtverhältnisses über ein Grundstück in funktionales Eigenkapital erstreckt sich grundsätzlich auf alle in dem Gebrauchsüberlassungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen des Gesellschafters. Soweit der Gesellschafter nach diesem Vertrag auch die Versorgung des Grundstücks – etwa mit Wärme, Wasser oder Strom – schuldet, ist er verpflichtet, die während der Krise der Gesellschaft dafür entstehenden Kosten zu tragen, und kann einen etwa aufgrund einer vertragsgemäß jährlich vorzunehmenden Abrechnung entstehenden Erstattungsanspruch nicht durchsetzen.

 

Normenkette

GmbHG §§ 30-31, 32a a.F., § 32b

 

Verfahrensgang

LG Dresden

OLG Dresden

 

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. November 1998 hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als die Kläger auf die Widerklage hin verurteilt worden sind, an den Beklagten 30.170,80 DM (Kläger zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner) sowie 3.835,45 DM (Kläger zu 2), jeweils zuzüglich Zinsen, zu zahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer zweier betrieblich genutzter Grundstücke mit einer Fläche von 14.810 qm, von denen Teile an die G. GmbH ab 1. April 1995 vermietet worden sind. Über das Vermögen dieser mit einem Stammkapital von 50.000,– DM ausgestatteten Gesellschaft ist am 6. Juni 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet, der Beklagte ist zum Verwalter bestellt worden. Die Stammeinlagen halten mit je 20.000,– DM der Kläger zu 1 und seine Ehefrau, mit 10.000,– DM der Kläger zu 2.

Seit November 1995 ist die Gemeinschuldnerin, die bis Mitte des Jahres 1995 mit einem Forschungsprojekt betreffend die galvanische Vernickelung und Verchromung von Gegenständen beschäftigt gewesen war, die Miete von monatlich knapp 18.000,– DM schuldig geblieben. Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens haben die Kläger das Mietverhältnis fristlos gekündigt und mit der Klage Räumung und Herausgabe der Mietgegenstände verlangt. Das Landgericht hat diesem Begehren entsprochen. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und Widerklage gerichtet auf Zahlung von 153.846,48 DM durch beide Kläger sowie auf Zahlung weiterer 18.500,– DM durch den Kläger zu 2, jeweils zuzüglich Zinsen, erhoben. Dabei geht es um Ansprüche auf Rückzahlung der für die Monate April bis Oktober 1995 seitens der Gemeinschuldnerin gezahlten Mieten, um die Bezahlung offener Rechnungen in Höhe von insgesamt 28.204,73 DM sowie um die Entrichtung des Kaufpreises von 18.500,– DM für einen von dem Kläger zu 2 von der Gemeinschuldnerin übernommenen Pkw. Die Kläger haben sich gegenüber dieser Widerklage u.a. hilfsweise mit der Aufrechnung mit einer Reihe von Gegenforderungen verteidigt.

Das Oberlandesgericht hat die Klage – rechtskräftig – abgewiesen und der Widerklage gegen beide Kläger i.H.v. 30.170,80 DM und gegen den Kläger zu 2 i.H.v. 3.835,45 DM nebst Zinsen stattgegeben. Dabei hat es angenommen, daß die Widerklageforderung gegen beide Kläger i.H.v. 78.276,55 DM gerechtfertigt sei, durch die erklärte Hilfsaufrechnung aber i.H.v. 48.105,75 DM erloschen sei; in gleicher Weise sei die von dem Kläger zu 2 erklärte Hilfsaufrechnung i.H.v. 14.664,55 DM begründet. Mit ihren Revisionen wenden sich die Kläger gegen diese Verurteilung und machen geltend, die von ihnen in der Vorinstanz abgegebenen Aufrechnungserklärungen müßten zur vollständigen Aufzehrung der Widerklageforderung führen, soweit das Berufungsgericht sie für begründet erachtet habe. Das Gesuch des Beklagten um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Anschlußrevision mit dem Ziel einer vollständigen Stattgabe des Widerklagebegehrens, ist mangels Erfolgsaussicht abgelehnt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet und führen, soweit die Kläger auf die Widerklage hin verurteilt worden sind, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Im Revisionsrechtszug stellen die Kläger nicht mehr in Abrede, daß es sich bei der Vermietung von Räumen und Grundstücksflächen an die Gemeinschuldnerin um eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung gehandelt hat und sie als vermietende Gesellschafter ab Eintritt der Krise den Anspruch auf Zahlung des Mietzinses nicht durchsetzen können, sondern dem Beklagten den Gebrauch auf Zeit unentgeltlich belassen müssen (st. Rspr., vgl. BGHZ 127, 1 ff. und 17 ff.; BGHZ 140, 147 ff.; Sen.Urt. v. 31. Januar 2000 – II ZR 309/98, ZIP 2000, 455).

Aufgrund des teilweise rechtskräftig gewordenen Berufungsurteils steht ferner fest, daß der Beklagte mit Rücksicht auf die i.H.v. 48.105,75 DM bzw. 14.664,55 DM durchgreifenden Aufrechnungserklärungen der Kläger von diesen als Gesamtschuldnern nicht mehr als 30.171,80 DM und von dem Kläger zu 2 nicht mehr als weitere 3.835,45 DM nebst Zinsen fordern kann.

2. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die übrigen gestaffelt zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche der Kläger bestünden sämtlich nicht, hält dies nur teilweise der revisionsrechtlichen Prüfung stand, vielmehr ist zugunsten der Kläger für das Revisionsverfahren zu unterstellen, daß der gesamte auf die Widerklage hin ausgeurteilte Betrag von 34.006,25 DM (30.170,80 DM + 3.835,45 DM) durch die Aufrechnung erloschen ist.

a) Keinen Erfolg hat die Revision allerdings, soweit sie beanstandet, daß das Berufungsgericht die Aufrechnung der Kläger mit ihren auf §§ 812 ff. BGB gestützten Ansprüchen auf Rückzahlung zu Unrecht erstatteter Personalkosten – 30.808,87 DM – nicht hat durchgreifen lassen. Bei diesem Betrag handelt es sich um Zahlungen, welche die Kläger aufgrund des mit der Gemeinschuldnerin neben dem Mietvertrag geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages über die Verwaltung der gesamten Liegenschaft in den Monaten April bis Oktober 1995 erbracht haben. Auch wenn zugunsten der Kläger unterstellt wird, daß die Gemeinschuldnerin keinen Anspruch auf jene Zahlungen hatte, ist ihnen die Geltendmachung dieses lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Rückforderungsanspruchs verwehrt, weil es sich um eine durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierte Gesellschafterleistung handelt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist – von besonderen, hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGHZ 127, 336, 346 m.w.N.; Sen.Urt. v. 28. November 1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23) – anzunehmen, daß der Gesellschafter die wirtschaftlichen Umstände, welche die Umqualifizierung seiner Hilfe in funktionales Eigenkapital begründen, gekannt hat oder jedenfalls hat kennen können (BGHZ 127, 336; Sen.Urt. v. 28. November 1994 aaO; Sen.Urt. v. 19. Dezember 1994 – II ZR 10/94, ZIP 1995, 280; Sen.Urt. v. 15. Juni 1998 – II ZR 17/97, ZIP 1998, 1352). Wenn die Kläger diese Rückforderungsansprüche gleichwohl nicht geltend gemacht haben, müssen sie sich im Verhältnis zum Beklagten so behandeln lassen, als hätten sie sie der Gesellschaft gestundet.

b) Auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht nicht in der gebotenen Weise geprüften, sondern zu Unrecht als „nicht nachvollziehbar” bezeichneten Vorbringens der Kläger ist dagegen zu deren Gunsten zu unterstellen, daß der nicht berücksichtigte Anspruch auf Kostenerstattung von 782,34 DM besteht. Dieser Betrag ist nämlich von den Klägern mit der Berufungserwiderung unter Vorlage der Anlage B 19 in den Rechtsstreit eingeführt worden; aus dieser Anlage war ohne weiteres zu ersehen, daß von einem unstreitig bestehenden Kostenerstattungsanspruch ein Restbetrag von 782,34 DM von der im übrigen vorprozessual rechtswirksam erklärten Aufrechnung nicht erfaßt war und deswegen nunmehr als gegen die Widerklageforderung aufrechenbare Gegenforderung zur Verfügung stand.

c) Ebenso hat das Berufungsgericht, das bei etwaigen Zweifeln seiner Fragepflicht hätte nachkommen müssen, die von den Klägern erklärte Aufrechnung mit einer Kostenerstattungsforderung von 5.210,10 DM – anders als bei den unter II 2 b des angefochtenen Urteils behandelten Gegenansprüchen geschehen – zu Unrecht nicht durchgreifen lassen.

d) Verfahrensfehlerhaft ist ferner die Behandlung der Ersatzforderung wegen der von den Klägern aufgewandten Zwangsvollstreckungskosten von zusammen 549,12 DM. Nachdem der Beklagte zu diesem Gegenanspruch nicht ausdrücklich Stellung genommen hatte, hätte das Berufungsgericht, wenn es diese Position nicht schon als unstreitig bestehend behandeln wollte, seiner Hinweis- und Fragepflicht nachkommen und den Klägern Gelegenheit geben müssen, dazu Stellung zu nehmen, warum diese Kosten trotz der fehlenden Unterschrift der Gerichtsvollzieherin entstanden sind.

e) Mit Recht rügen die Revisionen weiter, daß das Berufungsgericht auch die Aufrechnung mit der Ersatzforderung gegen den Beklagten i.H.v. 21.801,93 DM nicht hat durchgreifen, sondern den Vortrag als nicht hinreichend bezeichnet hat.

Nach dem – mangels der gebotenen Feststellungen durch das Berufungsgericht als richtig zu unterstellenden – Vortrag der Kläger sind bei der Gemeinschuldnerin im Zuge ihrer Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Galvanisierung und Eloxierung bis Mitte 1995 große Mengen giftiger Lösungen entstanden, die in bestimmten Behältern oder Becken im Innern des gemieteten Gebäudes aufbewahrt wurden. Der Beklagte, der das Mietobjekt anderweitig vermieten wollte und ein zehnjähriges Nutzungsrecht nach Eigenkapitalersatzgrundsätzen beanspruchte, hat diese Flüssigkeiten in frostgefährdete Außenbecken abpumpen lassen, ohne gleichzeitig die Lösungen zu neutralisieren. Wegen der dadurch heraufbeschworenen Umweltgefahren hat die zuständige Behörde ihn als Handlungs- und die Eigentümer der Liegenschaft, die Kläger, als Zustandsstörer in Anspruch genommen. Zur Vermeidung der angedrohten Ersatzvornahme haben daraufhin die Kläger für 21.801,93 DM die Chemikalien beschafft, die erforderlich waren, um die giftigen Lösungen unschädlich zu machen.

Wie die Kläger mit Recht geltend machen, haben sie aus diesem für die Masse besorgten Geschäft einen Erstattungsanspruch erworben, mit dem sie gegenüber der Widerklageforderung die Aufrechnung erklären können, ohne daß sich der Beklagte mit Erfolg auf die erst rund ein Jahr später öffentlich bekannt gemachte Masseunzulänglichkeit berufen kann (BGHZ 130, 38, 47).

f) Entgegen der Ansicht der Kläger ist ihnen die Aufrechnung mit den für das Jahr 1996 und die Folgezeit entstandenen Ansprüchen auf Erstattung der Mietnebenkosten in einer Gesamthöhe von 25.301,73 DM verwehrt. Zwar sind für diesen Zeitraum – anders als für das Jahr 1995, für das die Kläger entsprechende Forderungen nicht erheben – die Grundsätze über die Umqualifizierung einer Gesellschafterhilfe in funktionales Eigenkapital durch Stehenlassen nicht anwendbar. Gleichwohl können sie von dem Beklagten Ausgleich dieser Kosten nicht verlangen. Der mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang stehende Einwand der Kläger, Rechtsfolge einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung sei allein ein Abzugsverbot der gewährten Hilfe, während sie als Gesellschafter zu darüber hinausgehenden Leistungen („Zuführungspflicht”) nicht verpflichtet seien (vgl. BGHZ 127, 17, 23), verhilft ihnen hinsichtlich der genannten Mietnebenkosten nicht zum Erfolg. Der Gemeinschuldnerin ist ein Teil des bebauten Grundstücks mitsamt der für den Betrieb des Oberflächenveredelungsunternehmens erforderlichen Versorgung – ausgenommen diejenige mit elektrischer Energie – vermietet worden. Gegenstand der in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Gesellschafterhilfe war deswegen nicht allein ein Grundstücksteil, für den die GmbH selbst die notwendigen Ver- und Entsorgungsverträge für Wasser, Entwässerung und Heizung schließen mußte, vielmehr hatten die Kläger als Vermieter für die Gewährung dieser Einrichtungen zu sorgen. Daß die im Laufe des Jahres tatsächlich angefallenen Verbrauchs- und Betriebskosten und die dafür erhobenen Abschlagszahlungen nachträglich abgerechnet werden mußten, beschränkte die Leistungspflicht der Kläger nicht, wie sie meinen, auf die Gebrauchsüberlassung allein des Grundstücks ohne die zugehörige Versorgung. Die Umqualifizierung dieser mietvertraglichen Pflichten in funktionales Eigenkapital erstreckte sich deswegen zwangsläufig auch auf die von den Klägern vertragsgemäß zur Verfügung gestellte Versorgung, für die sie während der Dauer der Krise ebensowenig wie für die „Grundmiete” Zahlung verlangen können.

g) Dagegen gilt anderes für die Erstattungsansprüche wegen der Stromkosten für das II. – IV. Quartal 1997 und das I. Quartal 1998 in einer Gesamthöhe von 11.300,60 DM, die von den Klägern ebenfalls vergeblich zur Aufrechnung gestellt worden sind. Aufgrund der zugunsten der Kläger gebotenen revisionsrechtlichen Unterstellung ist davon auszugehen, daß die Gemeinschuldnerin selbst für den Abschluß der notwendigen Versorgungsverträge zu sorgen hatte und daß sie auch dementsprechend verfahren ist. Die Kläger sind zur Bezahlung der Stromkosten erst herangezogen worden, nachdem der Beklagte den mit dem Energieversorger geschlossenen Vertrag gekündigt hatte. Da insofern – anders als bei den vorstehend unter f) behandelten anderen Kosten – nicht die Gebrauchsüberlassung einschließlich Stromversorgung geschuldet war, handelt es sich bei diesen Energiekosten um Aufwendungen, die im Sinne der Senatsrechtsprechung als eine nach dem Eigenkapitalersatzrecht nicht geschuldete Zuführung von weiteren Gesellschafterleistungen einzustufen sind.

h) Gegenüber der dem Beklagten zugesprochenen Gesamtforderung gegen beide Kläger von 34.006,25 DM können diese, wie danach zu ihren Gunsten revisionsrechtlich zu unterstellen ist, mit folgenden Gegenansprüchen aufrechnen:

782,34 DM

(Kostenerstattung, Restbetrag lit b)

5.210,10 DM

(Kostenerstattung, lit c)

549,12 DM

(Vollstreckungskosten, lit. d)

21,801,93 DM

(Chemikalienbeschaffung, lit. e)

11.300,60 DM

(Stromkosten, lit. g)

39.644,09 DM

Dieser Betrag übersteigt die zuerkannte Widerklageforderung, ohne daß bezüglich der Verurteilung der beiden Kläger unterschieden werden müßte, weil das prozessuale Verhalten der Kläger dahin zu verstehen ist, daß sie damit einverstanden sind, daß der Kläger zu 2 auch insoweit die Aufrechnung erklärt, als die Gegenforderung der Gesamthand zusteht.

II. Damit das Berufungsgericht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.06.2000 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

DStR 2000, 1401

DStZ 2000, 691

NJW 2000, 3565

Nachschlagewerk BGH

ZIP 2000, 1491

NZI 2000, 470

NZI 2001, 70

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