Leitsatz (amtlich)

Bei einer Kommanditgesellschaft ist eine gesellschaftsvertragliche Klausel nichtig, die einem Gesellschafter das Recht einräumt, die Gesellschaft nach freiem Ermessen mit der Wirkung zu kündigen, daß die das gemeinsame Unternehmen mittragenden Gesellschafter ausscheiden und das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven auf ihn übergeht (Ergänzung BGH, 1981-07-13, II ZR 56/80, BGHZ 81, 263).

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 9. Oktober 1984 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 9 für Handelssachen, vom 14. Oktober 1982 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte aus der Kommanditgesellschaft M. & T. zum 31. Dezember 1981 ausgeschieden und deshalb verpflichtet ist, sein Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter zum Handelsregister anzumelden.

Der im Jahre 1901 geborene Kläger gründete 1925 zusammen mit seinem Onkel, dem Kaufmann O. T., die offene Handelsgesellschaft M. & T. Nach dem Tode T. im Jahre 1951 führte er das Unternehmen zunächst als Einzelkaufmann weiter. 1952 trat sein Sohn als persönlich haftender Gesellschafter in das Geschäft ein. Der Beklagte trat 1969 als kaufmännischer Angestellter in das Gesellschaftsunternehmen ein; 1970 wurde er zum Prokuristen, 1971 zum Generalbevollmächtigten bestellt. Am 15. Dezember 1973 schlossen die Parteien, ihre Ehefrauen und der Sohn des Klägers einen Kommanditgesellschaftsvertrag mit den Parteien und dem Sohn des Klägers als persönlich haftenden Gesellschaftern und den Ehefrauen als Kommanditisten (die Ehefrau des Klägers mit einer Einlage von 100.000 DM, die Ehefrau des Beklagten mit einer Einlage von 1 Mio DM). Dabei wurden der Kläger und sein Sohn mit jeweils 43,75 %, der Beklagte und seine Ehefrau mit je 5 % und die Ehefrau des Klägers mit 2,5 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. Daneben erhielten die persönlich haftenden Gesellschafter besondere Geschäftsführervergütungen, der Kläger und sein Sohn in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern, der Beklagte in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt eines gleichaltrigen Landgerichtsdirektors. Jeder persönlich haftende Gesellschafter war verpflichtet, seine Arbeitskraft ausschließlich in den Dienst des Unternehmens der Gesellschaft zu stellen (§ 3 a, § 12 a Satz 1 des Gesellschaftsvertrages).

Nach § 6 ist der Gesellschaftsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und auf den Schluß eines Geschäftsjahres unter Einhaltung einer Frist von 9 Monaten kündbar. § 7 legt die Folgen einer Kündigung durch die einzelnen Gesellschafter fest. Hinsichtlich des Klägers ist bestimmt:

a) Im Falle der Kündigung des Vertrags durch Herrn O. H.F. M. scheiden die übrigen Gesellschafter der Kommanditgesellschaft aus, und Herr O. H.F. M. ist berechtigt, das Unternehmen der Gesellschaft allein unter Übernahme der Aktiven und Passiven unter der bisherigen Firmenbezeichnung ohne Liquidation fortzusetzen.

b) Herr O. H.F. M. ist in diesem Fall auch berechtigt, unter Znderung der Gesellschaftsform weitere Gesellschafter in die Firma aufzunehmen.

Zu diesen Gesellschaftern können auch Gesellschafter gehören, die infolge der Kündigung durch Herrn O. H.F. M. aus der bisherigen Kommanditgesellschaft ausgeschieden sind.

Mit gleichlautenden Schreiben vom 28. Januar 1981 an alle Gesellschafter machte der Kläger von dem Recht zur Kündigung der Gesellschaft Gebrauch. Er kündigte den Gesellschaftsvertrag zum 31. Dezember 1981 und erklärte, daß das Unternehmen unter Übernahme der Aktiven und Passiven ohne Liquidation von ihm nach § 7 a des Gesellschaftsvertrages fortgesetzt werde. Die Rechte aus § 7 b des Gesellschaftsvertrages behielt er sich vor. Am 17. Dezember 1981 erklärte er im Rahmen einer Vereinbarung mit den alten Gesellschaftern – ausgenommen den Beklagten – und G. H. M., in der die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses auf der Grundlage des Vertrages vom 15. Dezember 1973 beschlossen wurde, er mache von dem ihm zustehenden Recht in der Weise Gebrauch, daß er das Gesellschaftsverhältnis mit allen Vertragsschließenden – nicht aber mit dem Beklagten – fortsetze.

Der Beklagte hält die Regelung nach § 7 a und b des Gesellschaftsvertrages wegen Sittenwidrigkeit für nichtig und demgemäß die Kündigung vom 18. Januar 1981 in Verbindung mit dem Vertrag vom 17. Dezember 1981 als „Hinauskündigung ohne wichtigen Grund” für unwirksam. Er ist der Auffassung, daß er nach wie vor persönlich haftender Gesellschafter sei, und weigert sich, dem Verlangen des Klägers nachzukommen, sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden.

Landgericht und Oberlandesgericht haben auf den Antrag des Klägers den Beklagten verurteilt, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, daß er aus der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter ausgeschieden sei. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das Berufungsgericht hält die gesellschaftsvertragliche Regelung der §§ 6, 7 a und b und die mit dem Ziele, das Ausscheiden des Beklagten herbeizuführen, ausgesprochene Kündigung des Gesellschaftsvertrages für wirksam. Es sei nicht zu beanstanden, daß dem Kläger mit der Befugnis, alle anderen Gesellschafter durch Kündigung zum Ausscheiden zu zwingen, eine dominierende Stellung in der Gesellschaft eingeräumt worden sei. Es entspreche den üblichen Verhältnissen in Familiengesellschaften und der Struktur der Familie selbst, daß der „Seniorchef” das „Sagen” habe. Das Bemühen um „Minderheitenschutz” und „gleiches Recht für alle” sei lediglich geeignet, gewachsene Strukturen zu zerschlagen und damit die Wirtschaftskraft des Unternehmens zu schwächen. Es sei legitim, wenn sich der Gründer eines Unternehmens die Möglichkeit vorbehalte, das Unternehmen wieder an sich zu ziehen, wenn ihm dies notwendig erscheine.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß der Gesellschaftsvertrag einzelnen Gesellschaftern, hier dem Kläger als Gründergesellschafter, besondere Rechte einräumen kann, die ihm im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern eine „dominierende Stellung” verschaffen. Darum geht es im vorliegenden Falle jedoch nicht. Hier stellt sich die Frage, ob der Inhalt der dem Kläger eingeräumten Befugnis, die Mitgesellschafter nach freiem Ermessen – ohne Vorliegen sachlicher (gewichtiger) Gründe – aus der Gesellschaft auszuschließen, rechtlich zulässig ist. Das nach § 6 des Gesellschaftsvertrages jedem Gesellschafter zustehende – zulässige – Recht zur ordentlichen Kündigung ist (allein) zugunsten des Klägers mit Rechtswirkungen verbunden, die die Mitgesellschafter erheblich benachteiligen. Seine Kündigung des Gesellschaftsvertrages bewirkt, daß die Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden. Eine solche Gestaltung des Gesellschaftsvertrages, die die Entscheidung über den weiteren Verbleib seiner Mitgesellschafter in der Gesellschaft in das freie Ermessen eines einzelnen Gesellschafters (und damit in dessen Willkür) stellt, ist bei den hier gegebenen Verhältnissen nicht nur mit den Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts nicht vereinbar, sondern auch unter dem Blickpunkt des § 138 Abs. 1 BGB als unzulässig und damit nichtig zu erachten.

Von dieser Regelung werden nicht nur die beiden Kommanditisten betroffen, sondern auch die beiden neben dem Kläger in der Gesellschaft tätigen persönlich haftenden Gesellschafter, der Sohn des Klägers und der Beklagte, die seit 1952 bzw. 1973 die Gesellschaft mittragen. Dem kommt im Rahmen der Prüfung nach § 138 BGB besondere Bedeutung zu, weil der Beklagte – wie offenbar auch der Sohn des Klägers – nach dem Vorbringen der Parteien auf der Grundlage seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter seinen Beruf ausübt. Nach dem Gesellschaftsvertrag haben die persönlich haftenden Gesellschafter ihre volle Arbeitskraft dem Gesellschaftsunternehmen zur Verfügung zu stellen. Diese Stellung bildet ihren Lebensberuf und ihre Existenzgrundlage. Das gesellschaftsvertraglich festgelegte Recht des Klägers, nach freiem Ermessen über das Verbleiben der einzelnen Gesellschafter in der Gesellschaft zu entscheiden, hat demgemäß zur Folge, daß diesen auch die Grundlage des Berufs entzogen und in ihre Lebensgrundlage eingegriffen wird.

Ob gesellschaftsvertragliche Regelungen, die die Beteiligung frei entziehbar gestalten, in Fällen, in denen die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft die Voraussetzung für die Berufsausübung bildet, grundsätzlich nichtig sind (so Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I 1980, S. 387), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die vorliegende Regelung ist jedenfalls deshalb als unzulässig zu erachten, weil sie nicht nur die berufliche Tätigkeit und die Lebensgrundlage des Beklagten – und weiterer persönlich haftender Gesellschafter – zur freien Disposition eines Dritten stellt, sondern auch die Entschließungs- und Entscheidungsfreiheit der betroffenen Gesellschafter erheblich beeinträchtigt. Sie werden dadurch in eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht, die nicht mehr erträglich und hinnehmbar ist. Die vom Beklagten beanstandete Regelung geht damit über den Rahmen des rechtlich und sittlich Erlaubten (§ 138 BGB) hinaus und kann somit nicht wirksam sein:

Der erkennende Senat hat in seinem die freie Hinauskündigung eines Kommanditisten betreffenden Urteil vom 13. Juli 1981 (BGHZ 81, 263) im einzelnen dargelegt und begründet, daß die Befugnis, die Beteiligung eines Mitgesellschafters nach freiem Ermessen zu beenden, dazu führen kann, daß die das gemeinsame Unternehmen mittragenden Gesellschafter aus sachfremden – eventuell nur emotional bedingten – Gründen ausgeschlossen werden, und damit einer Willkürherrschaft in der Gesellschaft insgesamt Vorschub leisten kann. Die Macht, Mitgesellschafter ohne weiteres aus der Gesellschaft ausschließen zu können, setzt diese einem ihre Entscheidungsfreiheit beeinflussenden Druck aus, der die Gefahr begründet, daß sie unter dem Eindruck, der Willkür des ausschließungsberechtigten Gesellschafters ausgeliefert zu sein, von den ihnen nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag zustehenden Rechten keinen Gebrauch machen und ihren Gesellschafterpflichten nicht nachkommen, sich vielmehr den Wünschen des berechtigten Gesellschafters beugen.

Dem ist hier – im Rahmen der Beurteilung nach § 138 BGB – besonderes Gewicht beizumessen, weil das Gesellschaftsverhältnis im Unterschied zum reinen Austauschvertrag auf ein gedeihliches Zusammenwirken der Gesellschafter zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles angelegt ist. Die Personengesellschaft hat den Charakter einer Arbeits- und Haftungsgemeinschaft, beruht in besonderem Maße auf gegenseitigem Vertrauen und begründet deshalb eine besondere Treuepflicht. Schließlich müssen die dem einzelnen Gesellschafter im Rahmen des Gesellschaftsvertrages obliegenden Entscheidungen auch nach allgemeinen sittlichen Grundsätzen Ausfluß einer freien Willensbildung sein und unter sachgerechten Gesichtspunkten getroffen werden. Die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Zusammenarbeit der Gesellschafter würde im Kern getroffen und die Erfüllung der dem einzelnen Gesellschafter obliegenden Aufgaben gefährdet, wenn einzelnen Gesellschaftern das Recht eingeräumt würde, Mitgesellschafter nach freiem Ermessen aus der Gesellschaft auszuschließen.

Aus alledem folgt, daß die Bestimmung des § 7 a des Gesellschaftsvertrages wegen Verletzung wesentlicher Grundwerte unserer Rechtsordnung nach § 138 BGB nichtig ist. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung reicht auch die Tatsache, daß es sich hier um eine Familiengesellschaft handelt, die von dem Kläger mitgegründet und zur wirtschaftlichen Blüte gebracht worden ist, nicht aus, um einen so weitgehenden Eingriff in die Berufsausübung zu rechtfertigen und eine so starke persönliche Abhängigkeit zu begründen.

Damit fehlt die Grundlage für die mit Schreiben vom 28. Januar 1981 allen Gesellschaftern gegenüber erklärte Kündigung der Gesellschaft und Übernahme des Geschäfts mit allen Aktiven und Passiven. Die in diesem Schreiben enthaltenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Klägers (Kündigung und Übernahme) sind ausdrücklich auf § 7 a des Gesellschaftsvertrages gestützt und bringen eindeutig zum Ausdruck, daß nach dem Willen des Klägers beide Erklärungen miteinander stehen und fallen sollen.

3. Das angefochtene Urteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden.

Die Nichtigkeit des § 7 a des Gesellschaftsvertrages löst nach § 23 c des Gesellschaftsvertrages für alle Gesellschafter die Verpflichtung aus, „an die Stelle der für nichtig befundenen Bestimmungen umgehend eine neue zulässige und der alten im wirtschaftlichen Endergebnis möglichst nahekommende neue Regelung zu setzen”. Es liegt nahe, den Gesellschaftsvertrag in der Weise zu ergänzen, daß dem Kläger das Recht eingeräumt wird, die Mitgesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus der Gesellschaft auszuschließen. Ob dieses Ergebnis auch unmittelbar – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – erreicht werden kann, erscheint zweifelhaft, bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung. Die für den vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob der Beklagte aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, könnte unter keinen Umständen bejaht werden; denn es fehlt schon an der aus Gründen der Rechtsklarheit gebotenen Erklärung des Klägers, daß er den Beklagten aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft ausschließe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649031

NJW 1985, 2421

ZIP 1985, 737

DNotZ 1986, 42

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