Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine wirksame Ermächtigung des Vorstands, das Bezugsrecht auszuschließen. Verschleierte Sacheinlage durch Aufspaltung einheitlicher Vorgänge in ein Erwerbsgeschäft und eine Barzeichnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Hauptversammlungsbeschluß, den Vorstand im Rahmen genehmigten Kapitals auch zum Ausschluß des Bezugsrechts zu ermächtigen, ist nur zulässig, wenn nach der Lage der Gesellschaft und dem Stand der Pläne fÜr ihre Zukunft konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, es könne sich innerhalb der dem Vorstand eingeräumten Frist als notwendig und auch im Hinblick auf die Interessen der betroffenen Aktionäre als vertretbar erweisen, bei der Ausgabe neuer Aktien das Bezugsrecht auszuschließen. Diese Voraussetzung hat der Vorstand in seinem Bericht nach AktG § 186 Abs 4 S 2, AktG § 203 Abs 2 S 2 darzulegen.

 

Orientierungssatz

Ein Verstoß gegen die Sacheinlagevorschriften des des AktG §§ 183, 184 liegt auch dann vor, wenn gemäß satzungsänderndem Beschluß eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlage vorgesehen ist, die Gesellschaft andere Gegenstände als Geld gegen Hergabe neuer Aktien erwerben will und dieser wirtschaftlich zusammengehörige Vorgang in ein Erwerbsgeschäft und eine Barzeichnung aufgespalten wird.

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil der 9. Kammer für Handelssachen bei dem Landgericht Frankfurt/Main vom 21. Januar 1981 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es den Hilfsantrag der Klägerin abgewiesen hat.

Der Hauptversammlungsbeschluß der Beklagten vom 10. Juli 1980 zu Punkt 6 der Tagesordnung wird für nichtig erklärt, soweit der Vorstand ermächtigt wird, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen.

Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 1/4 der Klägerin und zu 3/4 der Beklagten auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, besitzt 4.584 Stück Aktien der verklagten Aktiengesellschaft im Nennbetrag von je 50 DM. In der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 10. Juli 1980 wurde beschlossen, deren Grundkapital von 60.000.000 DM auf 75.000.000 DM zu erhöhen. Außerdem wurde zu Punkt 6 der Tagesordnung über einen Vorschlag der Verwaltung abgestimmt, durch eine entsprechende Ergänzung des § 4 der Satzung den Vorstand zu ermächtigen, das Grundkapital bis zum 30. Juni 1985 mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe neuer Aktien gegen Geldeinlage, gegebenenfalls auch unter Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre, einmalig oder mehrmals um bis zu insgesamt weitere 25.000.000 DM zu erhöhen. Der Einladung zur Hauptversammlung, die den Aktionären über die Depotbanken zugegangen war, hatte der Vorstand einen schriftlichen Bericht beigefügt, in dem es u. a. heißt:

„Grundsätzlich geht der Vorstand in Übereinstimmung mit dem Aufsichtsrat davon aus, den Aktionären zu gegebener Zeit ein Bezugsrecht einzuräumen.

Es sind jedoch, insbesondere im Zusammenhang mit der Erweiterung der Aktivitäten im Ausland, Fälle denkbar, die es angezeigt erscheinen lassen, dem Vorstand im Interesse der Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht – ganz oder teilweise – auszuschließen.

Der Vorstand wird der Hauptversammlung nach Inanspruchnahme genehmigten Kapitals über die Gründe der hinsichtlich des Bezugsrechts getroffenen Entscheidung und über den festgesetzten Ausgabepreis berichten.”

Die Hauptversammlung beschloß mit 1.003.471 gegen 4.633 Stimmen zu diesem Punkt, wie beantragt. Die Klägerin erklärte gegen den Beschluß Widerspruch zur Niederschrift, soweit er den Ausschluß des Bezugsrechts betraf.

Die Klägerin hat beantragt, den Beschluß zu Punkt 6 der Tagesordnung für nichtig zu erklären, hilfsweise, ihn insoweit für nichtig zu erklären, als er den Vorstand ermächtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Sie hat geltend gemacht, der Vorstand habe es versäumt, einen den Anforderungen des § 186 Abs. 4 Satz 2 i. V. mit § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG genügenden schriftlichen Bericht über den Grund für den Bezugsrechtsausschluß vorzulegen. Auch habe die Beklagte die in Rechtsprechung und Schrifttum aufgestellten materiellen Voraussetzungen für einen solchen Ausschluß nicht hinreichend dargetan.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der mit Einwilligung der Beklagten eingelegten Sprungrevision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin Haupt- und Hilfsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Nach der Rechtsprechung des Senats darf bei einer Kapitalerhöhung das Bezugsrecht der Aktionäre nur dann nach § 186 Abs. 3 AktG ausgeschlossen werden, wenn dies aus der Sicht im Standpunkt der Beschlußfassung auch bei gebührender Berücksichtigung der Folgen für die ausgeschlossenen Aktionäre durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist; dazu bedarf es einer Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck (BGHZ 71, 40, 46). Dieser Rechtsgedanke gilt nicht nur für die in den §§ 182 ff AktG geregelte gewöhnliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen, sondern auch für eine Kapitalbeschaffung durch genehmigtes Kapital nach den §§ 202 ff AktG, sofern die dem Vorstand erteilte Ermächtigung zur Ausgabe neuer Aktien, wie es der hier angefochtene Hauptversammlungsbeschluß besagt, gemäß § 203 Abs. 2 AktG auch einen Ausschluß des Bezugsrechts umfassen soll. Denn der Eingriff in die mitgliedschafts- und vermögensrechtliche Stellung der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre, um dessentwillen eine besondere sachliche Rechtfertigung notwendig ist, wiegt nicht minder schwer, wenn anstelle der Hauptversammlung die Verwaltung über den Ausschluß des Bezugsrechts entscheidet.

1. Das bedeutet zunächst, daß auch der Vorstand von der Ermächtigung nach § 203 Abs. 2 AktG nur Gebrauch machen darf, wenn er nach pflichtgemäßer kaufmännischer Prüfung der Überzeugung sein darf, der Ausschluß sei das angemessene und am besten geeignete Mittel zur Verfolgung überwiegender Gesellschaftsinteressen (vgl. BGHZ 21, 354, 357). Dabei handelt es sich um eine (ungeschriebene) Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausschluß des Bezugsrechts (BGHZ 71, 40, 46), die von vornherein die dem Vorstand erteilte Ermächtigung materiell einschränkt (Lutter, BB 1981, 861 ff und in Kölner Komm. z. AktG § 203 Anm. 13).

2. Damit ist es indessen nicht allein getan, wie die Revision zutreffend ausführt. Die Gefahren, die ein Bezugsrechtsausschluß für die betroffenen Aktionäre mit sich bringt (vgl. hierzu BGHZ 71, 40, 45), machen eine sorgfältige sachliche Prüfung schon dann notwendig, wenn die Hauptversammlung darüber beschließt, ob der Vorstand zu einem solchen schwerwiegenden Eingriff in die Aktionärsrechte ermächtigt werden soll. Es ist daher (entgegen Marsch, AG 1981, 211, 213) unzulässig, die Ermächtigung ohne jeden konkreten Anlaß, gewissermaßen „auf Vorrat”, mit einem Beschluß nach § 202 Abs. 2 AktG zu verbinden. Denn sie liefe sonst darauf hinaus, die Abwägung und Entscheidung, ob die zu erwartenden Nachteile für die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre im übergeordneten Gesellschaftsinteresse in Kauf zu nehmen sind, ohne aktuellen triftigen Grund zeitweise völlig auf die Verwaltung zu verlagern. Das würde der Tragweite einer solchen Entscheidung nicht gerecht und könnte die Möglichkeit, berechtigte sachliche Einwendungen gegen sie vorzubringen, mindestens für den Augenblick erschweren. Vielmehr müssen bereits bei der Beschlußfassung der Hauptversammlung bestimmte tatsächliche Anzeichen dafür vorliegen, daß der Vorstand während der Dauer seiner Ermächtigung im Gesellschaftsinteresse genötigt sein könnte, die Kapitalerhöhung mit einem Bezugsrechtsausschluß durchzuführen. Insofern bedarf auch der Hauptversammlungsbeschluß nach § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG sachlicher Rechtfertigung (vgl. Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 79 f und DB 1982, 211, 215; a. M. Marsch aaO S. 211 ff; Lutter in Kölner Komm. z. AktG, § 203 Anm. 11). Die hierfür maßgebenden Gründe hat die Gesellschaft darzulegen (BGHZ 71, 40, 48).

3. Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, die Forderung, auch bei einer Ermächtigung des Vorstandes nach § 203 Abs. 2 AktG müßten konkrete Gründe für den Bezugsrechtsausschluß bestehen und dargelegt werden, führe dazu, das Institut der Kapitalerhöhung durch genehmigtes Kapital praktisch zu beseitigen. Der Sinn dieses Instituts besteht darin, der Gesellschaft bei der Beschaffung von Kapital und bei der Verbindung mit anderen Unternehmen Bewegungsfreiheit zu geben; sie soll die sich auf dem Kapitalmarkt bietenden Gelegenheiten durch ihre Verwaltung schnell und flexibel ausnutzen können, ohne erst den schwerfälligen und teuren Apparat einer Hauptversammlung in Gang setzen zu müssen (Lutter in Kölner Komm. z. AktG, Vorbem. 1, 4 vor § 202). Um diesen Zweck zu erfüllen, braucht die Inanspruchnahme des genehmigten Kapitals keineswegs immer mit einem Bezugsrechtsausschluß einherzugehen. Dieser muß vielmehr auch hier die Ausnahme bilden und darf erst dann in Betracht gezogen werden, wenn das im Interesse der Gesellschaft verfolgte Ziel auf dem normalen gesetzlichen Weg, d. h. mit einem Bezugsrecht der Aktionäre, nicht erreichbar ist (BGHZ 71, 40, 44).

Es trifft aber auch nicht zu, daß die sachliche Rechtfertigung einer Ermächtigung nach § 203 Abs. 2 AktG, wie das Landgericht meint, überhaupt unmöglich sei, weil sich die für einen Bezugsrechtsausschluß sprechenden Gründe nicht im voraus übersehen ließen (ähnlich für den Regelfall: Lutter, BB 1981, 861 ff).

a) Mitunter wird sich in dem Zeitpunkt, in dem die Hauptversammlung über das genehmigte Kapital beschließt, schon mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehen lassen, daß die Ausnutzung der Ermächtigung durch den Vorstand für ein in Aussicht genommenes Vorhaben nur unter Ausschluß des Bezugsrechts im Interesse der Gesellschaft in Frage kommen wird und nur noch die Wahl des günstigsten Zeitpunkts, der näheren Bedingungen (§ 204 AktG) oder gegebenenfalls auch ein Verzicht auf das Vorhaben bei unerwarteter Znderung der Verhältnisse zweckmäßigerweise dem Vorstand überlassen bleiben. Zu denken ist etwa an die in § 192 Abs. 2 Nr. 13 AktG aufgeführten Tatbestände (Bedienung von Wandelschuldverschreibungen, Vorbereitung eines Unternehmenszusammenschlusses, Ausgabe von Belegschaftsaktien) oder den Ausgleich von Spitzenbeträgen, an den vorgesehenen Erwerb einer bestimmten Beteiligung oder eines bestimmten Betriebsvermögens oder die Kooperation mit einem anderen Unternehmen (Martens in Festschr. f. R. Fischer, 1979, S. 437, 448; Lutter, BB 1981, 861, 862; weitere Beispiele bei Timm, DB 1982, 211, 212, 215). In diesen Fällen können sich die Planungen bereits so weit verdichtet haben, daß es genügt und sich auch empfehlen kann, dem Vorstand eine von vornherein auf bestimmte Tatbestände begrenzte Ermächtigung zu erteilen (Lutter in Kölner Komm. z. AktG § 202 Anm. 19 und BB 1980, 861, 862 m. w. N.). Bei einer solchen Gestaltung wird es der Gesellschaft gewöhnlich nicht schwer fallen, die Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß, sofern mit dem Eintritt seiner Voraussetzungen zu rechnen ist, schon für den Zeitpunkt ihrer Erteilung sachlich zu rechtfertigen.

b) Oftmals wird es aber so liegen, daß die Verwaltung in pflichtmäßiger Sorge für das Unternehmen bestimmte Maßnahmen, die sich möglicherweise nur unter Ausschluß des Bezugsrechts wirksam durchführen lassen werden, wie z. B. eine Betriebsausweitung durch Neuerwerb oder den Anschluß an ein anderes Unternehmen, bereits ins Auge gefaßt hat, die näheren Einzelheiten oder auch die Auswahl unter mehreren Objekten aber noch offen oder auch im Interesse der Gesellschaft zunächst geheimzuhalten sind, um z. B. zu verhindern, daß die Preise für eine in Betracht gezogene Anlage des genehmigten Kapitals spekulativ in die Höhe getrieben werden. In solchen Fällen wird es nicht möglich sein, bereits vor dem Zeitpunkt, in dem eine Ausnutzung des genehmigten Kapitals durch den Vorstand spruchreif wird, die sachlichen Gründe für einen unter Umständen notwendig werdenden Ausschluß des Bezugsrechts so genau zu beurteilen und auf Verlangen darzulegen, wie es bei einem Bezugsrechtsausschluß durch die Hauptversammlung selbst geboten ist; Sache der Verwaltung ist es dann, im gegebenen Zeitpunkt besonders sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, ob der Eingriff in das Bezugsrecht nach der Lage, wie sie sich nunmehr bietet, im Gesellschaftsinteresse tatsächlich gerechtfertigt ist. Wollte man hier die gleichen Anforderungen bereits an den Ermächtigungsbeschluß nach § 203 Abs. 2 AktG stellen (so Timm, Die AG als Konzernspitze, S. 79 f und DB 1982, 211, 215), so wäre der Zweck des genehmigten Kapitals, dem Vorstand eine schnelle Reaktion auf die jeweilige Geschäftslage zu ermöglichen, jedenfalls dann in Frage gestellt, wenn hierzu der Ausschluß des Bezugsrechts notwendig ist. Das stände im Widerspruch dazu, daß der Gesetzgeber zur Erleichterung einer schnellen Kapitalbeschaffung unter Ausnutzung der Marktlage der Hauptversammlung die Möglichkeit eingeräumt hat, die Ermächtigung des Vorstands bei Bedarf auch auf einen Bezugsrechtsausschluß zu erstrecken.

Es genügt daher, daß bei Erteilung der Ermächtigung nach der gegenwärtigen Lage der Gesellschaft und dem Stand der Pläne für ihre Zukunft konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, es könnte sich innerhalb der dem Vorstand eingeräumten Frist als notwendig und auch im Hinblick auf die Interessen der betroffenen Aktionäre als vertretbar erweisen, bei der Ausgabe neuer Aktien das Bezugsrecht auszuschließen. Durch sachliche Gründe zu rechtfertigen ist also die Ermächtigung nach § 203 Abs. 2 AktG, nicht schon der Bezugsrechtsausschluß selbst.

c) Zeichnet sich dagegen bei der Schaffung genehmigten Kapitals noch keine bestimmte Entwicklung ab, in deren Verlauf die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme dieses Kapitals unter Ausschluß des Bezugsrechts eintreten könnten, so darf der Vorstand zu einer solchen Maßnahme nicht ermächtigt werden; die Gesellschaft muß es dann bei einer gewöhnlichen Ermächtigung nach § 202 Abs. 2 AktG bewenden lassen. Nachteile braucht sie davon nicht zu befürchten, weil bei Fehlen eines akuten Bedürfnisses immer die Möglichkeit bleibt, rechtzeitig wieder die Hauptversammlung einzuschalten, sobald später einmal die Frage eines Bezugsrechtsausschlusses konkrete Gestalt annehmen sollte.

II. Mit dieser Rechtslage steht auch die Regelung des § 186 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG im Einklang. Das Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 12. Dezember 1978 (BGBl I 1959) hat in § 186 Abs. 4 AktG folgenden Satz 2 eingefügt:

„Der Vorstand hat der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über den Grund für den teilweisen oder vollständigen Ausschluß des Bezugsrechts vorzulegen; in dem Bericht ist der vorgeschlagene Ausgabebetrag zu begründen.”

Damit hat sich die – im Wortlaut selbst unverändert gebliebene – Verweisung in § 203 Abs. 2 um den neuen Satz 2 des § 186 Abs. 4 AktG erweitert (unrichtig van Venrooy, DB 1982, 735, 736; für Geltung und Umfang einer Verweisung ist die Zeitfolge der zueinander in Beziehung stehenden Normen belanglos). Darin liegt eine Bestätigung und zugleich eine sinnvolle Ergänzung der in Rechtsprechung und Schrifttum aufgestellten materiellen Grundsätze über die sachliche Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses.

Der nunmehr vorgeschriebene Bericht über die Gründe des Bezugsrechtsausschlusses soll die Hauptversammlung zuverlässig in die Lage versetzen, die Interessen der Gesellschaft an einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß gegenüber anderen Alternativen zu bewerten, die Nachteile für die ausgeschlossenen Aktionäre zu erkennen und beides gegeneinander abzuwägen. Zugleich bildet er in einem etwaigen Anfechtungsprozeß eine sichere Ausgangsbasis für die gerichtliche Nachprüfung (Lutter, ZGR 1979, 401, 408 f und BB 1981, 861, 863). Eine „sinngemäße” Übertragung dieser Funktionen auf eine Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung unter Ausschluß des Bezugsrechts bedeutet folgendes:

Soll die Ermächtigung des Vorstands von vornherein auf ganz bestimmte, nach Art und Objekt bereits absehbare Maßnahmen beschränkt sein, so wird es im allgemeinen notwendig und auch möglich sein, schon alsbald einen den Anforderungen des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG voll entsprechenden eingehenden Bericht über die Gründe des dem Vorstand überlassenen Bezugsrechtsausschlusses vorzulegen. Läßt sich dagegen noch nicht sicher voraussagen, ob und unter welchen näheren Umständen der Vorstand von der gewünschten Ermächtigung wird Gebrauch machen müssen, so sind die Gründe für ihre Erteilung zumindest so weit offenzulegen, wie es den Umständen nach ohne eine für die Gesellschaft schädliche vorzeitige Preisgabe schwebender Planungen möglich und auch notwendig ist, damit die Hauptversammlung eine ausreichende sachliche Grundlage für ihre Entscheidung hat. Dazu genügt es nicht, die Gründe für einen etwaigen Bezugsrechtsausschluß nur abstrakt zu umschreiben (z. B. durch Wendungen wie: „wenn es im Interesse der Gesellschaft notwendig werden sollte” oder „um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden”) oder einfach eine Reihe theoretischer Möglichkeiten für einen Bezugsrechtsausschluß aufzuzählen, mit deren Eintritt tatsächlich noch gar nicht zu rechnen ist (insoweit zutreffend Becker, BB 1981, 394, 395). Vielmehr muß die Verwaltung im Rahmen des Möglichen und im Interesse der Gesellschaft Vertretbaren wenigstens so viele Tatsachen mit den dazu angestellten Überlegungen aufzeigen, daß sich die Hauptversammlung ein Bild von der Stichhaltigkeit des Wunsches nach einer Ermächtigung gemäß § 203 Abs. 2 AktG machen kann. Ist die Verwaltung hierzu nicht in der Lage, so spricht dies dafür, daß die Voraussetzungen für eine solche Ermächtigung schon materiell nicht oder zur Zeit noch nicht gegeben sind.

Ob der Vorstand außerdem, sobald er von der Ermächtigung Gebrauch machen will, den Aktionären aus Gründen ihres Rechtsschutzes geraume Zeit vorher einen ergänzenden Bericht zugänglich machen muß (vgl. Lutter, BB 1981, 861, 863 ff; ähnlich Timm, Die AG als Konzernspitze, S. 80 sowie DB 1982, 211, 216), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

III. Der mit der Klage angefochtene Hauptversammlungsbeschluß erfüllt nicht die Anforderungen, die hiernach an eine Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß zu stellen sind.

Ausreichende sachliche Gründe dafür, warum der Vorstand auf eine solche Ermächtigung angewiesen sein könnte, hat die Beklagte weder in ihrem schriftlichen Bericht vom Mai 1980 an die Hauptversammlung noch in diesem Prozeß darzulegen vermocht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Ermächtigung hier nur die Ausgabe neuer Aktien gegen Geldeinlage betrifft und nicht auch eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen, etwa zur Vorbereitung eines Unternehmenszusammenschlusses. Bei einer Barkapitalerhöhung ist ein Bezugsrechtsausschluß nur verhältnismäßig selten sachlich zu rechtfertigen. Neben den schon erwähnten Tatbeständen des Ausgleichs von Spitzenbeträgen oder der angestrebten Geschäftsverbindung mit einem anderen Unternehmen, das die Zusammenarbeit von einer Beteiligung abhängig macht, kommt hier etwa in Betracht, daß die neuen Aktien, um einen möglichst günstigen Ausgabekurs zu erzielen, zu Sanierungszwecken „en bloc” vergeben werden oder umgekehrt nur nach und nach durch eine Bank in den Markt eingeschleust werden sollen (Wiedemann in Großkomm. zum AktG 3. Aufl., § 186 Anm. 12 b; Lutter in Kölner Komm. z. AktG § 186 Anm. 52, 53; Timm, DB 1982, 211, 214 f). Derartige konkrete Gründe für die Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß sind hier nicht ersichtlich.

Im Vorstandsbericht vom Mai 1980 heißt es lediglich, insbesondere im Zusammenhang mit der Erweiterung der Auslandsaktivitäten seien Fälle „denkbar”, die eine solche Ermächtigung im Interesse der Gesellschaft angezeigt erscheinen ließen. Dieser Hinweis läßt nicht erkennen, inwiefern über die bloß gedachte Möglichkeit hinaus bereits konkrete Planungen Gestalt angenommen haben, deren Durchführung von einem Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre bei der Ausgabe neuer Aktien abhängen könnte. Dazu hat die Beklagte im Rechtsstreit lediglich auf mündliche Erläuterungen ihrer Verwaltung in der Hauptversammlung verwiesen, wonach das Bezugsrecht nur dann ausgeschlossen werden solle, wenn die Beklagte sich an einem Unternehmen beteiligen müsse, dessen Eigentümer aus dem Erlös der an sie veräußerten Beteiligung Aktien von ihr erwerben wolle (Schriftsatz vom 15. 10. 1980 S. 20). Gerade dieser Vortrag vermag einen dem Vorstand überlassenen Bezugsrechtsausschluß nicht zu rechtfertigen, da er ein gesetzwidriges Vorhaben, und zwar die Einbringung einer verschleierten Sacheinlage, zum Inhalt hat. Ein Verstoß gegen die Sacheinlagevorschriften der §§ 183, 184 AktG liegt nämlich auch dann vor, wenn gemäß satzungsänderndem Beschluß eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen vorgesehen ist, die Gesellschaft andere Gegenstände als Geld gegen Hergabe neuer Aktien erwerben will und dieser wirtschaftlich zusammengehörige Vorgang in ein Erwerbsgeschäft und eine Barzeichnung aufgespalten wird (Wiedemann aaO § 183 Anm. 1 a; Lutter in Kölner Komm. z. AktG § 183 Anm. 47). Denn hierdurch wird namentlich das für Sacheinlagen vorgeschriebene Wertprüfungsverfahren (§ 183 Abs. 3 AktG) umgangen. Hierfür kann es keinen Unterschied machen, ob das für die einzubringenden Gegenstände vereinbarte Entgelt entgegen dem Verbot des § 66 Abs. 1 Satz 2 AktG mit dem für die Aktien einzuzahlenden Betrag verrechnet wird (vgl. BGHZ 15, 52, 58), ob die Gesellschaft eine schon erbrachte Bareinlage abredegemäß alsbald wieder zur Vergütung einer Sachleistung zurückzahlt (vgl. BGHZ 28, 314, 319 f; Urt. d. Sen. v. 19. 12. 74 – II ZR 177/72, LM AktG 1965, § 27 Nr. 1 zu II 1) oder ob sie die übernommenen Sachgüter zunächst bezahlt und der Veräußerer alsdann mit dem Erlös seine Bareinlageschuld begleicht.

Der angefochtene Beschluß entbehrt daher, soweit er den Ausschluß des Bezugsrechts betrifft, einer ausreichenden sachlichen Rechtfertigung. Dementsprechend genügt auch der Vorstandsbericht vom Mai 1980 nicht den Mindestanforderungen des § 186 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG.

IV. Entgegen dem angefochtenen Urteil ist daher der Klage insoweit stattzugeben, als sie sich mit dem Hilfsantrag gegen die Ermächtigung des Vorstands zum Ausschluß des Bezugsrechts wendet. Dagegen muß es bei der Abweisung des darüber hinausgehenden, gegen den Ermächtigungsbeschluß insgesamt gerichteten Hauptantrags verbleiben, weil die Klägerin, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, in der Hauptversammlung gegen den Beschluß insoweit keinen Widerspruch erklärt hat. Diese Einschränkung entspricht auch sonst der Sach- und Rechtslage. Denn nach dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses („gegebenenfalls auch unter Ausschluß des Bezugsrechts”) und dem dazu gegebenen Bericht („Grundsätzlich … ein Bezugsrecht einzuräumen”) wäre er auch ohne den von der Klägerin mit Recht beanstandeten Teil zustande gekommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649156

BGHZ, 319

NJW 1982, 2444

ZIP 1982, 689

JZ 1982, 643

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