Leitsatz (amtlich)

a) Leistet ein Gesellschafter von seiner in bar übernommenen Stammeinlage in das Vermögen der Vor-GmbH mehr, als er im Gründungsstadium mindestens aufzubringen hat, so hat er seine Einlageverpflichtung hinsichtlich des Mehrbetrages auch dann erfüllt, wenn dieser im Zeitpunkt der Eintragung der GmbH ins Handelsregister bereits verbraucht ist; soweit infolge des Verbrauchs das Stammkapital nicht mehr gedeckt ist, greift die Unterbilanzhaftung ein.

b) Der Anspruch aus der Unterbilanzhaftung verjährt in fünf Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister.

 

Normenkette

GmbHG § 11

 

Verfahrensgang

OLG Bremen

LG Bremen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 28. April 1988 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 2. Juli 1981 gründeten die Beklagten die H.C. Schmuckhandels GmbH, später Diamanttina Schmuckhandels GmbH. Vom Stammkapital von 50.000 DM übernahm der Beklagte zu 1 45.000 DM und der Beklagte zu 2 5.000 DM. Nach § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages waren die Stammeinlagen in Höhe von je 50% sofort, im übrigen auf Anforderung der Geschäftsführung einzuzahlen. Die Einlagen in Höhe von insgesamt 50.000 DM wurden der Gesellschaft auf einem bei der Bremer Landesbank unterhaltenen Konto am 28. Juli 1981 gutgeschrieben. Am 4. August 1988 wurde die GmbH ins Handelsregister eingetragen. Der am 25. April 1986 von der letzten Geschäftsführerin gestellte Konkursantrag wurde abgelehnt, weil die Masse die Kosten nicht deckte.

Die Klägerin vermietete der GmbH am 25. Januar 1985 Geschäftsräume. Am 29. Mai 1986 wurde die GmbH verurteilt, rückständige Geschäftsraummiete in Höhe von 14.250 DM an die Klägerin zu zahlen. Wegen dieser Forderung, 1.811,16 DM festgesetzter Kosten und 341,83 DM Kosten der Zwangsvollstreckung ließ die Klägerin durch Beschluß vom 17. Februar 1987 die Ansprüche der GmbH gegen die Beklagten auf Zahlung der Stammeinlagen pfänden und sich zur Einziehung überweisen.

Mit der Klage macht sie diese Forderungen geltend, gegen den Beklagten zu 1 allerdings beschränkt auf die Höhe ihrer Forderungen gegen die GmbH. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Beklagten ihre Verpflichtung, die Stammeinlagen einzuzahlen, erfüllt, als sie nach Gründung und vor Eintragung der GmbH 50.000 DM auf deren Konto bei der Bremer Landesbank überwiesen. Der Frage, ob die Geldleistung oder ein gleichwertiges, die Stammkapitalziffer deckendes Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Eintragung vorhanden war, ist das Berufungsgericht nicht weiter nachgegangen, weil in dem Falle – so das Berufungsgericht – allein die sogenannte Unterbilanzhaftung in Betracht käme. Der Anspruch daraus sei jedoch entsprechend § 9 Abs. 2 GmbHG nach Ablauf von fünf Jahren seit Eintragung der GmbH ins Handelsregister verjährt. Diese Ausführungen greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an.

2. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung, die Beklagten hätten nach Gründung und vor Eintragung der GmbH auf deren Konto bei der Bremer Landesbank 50.000 DM gezahlt. Sie macht vielmehr geltend, daß die Einlageverpflichtung nicht erloschen sei, soweit die Beklagten über die satzungsgemäße Mindesteinzahlungspflicht von 25.000 DM hinaus freiwillig mehr gezahlt hätten, und daß die im übrigen bestehende Unterbilanzhaftung – ähnlich wie die Einlagepflicht – erst in 30 Jahren verjähre.

a) Für ihre Ansicht, die Einlageverpflichtung sei nur teilweise erloschen, kann die Revision sich auf die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 83, 370; 149, 293, 302 ff.) und des Senats berufen. Nach ihr wird ein Gesellschafter, der während des Gründungsstadiums über die gesetzlich oder statutarisch vorgesehenen Beträge hinaus freiwillig Zahlungen auf seine Stammeinlage leistet, von seiner Einlageverpflichtung nur insoweit frei, als diese Zahlungen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung unverbraucht zur Verfügung stehen (vgl. BGHZ 37, 75, 77; 51, 157, 159; 80, 129, 137). Diese Rechtsprechung ist jedoch ebenso wie die zum sogenannten Vorbelastungsverbot überholt, seit einheitlich durch die Unterbilanzhaftung gewährleistet wird, daß das Stammkapital der GmbH im Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister unversehrt ist.

b) Der im Recht der Kapitalgesellschaften besonders wichtige und streng durchgeführte Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Nennkapitals verlangt, daß dieses der Gesellschaft, wenn sie mit der Eintragung ins Handelsregister entsteht, möglichst ungeschmälert zur Verfügung steht. Diesem sogenannten Unversehrtheitsgrundsatz trug die frühere Rechtsprechung zum einen dadurch Rechnung, daß sie eine automatische Vorbelastung neuer Kapitalgesellschaften mit Verbindlichkeiten aus dem Gründungsstadium nur insoweit zuließ, als die Vorbelastung gründungsnotwendig oder in der Satzung vorgesehen war. War auf diese Weise das Vermögen der entstehenden GmbH davor geschützt, durch Verbindlichkeiten gemindert zu werden, so mußte auf der anderen Seite gewährleistet sein, daß die Aktivwerte – namentlich die schon geleisteten Einlagen – der GmbH erhalten blieben. Ließ sich schon nicht ausschließen, daß der GmbH im Zeitpunkt der Eintragung die Sach- und die Mindestbareinlagen fehlten, weil Verluste sie zwischen Anmeldung und Eintragung aufgezehrt hatten, so sollten der GmbH wenigstens die Ansprüche auf Einlagen verbleiben, die von den Gesellschaftern freiwillig geleistet, bei Eintragung aber nicht mehr vorhanden waren. Dem Interesse der Gläubiger an der Unversehrtheit des Stammkapitals wurde damit der Vorzug gegeben vor dem Interesse der Gesellschafter, von der Leistungspflicht für freiwillig erbrachte, bei Entstehung der GmbH verlorene Einlagen befreit zu werden; die Gesellschafter, die im Interesse einer alsbaldigen Aufnahme der Geschäftstätigkeit und im Vertrauen auf den wirtschaftlichen Erfolg des gegründeten Unternehmens während der Gründungsphase freiwillige Mehrleistungen erbrachten, sollten das damit verbundene Risiko nicht auf die Gläubiger abwälzen dürfen, sondern selbst tragen (BGHZ 37, 75, 78). Diese Risikoverteilung gilt nach wie vor; nur gewährleistet seit dem Urteil des Senats vom 9. März 1981 (BGHZ 80, 129) die sogenannte Unterbilanzhaftung, daß das Stammkapital im Zeitpunkt der Eintragung im Interesse der Gläubiger unversehrt ist.

c) Ermächtigen die Gründer den Geschäftsführer übereinstimmend, bereits vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister den Geschäftsbetrieb aufzunehmen, so haben sie in Höhe der Differenz zwischen dem Stammkapital (abzüglich etwaiger Gründungskosten) und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung anteilig zu haften (BGHZ 80, 129, 140). Da diese Haftung nicht auf die Höhe des Stammkapitals beschränkt ist, vielmehr unbegrenzt jede darüber hinausgehende Überschuldung ausgleicht (vgl. Sen. Urt. v. 23. November 1981 – II ZR 115/81, WM 1982, 40), kommt es für sie nicht darauf an, worauf die Kapitallücke zurückzuführen ist, ob das Stammkapital durch Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft wertmäßig geschmälert oder ob es, weil von den Gesellschaftern schon vor Eintragung freiwillig aufgebracht, bis dahin verbraucht ist. Damit ist der Grund entfallen, der es rechtfertigte, die vor Eintragung der GmbH auf die Stammeinlage freiwillig geleisteten Zahlungen anders zu behandeln, als die, zu der die Gesellschafter nach § 7 Abs. 2 GmbHG verpflichtet waren (ähnlich Meister, FS. für Werner, S. 521, 531; Scholz/Winter, GmbHG 7. Aufl. § 7 Rdnr. 37; wohl auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG 7. II. Aufl. S 7 Rdnr. 42). Hinzu kommt, daß es auch sachlich nicht gerechtfertigt ist, den Gesellschafter, der im Gründungsstadium freiwillig eine Mehrleistung erbracht hat, anders zu behandeln als Gesellschafter, die erst die Mindesteinlage eingezahlt haben und gegen die wegen des Restes die spätere GmbH in ihren Bilanzen Einlageforderungen als Aktivvermögen ausweist. Sobald sich mit der Eintragung ins Handelsregister die Vor-GmbH in die GmbH als juristische Person umwandelt, gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge alle Aktiven und Passiven auf sie mit der Folge über, daß Gesellschafterleistungen, die in das Vermögen der Vor-GmbH erfolgt sind, sich regelmäßig auch im Vermögen der GmbH erhöhend auswirken; sei es auch nur, daß eine etwa bestehende Unterbilanz oder Überschuldung niedriger ausfällt, als sie ohne die Leistung ausgefallen wäre. Müßte der Gesellschafter, der freiwillig vorgeleistet hat, diese Leistung der eingetragenen GmbH nochmals erbringen, würde er insoweit einen Teil der Unterbilanz, die infolge seiner Vorleistung schon niedriger ausgefallen ist und für deren Rest alle Gesellschafter anteilig aufzukommen hätten, allein ausgleichen, also seinen Mitgesellschaftern in diesem Umfange die anteilige Haftung abnehmen und damit mehr zahlen als sie. Diese Ungleichbehandlung wird vermieden, wenn der Verbrauch des Vermögens ebenso wie dessen Belastung mit Verbindlichkeiten durch eine im Zeitpunkt der Eintragung einsetzende Unterbilanzhaftung ausgeglichen wird.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die GmbH, als sie entstand, keine Forderungen auf Zahlung der Einlage gegen die Beklagten hatte, sondern – wie vom Berufungsgericht unterstellt – Ansprüche auf Ausgleich einer Unterbilanz.

2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist dieser Anspruch, falls er besteht, verjährt. Das Berufungsgericht wendet auf die Unterbilanzhaftung § 9 Abs. 2 GmbHG entsprechend an, wonach die Nachzahlungspflicht bei einer Sachgründung in fünf Jahren seit Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister verjährt. Eingetragen wurde die GmbH am 4. August 1981; die Klägerin reichte die Klage erst am 31. März 1987 und damit nach Ablauf der Frist beim Landgericht ein. Die Revision vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß die Unterbilanzhaftung – ähnlich wie der Anspruch auf Zahlung der Stammeinlage – erst in dreißig Jahren verjähre. Der Senat teilt die Ansicht des Berufungsgerichts.

a) Die Revision verkennt, daß sich Ansprüche auf Ausgleich einer Unterbilanz und auf Zahlung der Einlage insofern wesentlich unterscheiden, als sich die auf das Stammkapital zu leistende Einlage nach Grund und Höhe ohne weiteres aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG) und auf diese Weise die vom Gesellschafter übernommene Verpflichtung noch nach Jahrzehnten in einem Rechtsstreit leicht bewiesen und somit durchgesetzt werden kann. Für die Ansprüche aus der Unterbilanzhaftung trifft das nicht zu, diese gleichen in diesem Punkt weit mehr dem Anspruch auf Ausgleich der Differenz bei der Sachgründung. Die vom Gesetzgeber für diesen Anspruch im § 9 Abs. 2 GmbHG bestimmte fünfjährige Verjährungsfrist beruht auf dem Gedanken, daß die ohnehin nicht einfache Bewertung einer Sacheinlage mit Zeitablauf noch schwieriger wird und daß erfahrungsgemäß nach fünf Jahren Klarheit besteht, ob sich zum Nachteil der Gläubiger ausgewirkt hat, daß die Sacheinlage überbewertet wurde. Diese vom Gesetzgeber zum Anlaß einer Verjährungsregelung genommenen Schwierigkeiten bestehen gleichermaßen, wenn es um die Frage geht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange im Zeitpunkt der Eintragung eine Unterbilanz vorhanden war. Ist es vielfach schon nicht leicht, die in der Vorbelastungsbilanz auszuweisenden Vermögensgegenstände zu bewerten, wenn die Bilanz unmittelbar nach Eintragung der GmbH aufgestellt wird, so wird die Beweisführung mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer schwieriger, wenn der Geschäftsführer entweder versäumt hat, eine Bilanz aufzustellen, oder wenn um die Höhe der Bilanzansätze einer aufgestellten Bilanz gestritten wird. Entsprechend der gesetzlichen Wertung ist es deshalb geboten, diesen Anspruch in derselben Frist verjähren zu lassen wie die Differenzhaftung bei der Sacheinlage (ebenso Hachenburg/Ulmer, GmbHG 7. II. Aufl. § 11 Rdnr. 91; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 11 Rdnr. 131; Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 11 Rdnr. 59; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 11 Rdnr. 9; Roth, GmbHG 2. Aufl. § 11 Anm. 2.3.2.; Priester, ZIP 1982, 1141, 1143; Fleck, GmbHR 1983, 5, 13). Wenn die Revision demgegenüber darauf abstellt, daß sich die Unterbilanzhaftung und die Differenzhaftung nach § 9 GmbHG rechtlich nicht nur in den Voraussetzungen (Wert der Sacheinlage einerseits, des Gesellschaftsvermögens andererseits; Stichtag der Anmeldung einerseits, der Eintragung andererseits), sondern auch in den Rechtsfolgen (Haftung des Sacheinlegers, anteilige Haftung aller) unterscheiden, so übersieht sie, daß keiner dieser unterschiedlichen Gesichtspunkte den gesetzgeberischen Grund für die Verjährungsregelung abgegeben hat.

b) Die Revision ist auch zu Unrecht der Meinung, die Gesellschafter handelten treuwidrig, wenn sie sich auf Verjährung beriefen, obwohl sie den Anspruch der GmbH nicht in die nach deren Eintragung aufzustellenden Erfolgsbilanzen aufgenommen und ihn durch deren Feststellung zugleich in einer die Verjährung unterbrechenden Weise Jahr für Jahr anerkannt hätten (vgl. hierzu Schulze-Osterloh, FS. für Goerdeler, S. 531, 547). Die GmbH bedurfte dieses Anerkenntnisses nicht. Ihr Geschäftsführer hatte fünf Jahre Zeit, den Anspruch geltend zu machen. Ließ er die Frist ungenutzt verstreichen, ohne daß die Gesellschafter zu erkennen gaben, den Anspruch nur in der Sache bekämpfen zu wollen, so handeln diese nicht treuwidrig, wenn sie sich auf Verjährung berufen (vgl. BGHZ 71, 86, 96). Die Klägerin hat als Pfändungspfandgläubigerin nicht mehr Rechte als die GmbH.

 

Fundstellen

BGHZ, 300

NJW 1989, 710

ZIP 1989, 27

DNotZ 1989, 516

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