Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Mindestanforderungen an Inhalt und Bestimmtheit eines Unternehmenskaufvorvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Mindestanforderungen an Inhalt und Bestimmtheit eines auf Abschluß eines Unternehmenskaufs gerichteten Vorvertrages.

 

Orientierungssatz

Erläuterungswerke zur Abfassung von Unternehmenskaufverträgen enthalten Kataloge von Fragen, über die zweckmäßigerweise zur Vermeidung von Unklarheiten und späterem Streit eine vertragliche Bestimmung getroffen werden sollte; ihnen ist nicht zu entnehmen, daß eine Regelung der im einzelnen genannten Punkte Wirksamkeitsvoraussetzung eines Unternehmenskauf(vor)vertrages wäre.

 

Normenkette

BGB Vorbem. zu § 145 ff., § 433

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 20.04.1988)

LG Stuttgart

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. April 1988 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Geschäftsführerin der Firma G. GmbH, L., Herstellerin von Sportartikeln (künftig: G. GmbH), sowie Inhaberin der Einzelfirma G. Vertrieb, Skibindungen, in B./Schweiz (künftig: G.-Vertrieb). Die G. GmbH hatte der G.-Vertrieb das Alleinvertriebsrecht für Skibindungen in der Schweiz bis zum 31. Dezember 1985 übertragen. Außerdem war die Klägerin Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile der Firma G. S. I. GmbH, L., der Beklagten zu 2.

Nachdem die G. GmbH und die Beklagte zu 1, eine französische Handelsgesellschaft mit Sitz in P., bereits am 28. Juni 1985 eine als „Vorvertrag” bezeichnete Vereinbarung getroffen hatten, nach der unter anderem der Erwerb der Geschäftsanteile der Beklagten zu 2 (Nr. 1 der Vereinbarung) und die Übernahme der G.-Vertrieb durch die Beklagte zu 1 (Nr. 8: „Die schweizer Firma ‚G.-Vertrieb, Skibindungen’ in B. soll von GBT bilanzneutral für ssf. 1,– übernommen werden.”) vorgesehen waren, schlossen die Beteiligten am 10. September 1985 vier verschiedene Verträge: Die Klägerin übertrug der Beklagten zu 1 ihre Anteile an der Beklagten zu 2. Die G. GmbH räumte der Beklagten zu 2 das Alleinvertriebsrecht für die den Geschäftsbereich Sport umfassenden Produkte im In- und Ausland ein. Die G. GmbH vereinbarte mit der Beklagten zu 1, daß diese auch die Fabrikation der zum G.-Sportbereich gehörenden Artikel in eigener Regie übernehmen sollte; die Beklagte zu 2 trat den Verpflichtungen der Beklagten zu 1 aus diesem Vertrag bei (§ 5). Nach einer „Vorbemerkung” zu diesem Vertrag sollten die verschiedenen – vorstehend und im folgenden genannten – Vereinbarungen „hinsichtlich ihrer Rechtswirksamkeit als einheitlicher Vertrag anzusehen” sein. Die Klägerin schloß mit der Beklagten zu 1 einen Vertrag folgenden Wortlauts:

„Frau V.-A. (Klägerin) verpflichtet sich, ihre Firma G.-Vertrieb, Skibindungen, mit dem Geschäftssitz in … B., zum 1.10.85 mit ausgeglichener Bilanz zum Preise von Sfr 1, auf GBT (Beklagte zu 1) oder einen von dieser benannten Dritten zu verkaufen. GBT bzw. ein von ihr zu benennender Dritter verpflichtet sich zum Ankauf der genannten Firma unter den vorstehenden Bedingungen.”

Aus dem zuletzt genannten Vertrag macht die Klägerin mit der Klage gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend.

Noch im September 1985 vereinbarten die Klägerin und die Beklagte zu 1, daß die Übernahme der G.-Vertrieb erst zum 31. Dezember 1985 erfolgen sollte. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1985 bestätigte der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 der G.-Vertrieb ein Gespräch über geplante Verkaufsmaßnahmen für das kommende Jahr und bot sechs namentlich genannten Mitarbeitern der G.-Vertrieb den Einstieg in die vorhandenen Arbeitsverträge an. Unter dem 7. November 1985 bat die G.-Vertrieb um Ausarbeitung der Verträge bis zu einem einige Tage später vorgesehenen Treffen. Nachdem die Klägerin die Beklagte zu 1 hatte auffordern lassen, die GEZE-Vertrieb zum 31. Dezember 1985 zu übernehmen, machte die Beklagte zu 1 Bedenken geltend, ob eine Übernahme aus Rechtsgründen möglich sei, und lehnte schließlich mit Schreiben vom 22. Januar 1986 die Übernahme ab. Die Klägerin hat die G.-Vertrieb inzwischen liquidiert.

Als Schaden aus der nicht erfolgten Übernahme der G.-Vertrieb, insbesondere wegen angeblicher Verluste aus dem Verkauf des Warenlagers sowie wegen der im Jahre 1986 bis zur Liquidierung weiterlaufenden Personalkosten und weiterer Kosten aus Miet-, Leasing- und Werbeverträgen sowie Zins- und sonstigem Aufwand, verlangt die Klägerin nach teilweiser Klagerücknahme und unter Verrechnung von Gegenforderungen der Beklagten zu 2 aus Warenlieferungen in Höhe von 110.415,10 DM einen Betrag von noch 59.090,92 DM nebst Zinsen. Sie macht geltend, die Beklagte zu 1 habe das Unternehmen der Einzelfirma G.-Vertrieb in seinem tatsächlichen und rechtlichen Bestand gekauft, die Beklagte zu 2 hafte als der von der Beklagten zu 1 im Sinne des Vertrages benannte „Dritte” und wegen Beitritts zu den eingegangenen Verpflichtungen für den Schaden mit. Die Beklagten wenden ein, es habe nicht das Unternehmen, sondern nur die Firma der G.-Vertrieb erworben werden sollen, auch habe bis zum geplanten Übernahmezeitpunkt den Angestellten gekündigt, das Warenlager verkauft und das Mietverhältnis beendet werden sollen; die Beklagte zu 2 hafte mangels eines Beitritts zu etwaigen Verpflichtungen der Beklagten zu 1 ohnehin nicht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geschlossenen Vertrag die „Bestimmbarkeit” fehle; so sei nicht nur unklar, welche Bilanz die Parteien gemeint hätten, ungeregelt sei auch, ob und in welchem Umfang Anlagevermögen und ein Warenlager – gegebenenfalls nach welchen Werten – sowie Forderungen und Verbindlichkeiten hätten übernommen werden sollen, ob die Klägerin von „Altverbindlichkeiten” habe freigestellt und die Beklagte zu 1 Gewährleistungsansprüche Dritter habe befriedigen und in Miet- und Leasingverträge habe eintreten sollen, ferner, ob die Klägerin einem Wettbewerbsverbot habe unterliegen sollen und die Beklagte zu 1 die Firma habe fortführen dürfen, schließlich, ob bei nicht ausgeglichener Bilanz die Klägerin übersteigende Passiva bzw. die Beklagte zu 1 übersteigende Aktiva durch Zahlung habe ausgleichen müssen. Eine richterliche ergänzende Vertragsauslegung komme nicht in Betracht, weil sie nicht Punkte betreffen dürfe, die so wesentlich seien, daß die Wirksamkeit des Vertrages nach dem Parteiwillen von einer Einigung hierüber habe abhängen sollen. Die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Klage in dem durch die teilweise Rücknahme eingeschränkten Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die als Vorvertrag zu beurteilende Vereinbarung vom 10. September 1985 über den Erwerb der schweizerischen Vertriebsfirma durch die Beklagte zu 1 sei unwirksam, gleichviel, ob an einen Vorvertrag hinsichtlich der Vollständigkeit der vertraglichen Regelungen dieselben Anforderungen wie an einen Hauptvertrag zu stellen seien oder ob es für die Wirksamkeit des Vorvertrages genüge, wenn die unvollständige Regelung nach dem mutmaßlichen Parteiwillen ergänzt werden könne. Bei isolierter Betrachtung der Vereinbarung fehlten erforderliche Regelungen zu den vom Landgericht aufgeführten Sachverhalten. Eine Ergänzung der unvollständigen Regelung sei nicht möglich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe. Die Vereinbarung vom 10. September 1985 sei auch dann nicht wirksam, wenn sie nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den anderen Verträgen gesehen werde, durch die der „Bereich Sport” der G. GmbH von der Beklagten zu 1 habe übernommen und durch die Beklagte zu 2 habe weitergeführt werden sollen. Daran ändere Nr. 8 des „Vorvertrages” vom 28. Juni 1985 nichts, weil hinsichtlich dieser Bestimmung die dargelegten Unwirksamkeitskriterien zu gelten hätten. Auch aus den anderen am 10. September 1985 geschlossenen Verträgen könnten die Regelungslücken in der Vereinbarung über den Erwerb der G.-Vertrieb nicht hinreichend sicher geschlossen werden. Der Umstand, daß alle Verträge der Übernahme des Sportbereichs durch die Beklagte zu 1 unter Weiterführung dieses Bereichs durch die Beklagte zu 2 hätten dienen sollen und die Übertragung der G.-Vertrieb dieses Vorhaben abzurunden geeignet gewesen sei, wobei die Übertragung der Vertriebsfirma keine vorrangige Bedeutung gehabt habe, ändere nichts daran, daß wesentliche Punkte nicht bestimmbar ungeregelt geblieben seien. So stehe es zum Beispiel mit der Frage der Übernahme des vorhandenen Warenlagers, des vorhandenen Personals, eines Wettbewerbsverbots der Klägerin, der Behandlung von Gewährleistungsansprüchen Dritter und des Eintritts der Beklagten zu 1 in bestehende Miet- und Leasingverträge. Auch die anderen zum Gesamtkonzept gehörenden Verträge enthielten insofern keine Regelungen, die auf den beabsichtigten Unternehmenskauf zu übertragen seien.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

1. Gegen die berufungsgerichtliche Wertung der Vereinbarung vom 10. September 1985 über den Erwerb der G.-Vertrieb als Vorvertrag wendet sich die Revision nicht ausdrücklich und erhebt insbesondere keine Verfahrensrügen. Diese dem Tatrichter obliegende Würdigung, die sich auf den Wortlaut der Vereinbarung („… verpflichtet sich, … zu verkaufen”, „… verpflichtet sich zum Ankauf …”) stützen kann, läßt Rechtsfehler nicht erkennen und ist der weiteren revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen. Die Natur der Vereinbarung als Vorvertrag hindert die Klägerin andererseits nicht, unmittelbar ihr Interesse an der Erfüllung des Hauptvertrages ersetzt zu verlangen (BGH Urteil vom 18. Januar 1989 – VIII ZR 311/87 = WM 1989, 445 unter II 1 m. Nachw.).

2. Nicht zu beanstanden ist auch der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsurteils, daß trotz Bindungswillens der Parteien das wirksame Zustandekommen eines Vertrages an der Lückenhaftigkeit seiner Regelungen und der Unausfüllbarkeit dieser Lücken scheitern kann (z.B. Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 154 Rdn. 6 m.Nachw.). Auch ein Vorvertrag muß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein solches Maß an Bestimmtheit oder doch Bestimmbarkeit und Vollständigkeit enthalten, daß im Streitfall der Inhalt des Vertrages richterlich festgestellt werden kann (BGH Urteile vom 17. Dezember 1952 – II ZR 19/52 = LM BGB § 705 Nr. 3; vom 31. Oktober 1956 – V ZR 157/55 = WM 1956, 1518 unter B II und vom 3. Juni 1958 – I ZR 83/57 = WM 1958, 1014, 1015). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung läßt sich hier indessen ein Fall unausfüllbarer erheblicher Regelungslücken nicht annehmen.

a) Ein Vorvertrag zu einem Kaufvertrag ist in der Regel hinreichend bestimmt, wenn Kaufgegenstand und Kaufpreis sowie die von den Vertragsparteien für wesentlich angesehenen Nebenpunkte geregelt sind oder sich bestimmen lassen (z.B. Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965, S. 122, 126 f). Diese Voraussetzungen erfüllt der schriftliche Vertrag vom 10. September 1.985: Er bestimmt die Personen von Verkäufer und Käufer sowie den Kaufgegenstand, möglicherweise auch seine Beschaffenheit („ausgeglichene Bilanz”), und nennt den Kaufpreis und den Übergabezeitpunkt. Daran ändert nichts, daß die Parteien Unterschiedliches darüber vortragen, welcher Kaufgegenstand mit der Bezeichnung „Firma G.-Vertrieb” gemeint gewesen sei, nämlich nach der Behauptung der Klägerin das gesamte Unternehmen, nach derjenigen der Beklagten nur der Firmenname. Dies rechtfertigt weder die Annahme eines Dissenses noch die mangelnder Bestimmtheit oder Vollständigkeit des Vertrages (zur Abgrenzung vgl. Henrich a.a.O. S. 127). Denn zum einen war nach dem Vorbringen einer jeden Partei die jeweils andere mit dem behaupteten Vertragsgegenstand einverstanden, ein Einigungsmangel also nicht gegeben. Zum anderen war der Kaufgegenständ – ob als Handelsunternehmen mit ausgeglichener Bilanz oder als bloßer Firmenname – in jedem Falle bestimmt oder zumindest bestimmbar. Eine andere Frage ist, welches Parteivorbringen zum Gegenstand ihrer Vereinbarung zutrifft, wie dies zu ermitteln ist und zu wessen Lasten eine Unaufklärbarkeit geht.

b) Die Wirksamkeit des Vertrages scheitert mithin unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Vollständigkeit nicht an einer unterbliebenen Regelung der Hauptpunkte eines Vorvertrages zu einem Unternehmenskauf. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind wesentliche andere Punkte ungeregelt geblieben. Dabei übergeht es indessen teilweise Vorbringen der Klägerin zu von ihr behaupteten mündlichen Vereinbarungen und läßt zum Teil auch das mögliche Eingreifen gesetzlicher Bestimmungen ungeprüft.

aa) Zur Frage einer Übernahme des Personals der G.-Vertrieb hatte die Klägerin behauptet, nach der Übereinkunft der Parteien hätten die Beklagten ihr einzelne Mitarbeiter, die sie nicht übernehmen wollten, rechtzeitig zur Kündigung benennen sollen, ansonsten – so ist der Vortrag sinnvollerweise zu verstehen – habe das Personal übernommen werden sollen. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht dieses Vorbringen nicht gewürdigt hat. Auch wenn die Revision einen übergangenen Beweisantritt der Klägerin nicht aufzuzeigen vermag, bedarf es der nachzuholenden tatrichterlichen Prüfung, ob nicht namentlich das Schreiben der Beklagten zu 2 vom 4. Oktober 1985, mit dem der Eintritt in die Arbeitsverträge verschiedenen Mitarbeitern der G.-Vertrieb angeboten wurde, den Rückschluß auf die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin erlaubt.

Das Berufungsgericht wird auch zu untersuchen haben, ob sich bei Durchführung des vorgesehenen Kaufvertrages die Rechtsfolge einer Übernahme des Personals durch den Käufer nicht unabhängig von einer Parteivereinbarung aus dem Gesetz ergeben hätte. Dabei wird es zunächst klären müssen, welches Recht auf den geplanten Übergang des schweizerischen Betriebes anwendbar ist. Im deutschen Recht sieht § 613 a BGB bei dem rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils auf einen neuen Inhaber dessen Eintritt in bestehende Arbeitsverhältnisse vor. Über Bestehen und Inhalt in Betracht kommenden und möglicherweise der deutschen Regelung ähnlichen ausländischen Rechts, etwa des schweizerischen Rechts (vgl. dazu allgemein z.B. Palandt/Putzo, BGB, 48. Aufl., § 613 a Anm. 1 e m.Nachw.), hat das Berufungsgericht Feststellungen nicht getroffen.

bb) Das Berufungsgericht durfte auch nicht davon ausgehen, daß die Vertragsparteien keine Regelung über die Übernahme des Warenlagers getroffen haben, ohne sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinanderzusetzen, es habe das gesamte Unternehmen in seinem tatsächlichen und rechtlichen Bestand verkauft werden sollen, sie habe nie erklärt, daß eine Übernahme ohne Warenlager möglich sei. Träfe diese Behauptung zu, so könnte dies die vom Berufungsgericht nicht erwogene Vertragsauslegung nahelegen, zum Unternehmen als Ganzen gehöre auch das Warenlager. Zwar haben die Beklagten den Vortrag der Klägerin bestritten. Es fehlen insoweit aber tatsächliche Feststellungen. Auch wenn die Klägerin Beweis für ihre Behauptung nicht angetreten hat, bleibt die Prüfung nachzuholen, ob der Vertragswortlaut – insbesondere der eher auf einen Unternehmenskauf hindeutende Begriff „mit ausgeglichener Bilanz” – und die Begleitumstände vor und nach Vertragsschluß – so etwa die Schreiben der Beklagten zu 2 vom 11. Dezember 1985 und des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 9. Dezember 1985, mit denen die Beklagten sich zwar aus Rechtsgründen zur Übernahme der G.-Vertrieb außerstande sahen, zugleich aber Verhandlungen über den Erwerb von Warenbestand und Anlagevermögen anboten – für die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sprechen können.

cc) Hinsichtlich des Eintritts des Käufers in den Mietvertrag hat das Berufungsgericht, wie die Revision ebenfalls mit Erfolg beanstandet, verfahrensfehlerhaft die mit einem Beweisantritt verbundene Behauptung der Klägerin übergangen, der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 habe gegenüber der G.-Vertrieb erklärt, die Beklagte zu 2 wolle das Geschäftslokal übernehmen. Ob diesem Umstand, dessen Richtigkeit für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, entnommen werden kann, das behauptete Verhalten der Beklagten zu 2 habe der gemeinsamen Absicht der Parteien des Vorvertrages entsprochen, unterliegt der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung.

dd) Soweit das Berufungsgericht eine vertragliche Regelung vermißt, ob und in welchem Umfang die Beklagte zu 1 Gewährleistungsansprüche Dritter aus Geschäften vor dem Übernahmestichtag zu befriedigen hatte, hat es zu prüfen unterlassen, ob sich eine Haftung des Erwerbers nicht aus gesetzlichen Vorschriften ergeben hätte (§§ 25 HGB, 419 BGB bzw. aus etwa entsprechendem ausländischen Recht; vgl. oben II 2 b aa), so daß es aus diesem Grunde – jedenfalls im Außenverhältnis – an einer Regelungslücke fehlte mit der möglichen Folge eines dem Gesetz zu entnehmenden Ausgleichs im Innenverhältnis.

ee) Mit dem Fehlen einer Vereinbarung über ein die Klägerin treffendes Wettbewerbsverbot läßt sich eine zur Unwirksamkeit führende Unvollständigkeit des Vertrages ebenfalls nicht begründen. Eine Konkurrenz bei dem Vertrieb von G.-Sportprodukten kam nach der Übertragung des Alleinvertriebs auf die Beklagte zu 2 durch die Vereinbarung mit der G. GmbH vom 10. September 1985 nicht mehr in Betracht. Abgesehen davon hätte das Berufungsgericht untersuchen müssen, ob ein Wettbewerbsverbot nicht auch ohne ausdrückliche Vereinbarung dem Vertrag über die GEZE-Vertrieb zu entnehmen war (dazu z.B. Hommelhoff ZHR 1986, 254, 262 m.Nachw.). Selbst wenn dies zu verneinen ist, würde das Ergebnis, daß die Klägerin nicht durch ein Wettbewerbsverbot gebunden sein sollte, nicht die Wirksamkeit des Vertrages berühren.

c) Ergibt die vom Berufungsgericht nachzuholende Prüfung, daß immer noch Punkte verbleiben, die weder durch Parteivereinbarungen noch durch eingreifendes Gesetzesrecht ausgefüllt werden, so wird in die dann erneut anzustellende Würdigung der Vollständigkeit des Vertrages auch die Überlegung einzubeziehen sein, daß auch eine fehlende Regelung über die vom Berufungsgericht genannten Punkte (z.B. über ein Wettbewerbsverbot oder den Eintritt des Erwerbers in die Leasingverträge) keineswegs die Wirksamkeit des Vertrages beeinträchtigen muß. Die vom Berufungsgericht angeführten Erläuterungswerke zur Abfassung von Unternehmenskaufverträgen enthalten Kataloge von Fragen, über die zweckmäßigerweise zur Vermeidung von Unklarheiten und späterem Streit eine vertragliche Bestimmung getroffen werden sollte; ihnen ist nicht zu entnehmen, daß eine Regelung der im einzelnen genannten Punkte Wirksamkeitsvoraussetzung eines Unternehmenskauf (vor) vertrages wäre.

3. Die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten bleiben (§ 563 ZPO). Mag auch zweifelhaft sein, ob die Beklagte zu 2 den hier in Rede stehenden Verpflichtungen der Beklagten zu 1 beigetreten ist, so bedarf diese Frage doch der – bisher unterbliebenen – tatrichterlichen Auslegung der Individualvereinbarungen durch das Berufungsgericht.

4. Auf der anderen Seite sind entgegen der Auffassung der Revision die durch den Tatrichter noch vorzunehmenden Prüfungen nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Klägerin in jedem Fall ein Schadensersatzanspruch aus Verhandlungsverschulden zusteht. Ein derartiger Anspruch ist zwar auch denkbar, wenn es zum Abschluß eines wirksamen Vorvertrages nicht kommt (z.B. MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., Rdn. 40 vor § 145). Es fehlt aber an jeglichem Vortrag der Klägerin zur schuldhaften Verletzung einer Schutz-, Sorgfalts- oder Aufklärungspflicht durch die Beklagten.

 

Unterschriften

Dr. Skibbe, Dr. Brunotte, Dr. Paulusch, Groß, Dr. Hübsch

 

Fundstellen

BB 1990, 376

NJW 1990, 1234

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1989, 1402

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