Leitsatz (amtlich)

Zur Amtspflicht eines Notars bei Beurkundung und Vollzug einer Satzungsänderung, durch die der Alleingeschäftsführer und -gesellschafter einer GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden soll.

 

Normenkette

BeurkG §§ 14, 17, 53; GmbHG §§ 53-54; BGB § 181

 

Verfahrensgang

OLG Zweibrücken (Aktenzeichen 4 U 208/96)

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 5 O 1799/95)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 6. November 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die klagende GmbH verlangt vom beklagten Notar Schadensersatz, weil er bei der Beurkundung einer Abtretung von Geschäftsanteilen und einer Gesellschafterversammlung seine Amtspflichten verletzt habe.

Der Beklagte hatte am 14. Januar 1985 bei der Gründung der Klägerin den Gesellschaftsvertrag beurkundet. In § 5 dieses Vertrages heißt es:

„Die Geschäftsführer sind von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht befreit.”

Gemäß der vom Beklagten errichteten Urkunde vom 20. Dezember 1991 traten die Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an T. G. ab. Ziffer IX dieser Urkunde betreffend eine „Gesellschaftersammlung” lautet:

„Herr T. G. hält sodann unter Verzicht auf Einhaltung aller Formen und Fristen eine Gesellschafterversammlung ab und beschließt einstimmig:

  1. Frau E. G. wird als Geschäftsführer abberufen. Ihr wird für die bisherige Tätigkeit Entlastung erteilt.
  2. Herr T. G. wird zum Geschäftsführer neu bestellt. Er ist stets alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
  3. …”

Der Beklagte reichte die Urkunde vom 20. Dezember 1991 bei dem Amtsgericht ein und bat um Eintragung in das Handelsregister. Das Amtsgericht teilte dem Beklagten am 28. Januar 1992 folgendes mit:

„Dem Vollzug der vorbezeichneten Anmeldung steht folgendes Eintragungshindernis entgegen:

Die Satzung der Gesellschaft sieht keine Möglichkeit vor, die Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien. Die angemeldete Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens kann daher nur bei entsprechender Satzungsänderung eingetragen werden (BayObLG BB 1980, 1442).

Es wird um Erledigung innerhalb einer Frist von zwei Monaten gebeten.”

Mit Schreiben an das Amtsgericht vom 3. Februar 1992 nahm der Beklagte „den Antrag dahingehend zurück, daß Herr T. G. von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist”.

Inzwischen hatte T. G. als Alleingeschäftsführer und -gesellschafter der Klägerin mit dieser am 2. Januar 1992 einen schriftlichen „Gesellschafter-Geschäftsführer-Vertrag” geschlossen, in dessen § 4 die Vergütung für die Geschäftsführertätigkeit geregelt wurde. § 6 dieses Vertrages lautet:

„Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.”

Am 3. Mai 1994 wertete das Finanzamt Vergütungsleistungen der Klägerin an ihren Alleingeschäftsführer und -gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttungen, weil dieser nicht wirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen und infolgedessen der Anstellungsvertrag unwirksam sei. Deswegen wurde gegen die Klägerin erhöhte Körperschaft- und Gewerbesteuer – teilweise nebst Solidaritätszuschlag – für 1992 und 1993 festgesetzt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin in der Hauptsache vom Beklagten begehrt, einen Steuerschaden von 83.189,49 DM und Steuerberaterkosten von 17.972,20 DM – jeweils nebst Zinsen – zu ersetzen (Klageanträge zu 1 und 3), die Klägerin von der Belastung mit Körperschaftsteuer auf die künftige Ersatzleistung und von Stundungszinsen zu befreien (Klageanträge zu 2 und 4) sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Mehrsteuern für 1994 infolge seiner geltend gemachten Amtspflichtverletzung freizustellen (Klageantrag zu 5). Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dieser erstrebt mit seiner Revision die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).

I.

Das Berufungsurteil kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil es sich auch auf Klageforderungen aus dem einheitlichen Amtshaftungsanspruch erstreckt, die nicht im Sinne des § 304 Abs. 1 ZPO nach Grund und Betrag streitig sind. Die Frage, ob ein Grundurteil erlassen werden durfte, ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urt. v. 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, NJW 1975, 1968; v. 14. Oktober 1993 - III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319).

Das angefochtene Urteil ist nach seinem Gesamtinhalt dahin auszulegen, daß das Berufungsgericht – ebenso wie das Landgericht – nicht nur die Zahlungsansprüche, sondern auch die übrigen unbezifferten Klageanträge beschieden hat. Im Eingang der Entscheidungsgründe heißt es, das Landgericht habe zu Recht die Klage dem Grunde nach zugesprochen; der Rechtsstreit sei entscheidungsreif, soweit der Beklagte für den Schaden der Klägerin hafte; zu klären sei noch die streitige Höhe dieses Schadens. Dementsprechend hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel des Beklagten uneingeschränkt zurückgewiesen, diesem die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt und den Wert der Beschwer unter Berücksichtigung aller Klageansprüche festgesetzt.

Das Berufungsgericht durfte nicht in dieser Weise über den unbezifferten Feststellungsantrag befinden, bei dem ein Grundurteil wesensgemäß ausscheidet. Die Trennung in Grund- und Betragsverfahren ist nur möglich, wenn der Anspruch auf Zahlung von Geld oder auf die Leistung vertretbarer Sachen gerichtet und der Höhe nach summenmäßig beschränkt ist (BGH, Urt. v. 19. Februar 1991 - IX ZR 90/89, NJW 1991, 1896; v. 14. Oktober 1993, aaO).

Dies gilt entsprechend für die Klageanträge auf Befreiung von Verbindlichkeiten. Solche Ansprüche können nur dann Gegenstand eines Grundurteils sein, wenn Befreiung von einer Schuld verlangt wird, die ihrerseits Gegenstand eines Grundurteils sein kann (BGH, Urt. v. 12. Juni 1975, aaO). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Befreiungsansprüche sich auf unbezifferte Schadensposten beziehen.

II.

Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht den Klageanspruch zu 1, mit dem Ersatz der Steuernachteile für 1992 und 1993 in Höhe von 83.189,49 DM nebst Zinsen verlangt wird, dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten hat (§ 19 BNotO).

1. Das Berufungsgericht hat – ebenso wie das Landgericht – angenommen, der beklagte Notar habe bei der Beurkundung vom 20. Dezember 1991 seine Amtspflicht gemäß § 17 BeurkG verletzt. Als er nach der Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile an T. G. – in Ziff. IX der Urkunde – eine „Gesellschafterversammlung” des neuen Alleingesellschafters mit dem Inhalt beurkundet habe, daß dieser zum neuen, alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Alleingeschäftsführer bestellt werde, habe der Beklagte darauf hinweisen müssen, daß nach § 5 des von ihm beurkundeten Gesellschaftsvertrages vom 14. Januar 1985 die Geschäftsführer der Klägerin nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit seien, und auf eine entsprechende Satzungsänderung hinwirken müssen.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Beklagte hat bei dieser Beurkundung nicht seine Prüfungs- und Belehrungspflicht nach § 17 BeurkG verletzt.

Der Beklagte hat pflichtgerecht – in Ziffer IX der Urkunde – eine ordnungsmäßige Satzungsänderung beurkundet, durch die der neue Alleingeschäftsführer und -gesellschafter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden sollte (§ 53 GmbHG), wie die Revision zu Recht geltend macht.

a) Die Übertragung der Geschäftsanteile war mit der Beurkundung der entsprechenden Erklärungen der Beteiligten – zum 1. Januar 1992 (Ziff. II der Urkunde) – wirksam geworden (§ 15 Abs. 3, 5, § 16 GmbHG). Die nach § 7 des Gesellschaftsvertrages erforderliche Zustimmung aller Gesellschafter ist in Ziffer V der Urkunde erklärt worden (§§ 182, 183 BGB; vgl. BGHZ 13, 179, 184, 186).

b) Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 GmbHG ist, wenn sich – wie hier – alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters befinden und dieser zugleich deren alleiniger Geschäftsführer ist, auf dessen Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 BGB anzuwenden. Das bedeutet, daß ein solcher Geschäftsführer als Vertreter der GmbH mit sich selbst nur dann Rechtsgeschäfte vornehmen darf, wenn ihm dies im Gesellschaftsvertrag gestattet ist, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

c) Dem einzigen Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH können Rechtsgeschäfte mit sich selbst von vorneherein im Gesellschaftsvertrag oder nachträglich durch Änderung der Satzung gestattet werden; die Gestattung ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG in das Handelsregister einzutragen (BGHZ 87, 59, 60 f; vgl. BGHZ 114, 167, 170 ff). Eine nachträgliche allgemeine Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB ist in der Regel dann eine Satzungsänderung gemäß §§ 53, 54 GmbHG, wenn – wie im vorliegenden Falle – der Gesellschaftsvertrag die gesetzliche Einschränkung vorgesehen hatte (BayObLG BB 1980, 1442 f).

d) Der vom Beklagten beurkundete Beschluß des neuen Alleingesellschafters über seine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erfüllt nach seinem objektiven Inhalt die Voraussetzungen einer Satzungsänderung gemäß § 53 GmbHG. Daran ändert es nichts, daß eine entsprechende Überschrift fehlt.

2. Der Beklagte hat jedoch seine Amtspflichten bei der weiteren Abwicklung des Urkundsgeschäfts verletzt.

Da die Satzungsänderung in das Handelsregister einzutragen war, weil sie erst damit wirksam wurde (§ 54 Abs. 3 GmbHG), hatte der Beklagte diese Eintragung zu veranlassen (§ 53 BeurkG). Dabei handelte es sich um eine unselbständige Amtspflicht zur Abwicklung des Urkundsgeschäfts (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 1977 - VI ZR 61/76, WM 1977, 1259, 1260; v. 14. Mai 1992 - IX ZR 262/91, WM 1992, 1533, 1534).

a) Die Klägerin hat erstmals mit ihrer Revisionserwiderung geltend gemacht, der Beklagte habe seine Amtspflicht verletzt, indem er bei der Anmeldung der Satzungsänderung zur Eintragung in das Handelsregister die Erfordernisse des § 54 Abs. 1, 2 GmbHG – i.V.m. § 10 Abs. 1 GmbHG – nicht beachtet habe (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 16. Februar 1987 - II ZB 12/86, WM 1987, 1100, 1101). Dazu hat die Klägerin in den Vorinstanzen nichts vorgetragen. Sollte sie dies im weiteren Berufungsverfahren nachholen, so wird nach Stellungnahme des Beklagten durch das Berufungsgericht zu prüfen sein, ob insoweit eine schadensursächliche, schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt.

b) Gemäß dem vorliegenden Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, daß der geltend gemachte Steuerschaden auf die Rücknahme des Antrags auf Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister zurückzuführen ist. Diese Schadensursache hat der Beklagte durch eine Amtspflichtverletzung bei der Abwicklung seines Urkundsgeschäfts herbeigeführt.

aa) Er hat pflichtwidrig gehandelt, wenn er den Antrag ohne Zustimmung des Geschäftsführers der Klägerin zurückgenommen hat (vgl. zum Weisungsrecht der Beteiligten im Rahmen des § 53 BeurkG: Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit – Teil B: BeurkG –, 14. Aufl. § 53 Rdnr. 20).

bb) Hat der Beklagte – gemäß seiner Behauptung – den Eintragungsantrag zurückgenommen, weil er dazu vom Vater des Geschäftsführers der Klägerin oder vom Steuerberater B. der für die Klägerin tätigen Steuerberatungsgesellschaft namens und in Vertretung des Geschäftsführers der Klägerin angewiesen worden war, so hat er seine Amtspflicht zur allgemeinen Betreuung der Urkundsbeteiligten (§ 14 Abs. 1 BNotO) verletzt.

Eine solche Amtspflicht besteht dann, wenn der Notar nach den besonderen Umständen des Einzelfalls – vor allem wegen der rechtlichen Anlage oder der vorgesehenen Art der Durchführung des Geschäfts – Anlaß zu der Vermutung haben muß, einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil er sich wegen Unkenntnis der Rechtslage der Gefahr nicht bewußt ist (BGH, Urt. v. 7. Februar 1991 - IX ZR 24/90, WM 1991, 1046, 1049; v. 14. Mai 1992 aaO).

Nach einer Weisung der Urkundsbeteiligten, den Antrag auf Eintragung der Satzungsänderung zurückzunehmen, hatte ein pflichtbewußter Notar Anlaß zu der Besorgnis, den Beteiligten drohten Nachteile, weil sie die Rechtsfolgen nicht übersehen und bedenken konnten. Bei einer Rücknahme des Eintragungsantrags konnten die beurkundete Satzungsänderung und infolgedessen die erstrebte Befreiung des Geschäftsführers der Klägerin von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht rechtswirksam werden (§ 54 Abs. 3 GmbHG); dann waren die Vermögensinteressen der Klägerin und ihres Geschäftsführers gefährdet, weil Rechtsgeschäfte zwischen diesen grundsätzlich unwirksam waren (§ 181 BGB). Dies hätte der Beklagte erkennen und deswegen den Geschäftsführer der Klägerin über die Gefahr aufklären müssen. Eine entsprechende Belehrung ist unstreitig nicht erteilt worden.

cc) Danach hat der Beklagte seine Amtspflicht verletzt, indem er entweder den Eintragungsantrag ohne Weisung zurückgenommen oder nach einer solchen Weisung den Geschäftsführer der Klägerin nicht über die damit verbundene Vermögensgefährdung belehrt hat.

Die verletzte Amtspflicht hat für den Beklagten im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO auch gegenüber der klagenden Gesellschaft bestanden. Diese war zwar an dem Urkundsgeschäft nicht unmittelbar beteiligt (§ 6 Abs. 2 BeurkG); sie war auch nicht mittelbar Beteiligte, weil sie dem Beklagten bei der Beurkundung keine eigenen Belange anvertraut hatte. Die Klägerin war aber geschützte Dritte im Sinne dieser Vorschrift, weil ihre Interessen durch das Urkundsgeschäft nach dessen Art und Zweck berührt wurden (vgl. BGHZ 58, 343, 353; BGH, Urt. v. 11. Februar 1983 - V ZR 300/81, WM 1983, 416, 417; v. 21. Januar 1988 - IX ZR 252/86, WM 1988, 545, 547; v. 14. Mai 1992, aaO; v. 26. Juni 1997 - IX ZR 163/96, WM 1997, 1901, 1902).

dd) Die Amtspflichtverletzung des Beklagten beruht auf Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Er hätte bei Anwendung der für seinen Pflichtenkreis erforderlichen Sorgfalt die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennen und die sich daraus ergebenden Nachteile für die Klägerin vermeiden können und müssen.

3. Eine Haftung des Beklagten wegen seiner fahrlässigen Amtspflichtverletzung anläßlich der Rücknahme des Eintragungsantrags entfällt dann, wenn die Klägerin auf andere Weise Ersatz des geltend gemachten Schadens erlangen kann (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihre Steuerberaterin rechtsfehlerhaft verneint hat.

Die Klägerin hat das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit darzulegen und zu beweisen. Negative Anspruchsvoraussetzungen sind diejenigen Ersatzmöglichkeiten, die demselben Tatsachenkreis entsprungen sind, aus dem sich die Schadenshaftung des Notars ergibt, und begründete Aussicht auf Erfolg bieten. Ist eine solche andere Ersatzmöglichkeit nicht auszuschließen, so ist die Klage gegen den Notar als zur Zeit unbegründet abzuweisen (BGH, Urt. v. 19. Oktober 1995 - IX ZR 104/94, WM 1996, 30, 32). Auch eine früher bestehende, schuldhaft versäumte Ersatzmöglichkeit kann die Notarhaftung wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung ausschließen (BGH, Urt. v. 22. Juni 1995 - IX ZR 122/94, WM 1995, 1883, 1885).

a) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß die Steuerberaterin unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht zu prüfen brauchte, ob die Leistungen der Klägerin an ihren Alleingeschäftsführer und -gesellschafter eine ordnungsmäßige Rechtsgrundlage hatten.

Zwar hat der Steuerberater im Rahmen seines Auftrags den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muß der Steuerberater seinen Auftraggeber vor voraussehbaren und vermeidbaren Schäden bewahren; deswegen hat der Steuerberater den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten. Diese Aufgabe schließt die Pflicht ein, den Mandanten auf die Gefahr einer Steuerbelastung aus verdeckter Gewinnausschüttung hinzuweisen und dieser Gefahr durch geeignete Maßnahmen und Empfehlungen entgegenzuwirken (BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 302).

Die Steuerberaterin hat jedoch, soweit als Grundlage steuerlicher Maßnahmen der Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien war, den sichersten Weg gewählt, indem sie – gemäß dem eigenen Vorbringen des Beklagten – die Klägerin veranlaßt hat, zur Bewältigung dieser zivilrechtlichen Aufgabe den fachkundigen Beklagten einzuschalten. Auf dessen fehlerfreie Leistung durfte sich die Steuerberaterin bei der steuerlichen Beratung der Klägerin ohne Nachprüfung verlassen.

Daran ändert es nichts, daß der von der Steuerberaterin entworfene Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer-Gesellschafter vor Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister geschlossen worden ist. Wäre diese wie vorgesehen eingetragen worden, so hätte der Geschäftsführer der Klägerin diesen Vertrag mit zivil- und steuerrechtlicher Rückwirkung genehmigen können (§ 184 BGB; vgl. BFHE 181, 328, 332 f = NJW 1997, 1031 f; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz 16. Aufl. § 35 Rdnr. 78 m.w.N.).

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Steuerberaterin insoweit verneint, als diese nicht zu einer Anfechtung der Steuerbescheide geraten hat. Nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 120, 200, 202; 164, 255, 256 = NJW 1991, 2039; vgl. BFHE 181, 328, 330 = NJW 1997, 1031) versprach ein solches Vorgehen keinen Erfolg.

c) Soweit die Revision eine anderweitige Ersatzmöglichkeit damit begründen will, daß die Klägerin keine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO beantragt habe, ist ein erfolgversprechender Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihre Steuerberaterin nach dem Vorbringen der Parteien in den Vorinstanzen nicht erkennbar. Nach dem Schreiben des Finanzamtes an die Steuerberaterin vom 25. April 1997 hat sich diese um eine Ermäßigung der Steuerforderungen gegen die Klägerin bemüht.

d) Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihre Steuerberaterin nicht geprüft hat mit Rücksicht auf die Behauptung des Beklagten, der Steuerberater B. der Steuerberatungsgesellschaft habe im Namen der Klägerin und ihres Geschäftsführers die Weisung zur Rücknahme des Eintragungsantrags erteilt. Sollte von der Richtigkeit dieses Vorbringens auszugehen sein, so kann der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Steuerberatungsgesellschaft mit begründeter Erfolgsaussicht zustehen.

Das Fehlen einer solchen anderweitigen Ersatzmöglichkeit hat die Klägerin, die diese Behauptung des Beklagten bisher lediglich ohne Beweisantritt bestritten hat, darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Oktober 1995, aaO). Diesen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt hat die Klägerin erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten, nachdem der Beklagte sein entsprechendes Vorbringen erst in seiner Berufungsbegründung substantiiert hat. Deswegen muß der Klägerin noch Gelegenheit gegeben werden, insoweit ihren Vortrag zu ergänzen und Beweis anzutreten. Gegebenenfalls bedarf es einer tatrichterlichen Aufklärung.

4. Sollte das Berufungsgericht feststellen, daß die Klägerin keine anderweitige Ersatzmöglichkeit mit begründeter Erfolgsaussicht hat, so wird für das weitere Berufungsverfahren auf folgendes hingewiesen:

a) Es ist dann die für eine Schadensersatzpflicht gemäß §§ 249 ff BGB bedeutsame Frage zu beantworten, was geschehen wäre, wenn der Beklagte sich pflichtgerecht verhalten hätte, und wie die Vermögenslage der Klägerin wäre. Diesen haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung des Beklagten und dem geltend gemachten Schaden hat die Klägerin darzulegen und gemäß § 287 ZPO zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Oktober 1995, aaO m.w.N.).

Im vorliegenden Falle kommt der Klägerin der Beweis des ersten Anscheins zugute (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27. Mai 1993 - IX ZR 66/92, WM 1993, 1513, 1516). Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß die Klägerin bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten auf einer Eintragung der Satzungsänderung, die ihren Geschäftsführer-Gesellschafter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite, bestanden hätte, weil dies für sie eine vorteilhafte, einfache und billige Maßnahme war. Das Registergericht hätte nach einer Klarstellung, daß eine ordnungsmäßige, einzutragende Satzungsänderung vorlag, diese eintragen müssen. Das hätte zur Folge gehabt, daß der Anstellungsvertrag der Klägerin mit ihrem Geschäftsführer-Gesellschafter durch dessen Genehmigung wirksam geworden wäre (§§ 53, 54 GmbHG, 181, 184 BGB), die vertraglichen Vergütungsleistungen nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet worden und keine Mehrsteuern angefallen wären (BFHE 181, 328, 330 ff = NJW 1997, 1031 f).

b) Der geltend gemachte Steuerschaden wäre dem Beklagten haftungsrechtlich zuzurechnen. Es liegt nicht außerhalb aller Lebenserfahrung, daß Leistungen einer GmbH aufgrund eines unwirksamen Anstellungsvertrages mit ihrem Geschäftsführer-Gesellschafter von der Finanzbehörde als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden und deswegen Mehrsteuern auslösen (vgl. BFHE 120, 200, 202; 164, 255, 256 = NJW 1991, 2039; BFHE 181, 328, 330 = NJW 1997, 1031). Eine solche adäquate Schadensfolge fällt bei wertender Betrachtung in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht, weil diese gerade darauf abzielte, eine sichere Rechtsgrundlage für den Geschäftsführer-Gesellschafter der Klägerin durch Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu schaffen (vgl. BGHZ 138, 359, 362; BGH, Urt. v. 8. Juli 1993 - IX ZR 222/92, WM 1993, 1962, 1966, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 123, 178; v. 11. Juli 1996 - IX ZR 116/95, WM 1996, 2074, 2077).

c) Ein Mitverschulden (§ 254 BGB), das der Beklagte darzulegen und zu beweisen hat (vgl. BGHZ 91, 243, 260), entfällt insoweit, als die Revision der Klägerin vorwirft, ihr Geschäftsführer hätte eine Satzungsänderung, die ihm das Selbstkontrahieren gestattete, in das Handelsregister eintragen lassen und sodann den Anstellungsvertrag rückwirkend genehmigen können, nachdem er folgende Eintragungsmitteilung des Registergerichts erhalten hatte:

„E. G. ist nicht mehr Geschäftsführerin.

T. G. wurde zum Geschäftsführer bestellt. Er ist stets alleinvertretungsberechtigt.”

Der rechtsunkundige Geschäftsführer der Klägerin konnte ohne rechtliche Beratung, die der Beklagte nicht erteilt hat, aus dieser gerichtlichen Mitteilung nicht ableiten, daß die von der Revision geforderten Maßnahmen notwendig waren, um sich und die Klägerin vor Schäden zu bewahren.

d) Die Höhe der Steuernachteile für 1992 und 1993, auf die sich die Klägerin den Vorteil ihres Alleingesellschafters bei seiner persönlichen Einkommensteuerschuld anrechnen läßt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997, aaO 303; Schmitz/Wichmann DB 1999, 732 f; Wagner/Hermann BB 1999, 608), ist streitig und wäre daher aufzuklären.

III.

1. a) Der Freistellungsantrag zu 2, der die der Höhe nach noch unbekannte Körperschaftsteuer auf eine Schadensersatzleistung des Beklagten betrifft (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997, aaO 304), enthält nicht den für eine Leistungsklage erforderlichen bestimmten Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1996 - VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725, 2726). Dieser kann allerdings als Feststellungsantrag aufrechterhalten werden (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 1993 - IX ZR 47/93, WM 1994, 360, 361). Dies kann die Klägerin im weiteren Berufungsverfahren noch klarstellen.

Das gilt auch für den Freistellungsantrag zu 4, der sich auf unbezifferte Stundungszinsen bezieht.

b) In der Sache wird für die Klageanträge zu 2 bis 5 auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen, die entsprechend zu berücksichtigen sind.

Für den Klageanspruch zu 3 auf Ersatz von Steuerberaterkosten, die nach dem – bestrittenen – Vorbringen der Klägerin infolge der Amtspflichtverletzung des Beklagten angefallen sind, ist zu beachten, daß solche Kosten adäquate Folgen der Amtspflichtverletzung insoweit sind, als sie aus verständiger Sicht der Klägerin zur Wahrung ihrer Interessen erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 1994 - VI ZR 3/94, NJW 1995, 446, 447).

Den Feststellungsantrag zu 5 hat die Klägerin auf einen etwaigen Steuerschaden für 1994 bis einschließlich Mai jenes Jahres beschränkt, weil sie am 25. Mai 1994 den Gesellschaftsvertrag geändert habe, nachdem sie aufgrund der Schlußbesprechung vom 29. April 1994 im Rahmen der Außenprüfung von der Unwirksamkeit des Anstellungsvertrages erfahren habe.

2. Sollte das Berufungsgericht nach der erforderlichen Sachaufklärung über die bezifferten Leistungsansprüche durch Grundurteil (§ 304 Abs. 1 ZPO) entscheiden wollen, so wäre zugleich durch Teilurteil (§ 301 ZPO) über die unbezifferten Klagebegehren zu befinden, um die Gefahr einander widersprechender Erkenntnisse auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Dezember 1994 - IX ZR 254/93, NJW 1995, 2106 f; v. 4. Februar 1997 - VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709, 1710).

 

Unterschriften

Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 18.11.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 2000, 167

DB 2000, 412

DStR 2000, 164

DStZ 2000, 151

NJW 2000, 664

GmbH-StB 2000, 38

DNotI-Report 2000, 17

EWiR 2000, 675

NZG 2000, 256

Nachschlagewerk BGH

WM 2000, 35

WuB 2000, 319

WuB 2000, 337

WuB 2000, 405

ZIP 2000, 131

DNotZ 2001, 483

MDR 2000, 236

VersR 2001, 193

GmbHR 2000, 136

NotBZ 2000, 53

ZNotP 2000, 81

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