Leitsatz (amtlich)

Aufgrund einer Erfolgsbilanz zu fortgeführten Buchwerten ist zu beurteilen, ob im Zeitpunkt der Entnahme, die ein Kommanditist tätigt, dessen Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Haftsumme herabgesetzt war oder durch die Entnahme herabgesetzt wird.

Das gilt auch für Verlustzuweisungsgesellschaften, die durch Ausnutzung steuerlicher Sonderabschreibungen stille Reserven gebildet haben.

 

Normenkette

HGB § 172 Abs. 4

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 08.02.1989)

LG Hamburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg, 8. Zivilsenat, vom 8. Februar 1989 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 27. Juni 1970 wurde die MS „P. W.” Reederei J. & B. W. KG gegründet, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb und Betrieb von Seeschiffen war und deren persönlich haftende Gesellschafter Vollmacht hatten, bis zu einem Gesellschaftskapital von insgesamt 4,18 Mio DM weitere Kommanditisten aufzunehmen. Die Beklagte beteiligte sich als Kommanditistin mit einer Einlage von 60.000 DM und war damit am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust zu 3/209 beteiligt.

Die Gesellschaft betrieb ein Handelsschiff, für das sie 1971 an Herstellungskosten insgesamt 9.534.788,13 DM aufgewandt hatte. Gemäß § 82 f EStDV nahm sie 1971 in Höhe von 30 % dieser Herstellungskosten eine Sonderabschreibung in der Weise vor, daß sie auf der Passivseite der Bilanz einen Wertberichtigungsposten in Höhe von 2.860.436 DM auswies. Ausgehend von einer Nutzungsdauer von 14 Jahren schrieb sie daneben das Schiff jährlich in Höhe von 7,14 % der Herstellungskosten ab. Einen Bundeszuschuß, den die Gesellschaft 1972 in Höhe von 920.000 DM erhielt, behandelte sie erfolgsneutral in der Weise, daß sie die gebuchten Herstellungskosten um den Zuschuß verminderte und ab 1972 anstelle von 670.945 DM nur noch 603.075 DM als jährliche Abschreibung in Ansatz brachte.

Die Gesellschaft erlitt 1971 – ohne Berücksichtigung der Sonderabschreibung – einen Verlust in Höhe von 714.203,30 DM, von dem auf die Beklagte 10.654,80 DM entfielen. Zusammen mit dem Anteil der Beklagten an der Sonderabschreibung (41.058,89 DM) belief sich der gesamte auf die Beklagte entfallende Verlust 1971 auf 51.713,69 DM. Von den Verlusten der Jahre 1972 in Höhe von 536.657,16 DM und 1973 in Höhe von 157.453,33 DM entfielen auf die Beklagte 7.762,20 DM (1972) und 2.260,10 DM (1973). 1974 erzielte die Gesellschaft einen Gewinn in Höhe von 133.825,06 DM, von dem auf die Beklagte 1.920,94 DM entfielen. Die Gewinne der Jahre 1975 bis 1979 betrugen 1975 314.618 DM (Beklagte: 4.516,05 DM), 1976 184.060,01 DM (Beklagte: 2.642,01 DM), 1977 314.635,53 DM (Beklagte 4.516,30 DM), 1978 369.470,78 DM (Beklagte 5.303,40 DM) und 1979 34.209,04 DM (Beklagte 170,43 DM). In den Jahren 1980 und 1983 entfielen auf die Beklagte Verlustanteile in Höhe von 712,80 DM und 7.459,19 DM. Die Gesellschaft schüttete an die Beklagte die folgenden Liquiditätsüberschüsse aus: 1974 9.000 DM, 1975 3.000 DM, 1976 3.000 DM, 1978 1.800 DM, 1980 7.800 DM und 1983 3.000 DM, insgesamt 27.600 DM.

Das Schiff wurde am 24. Januar 1986 für 870.000 US-Dollar, umgerechnet 1,74 Mio DM, verkauft. Am 23. Januar 1987 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet; der Kläger ist der Konkursverwalter.

Der Kläger macht gemäß § 171 Abs. 2 HGB in Höhe der ausgeschütteten Beträge Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger mit der Begründung geltend, die Beklagte habe die Gewinnanteile entnommen, während ihr Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert gewesen sei. Das Landgericht hat der Klage – bis auf Abstriche bei den Zinsen – stattgegeben; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte gemäß § 171 Abs. 1 HGB in Höhe von 27.600 DM den Gläubigern der Kommanditgesellschaft, deren Rechte der Kläger als Konkursverwalter gemäß § 171 Abs. 2 HGB ausübt; in der genannten Höhe gelte die Haftsumme der Beklagten als nicht geleistet, weil sie insoweit in den Jahren 1974 bis 1983 an die Beklagte zurückgeflossen sei (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kapitalanteil der Beklagten auch ohne Berücksichtigung der Sonderabschreibung aus 1971 (2.860.436 DM) allein schon durch laufende Betriebsverluste unter den Betrag der geleisteten Haftsumme herabgemindert war, als die 27.600 DM jeweils in Einzelbeträgen an die Beklagte ausgezahlt wurden. Es hat hieran die Folgerung geknüpft, daß Gewinne, soweit sie nicht zum Ausgleich der Betriebsverluste verwandt, sondern ausgeschüttet wurden, die Haftung der Beklagten wieder aufleben ließen (§ 172 Abs. 4 Satz 2 HGB). Für die Beantwortung der Frage, ob der Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert war, hat das Berufungsgericht im übrigen auf die von den Gesellschaftern festgestellten Erfolgsbilanzen und nicht – wie von der Beklagten für richtig gehalten – auf einen für jeden Auszahlungszeitpunkt zu fertigenden Vermögensstatus abgestellt, in dem die Wirtschaftsgüter mit ihren Verkehrswerten anzusetzen wären. Es hat deshalb die den Bilanzansätzen zugrundeliegende Abschreibungsdauer von 14 Jahren – anstatt 20 Jahren, wie von der Beklagten angenommen – ebenso für unabänderlich gehalten wie die Behandlung des Bundeszuschusses (920.000 DM), den die Beklagte – abweichend von der Bilanz nicht als erfolgsneutrale Minderung der Herstellungskosten, sondern – als zusätzlichen Ertrag des Jahres 1972 mit der Folge berücksichtigt wissen will, daß 1972 nicht ein Verlust in Höhe von 536.657,16 DM, sondern ein Gewinn von 383.342,84 DM ausgewiesen würde. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

2. Wird Gesellschaftsvermögen an den Kommanditisten ausgezahlt, so ist nach Meinung der Revision die Frage, ob dessen Kapitalanteil entweder durch die Auszahlung oder schon ohne diese infolge Verlusten unter den Betrag der geleisteten Haftsumme herabgemindert ist (§ 172 Abs. 4 HGB), jeweils auf der Grundlage eines Vermögensstatus zu beantworten, in dem die Vermögenswerte mit ihren Verkehrswerten ausgewiesen sind; gehe es im Verhältnis zu den Gläubigern darum, ob die Haftsumme aufgebracht worden sei, so sei eine Sacheinlage des Kommanditisten mit ihrem objektiven Zeitwert anzusetzen; dieselben Bewertungsgrundsätze müßten gelten, wenn nicht Einlagen oder Entnahmen auf die Identität von Nominal- und Realwert zu überprüfen, sondern zu beurteilen sei, ob das jeweilige Gesellschaftsvermögen die Haftsumme abdecke. In diesem Punkt irrt die Revision.

a) Richtig ist allerdings, daß für die Haftungsbefreiung durch Leistung der Haftsumme ähnlich wie im Recht der Kapitalgesellschaften das Kapitalaufbringungsprinzip mit der Folge gilt, daß der Kommanditist nur in Höhe des objektiven Wertes seiner Leistung von seiner Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern frei wird (vgl. BGHZ 95, 188, 197). Nicht mit dem von den Beteiligten vereinbarten, sondern mit dem realen höheren Wert wird ferner die Auszahlung in Ansatz gebracht, die aus dem Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter einer GmbH oder an den Kommanditisten geleistet wird, wenn es um dessen Haftung gegenüber den Gläubigern geht. Andere Bewertungsgrundsätze als bei Einlagen und Entnahmen gelten aber für das Gesellschaftsvermögen, wenn beurteilt werden soll, ob durch die Entnahme das Stammkapital der GmbH oder die Haftsumme des Kommanditisten angetastet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird bei einer GmbH die Frage, ob eine Entnahme zu einer Unterbilanz führt, nicht anhand eines Vermögensstatus mit Bilanzansätzen zu Verkehrs- oder Liquidationswerten beantwortet; vielmehr kommt es auf die Vermögenssituation der GmbH an, wie sie sich aus einer für den Zeitpunkt der Entnahme aufzustellenden, den Anforderungen des § 42 GmbHG entsprechenden ordnungsmäßigen Bilanz zu fortgeführten Buchwerten ergibt (Sen. Urteile v. 11.5.1987 – II ZR 226/86, WM 1987, 1040; v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, WM 1989, 14, 16). Auf diese Weise wird im Interesse des Gläubigerschutzes vermieden, daß die Unsicherheiten und Unwägbarkeiten einer Bewertung etwa vorhandener stiller Reserven dazu führen, daß Beträge an den Gesellschafter ausgeschüttet werden, die in Wahrheit zur Erhaltung des gezeichneten Kapitals erforderlich sind (vgl. Goerdeler/Müller in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 30 Rdnrn. 14, 17; Scholz/H. P. Westermann, GmbHG 7. Aufl. § 30 Rdnr. 13; Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 30 Rdnr. 6; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 30 Rdnr. 8). Das Gesetz trägt der darin liegenden Gefährdung des gezeichneten Kapitals in mehrfacher Hinsicht Rechnung. Einmal dient das Verbot des Ausweises unrealisierter Gewinne in der gesetzlichen Ausgestaltung des Anschaffungswertprinzips der Erhaltung des gezeichneten Kapitals und damit dem Gläubigerschutz; nach § 253 Abs. 1 HGB sind Vermögensgegenstände höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, so daß Wertsteigerungen, die ein Aktivum gegenüber diesen Kosten erfährt, vor dessen Veräußerung keinen Vermögenszuwachs darstellen; auf diese Weise wird verhindert, daß unsichere, weil durch kein Umsatzgeschäft realisierte Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet werden und damit zu einem das gezeichnete Kapital gefährdenden Substanzentzug führen (Adler/Düring/Schmalz, 4. Aufl., § 149 AktG Rdnr. 67; dies, 5. Aufl., Vorbem. zu §§ 252 bis 256 HGB Rdnr. 17; Priester, BB 1976, 1004, 1008). Das Gesetz hat ferner Vermögensgegenstände von der Aktivierung ausgeschlossen, deren Werthaltigkeit nicht hinreichend objektivierbar, vielmehr von subjektiven Urteilen abhängig ist. Hierzu zählen insbesondere der selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwert (vgl. § 255 Abs. 4 HGB) sowie die immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben worden sind (§ 248 Abs. 2 HGB). Der in diesen Bestimmungen geregelte Ausschluß eines Ermessensspielraums zugunsten einer strengen Objektivierung des Wertes durch das gezahlte Entgelt hat ebenfalls die Aufgabe, im Interesse der Gläubiger eine Ausschüttungssperre zu gewährleisten (vgl. Moxter, Bilanzlehre I, S. 95). Wegen dieser Aktivierungsverbote läßt sich die Frage, ob Auszahlungen an den Gesellschafter einer GmbH aus dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen erfolgen, von vornherein nicht aufgrund eines der Überschuldungsbilanz ähnelnden Vermögensstatus mit Verkehrs- oder Liquidationswerten, sondern nur aufgrund einer Erfolgsbilanz mit fortgeschriebenen Buchwerten beantworten. An die bei deren Aufstellung ausgeübten Bewertungs- und Abschreibungswahlrechte ist der Gesellschafter auch insoweit gebunden, als es um sonstige stille Reserven geht, die insbesondere durch steuerrechtliche erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen oder Abzüge von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten entstanden sind. Sie sind bei der Beurteilung, ob eine Auszahlung zu Lasten des gezeichneten Kapitals gegangen ist oder gehen würde, aus Gründen der Rechtssicherheit nur zu berücksichtigen, sofern sie im Rahmen des Anschaffungswertprinzips auch im Hinblick auf die künftigen Jahresabschlüsse rechtlich zulässig aufgelöst worden sind (vgl. Goerdeler/Müller in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 30 Rdnr. 17).

b) Für die Kommanditgesellschaft gelten – entgegen der Ansicht der Revision – dieselben Grundsätze. Zwar unterliegt der Kommanditist im Verhältnis zur Gesellschaft keinen zwingenden gesetzlichen Bindungen, wenn ihm der Gesellschaftsvertrag – oder die Mitgesellschafter im Einzelfall – die Entnahme seiner Einlage gestattet. Im Verhältnis zu den Gläubigern hat der Kommanditist jedoch Vermögen, das die geleistete Haftsumme abdeckt, der Gesellschaft ebenso zu belassen wie Gewinne, die benötigt werden, um eine verlustbedingte Unterdeckung der geleisteten Haftsumme auszugleichen (§ 172 Abs. 4 HGB). Ob das Gesellschaftsvermögen die vom Kommanditisten aufgebrachte Haftsumme deckt oder verlustbedingt nicht deckt, ist ebenfalls aufgrund einer Erfolgsbilanz mit fortgeschriebenen Buchwerten zu beurteilen. Das Anschaffungswertprinzip des § 253 Abs. 1 HGB und die Bilanzierungsverbote der §§ 248 und 255 Abs. 4 HGB gelten nicht nur für Kapitalgesellschaften, vielmehr für alle Kaufleute und damit auch für die Kommanditgesellschaft. Für die sonstigen, namentlich infolge Sonderabschreibungen entstandenen stillen Reserven gilt nichts anderes; sie sind nur zu berücksichtigen, soweit sie in den Erfolgsbilanzen auch im Hinblick auf künftige Jahresabschlüsse rechtlich zulässig aufgelöst worden sind.

Im Schrifttum wird allerdings der Standpunkt vertreten, daß Ausschüttungen von Verlustzuweisungsgesellschaften (sogenannten Abschreibungsgesellschaften) die Haftung des Kommanditisten dann nicht Wiederaufleben lassen, wenn in dem Jahre, in dem die Sonderabschreibung vorgenommen wird, die ausgeschütteten Beträge nur wegen der Sonderabschreibung nicht als Gewinn in der Bilanz ausgewiesen worden sind oder wenn in den folgenden Jahren die bilanziellen Verluste, zu deren Ausgleich die ausgewiesenen und ausgeschütteten Gewinne nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB hätten verwandt werden sollen, ausschließlich auf Sonderabschreibungen beruhen, also in Wahrheit Buchverluste darstellen. Für die Beurteilung der Haftungsverhältnisse sollen die stillen Reserven bis zur Höhe der fortgeführten – d.h. um die planmäßigen handelsrechtlichen Abschreibungen verminderten – Anschaffungskosten aufgelöst werden (vgl. Priester, BB 1976, 1004 ff., 1009; Karsten Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, 1977, S. 94 f.; ders. ZGR 1976, 337, jeweils beschränkt auf den Fall des § 174 Abs. 4 Satz 2 HGB; Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rdnr. 927; Hennerkes/Binz, Die GmbH & Co. KG, 7. Aufl. S. 85, 86; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 172 Anm. 2 C a.E.; Böger/Raupach, Handb. der steuerbegünstigten Kapitalanlagen, 1973, S. 85; a.A. Heymann/Horn, HGB, 1989, § 172 Rdnr. 17; Fetsch, Festschrift für Knur, 1972, S. 116; Bordewin, BB 1974, 1432).

Den Befürwortern einer solchen, den Wertansätzen in der Steuer- und Handelsbilanz widersprechenden Ausschüttung ist einzuräumen, daß die Haftung des Kommanditisten nicht wieder auflebt, wenn das Gesellschaftsvermögen weder durch Verluste unter den Betrag der Haftsumme herabgesetzt ist noch durch die Ausschüttung herabgesetzt wird. Richtig ist auch, daß die Erfolgsbilanz über den wahren Wert des Gesellschaftsvermögens regelmäßig keine zuverlässige Auskunft gibt, wenn darin Vermögensgegenstände aus steuerrechtlichen Gründen nach § 254 HGB mit Werten angesetzt sind, die unter den Wertansätzen liegen, die nach handelsrechtlichen Bewertungsmaßstäben möglich sind. Gleichwohl ist es im Interesse eines wirksamen Gläubigerschutzes geboten, die Beurteilung, ob Auszahlungen an den Kommanditisten zu dessen erneuter Haftung geführt haben, nicht mit den Unwägbarkeiten einer Reservenbewertung zu belasten. Selbst wenn man dem Kommanditisten die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegen würde, daß entgegen der buchmäßigen Situation der Erfolgsbilanz die wahren Vermögenswerte die Haftsumme abgedeckt haben (so Priester, BB 1976, 1004, 1009), wäre zwar gewährleistet, daß vom Kommanditisten die für den höheren Wertansatz sprechenden Gesichtspunkte vorgebracht werden; die möglicherweise ebenfalls bestehenden wertmindernden Faktoren blieben jedoch unberücksichtigt, weil sie vom Kommanditisten im Interesse seines Haftungsausschlusses verschwiegen und vom Gläubiger, der als Außenstehender vom Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der üblicherweise lange zurückliegenden Auszahlung regelmäßig keine Kenntnis hat, nicht in die Bewertung eingebracht werden. Derartige wertmindernde und deshalb eine außerplanmäßige Abschreibung i.S. von § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB rechtfertigende Faktoren können u.a. darin bestehen, daß das neu hergestellte Wirtschaftsgut an den Bedürfnissen des Marktes vorbeigebaut oder infolge technischen Fortschritts bereits im Zeitpunkt der Fertigstellung technisch veraltet ist; in beiden Fällen wäre das Wirtschaftsgut wirtschaftlich rentabel nicht mehr einsetzbar und deshalb dauernd in seinem Wert gemindert, so daß es ohne die steuerrechtliche Sonderabschreibung außerplanmäßig in einem Umfange hätte abgeschrieben werden müssen, der im Einzelfall der steuerrechtlichen Sonderabschreibung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten durchaus entsprechen mag. Diese dem Gläubiger üblicherweise unbekannten außergewöhnlichen Entwertungen des Anlagevermögens blieben regelmäßig unberücksichtigt, würden auf Veranlassung des Kommanditisten die steuerrechtlichen Sonderabschreibungen rückgängig gemacht, soweit sie die planmäßigen Abschreibungen i.S. des § 253 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HGB übersteigen.

Von denen, die eine Ausschüttung der im Jahresabschluß ausgewiesenen laufenden Gewinne haftungsrechtlich für unschädlich halten, wenn der Kapitalanteil allein wegen einer Sonderabschreibung aus den Vorjahren unter den Betrag der Haftsumme herabgemindert ist (vgl. Priester, BB 1976, 1004, 1009), wird ferner übersehen, daß der im Jahresabschluß ausgewiesene Gewinn ganz oder zum Teil darauf beruht, daß der Abschreibungsaufwand des betreffenden Jahres infolge der steuerrechtlichen Sonderabschreibung der Vorjahre geringer ist, daß – mit anderen Worten – dem Buchverlust des Vorjahres in späteren Jahren auf die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts verteilte Buchgewinne entsprechen, die im Gläubigerinteresse der Gesellschaft zu verbleiben hätten. Der vorliegende Fall zeigt das besonders deutlich: Die Gesellschaft hat gemäß § 42 f EStDV im Jahre 1971 von den Herstellungskosten 30 %, also 2.860.436 DM (Anl. K 1) gesondert und daneben während des Begünstigungszeitraums (Jahr der Herstellung und die vier folgenden Wirtschaftsjahre, also 1971 bis 1975) gemäß § 7 a Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG – verteilt über eine Nutzungsdauer von 14 Jahren – die Herstellungskosten linear abgeschrieben, und zwar in den Jahren 1972 bis 1975 in Höhe von jeweils 603.475 DM. Gemäß § 7 a Abs. 9 EStG bemaßen sich nach Ablauf des Begünstigungszeitraums, also ab 1976 die Abschreibungen nach Restwert und Restnutzungsdauer des Schiffes; diesem Umstand trug die Gesellschaft buchmäßig in der Weise Rechnung, daß sie ab 1976 die lineare Abschreibung in Höhe von 603.723 DM beibehielt und die Sonderabschreibung, die ab 1971 als Sonderposten mit Rücklagenanteil in Höhe von 2.860.436 DM auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen worden war (vgl. § 281 Abs. 1 Satz 1 HGB), verteilt auf die Restnutzungsdauer von 9 1/2 Jahren in Höhe von jährlich 301.098 DM ertragserhöhend auflöste. Ohne die Sonderabschreibung des Jahres 1971 wären folglich die Gewinne der Jahre 1977 (314.635,53 DM) und 1978 (369.470,78 DM) um 301.098 DM geringer ausgefallen. In den Jahren 1976 und 1979 hätte die Gesellschaft anstatt mit Gewinnen mit Verlusten abgeschlossen. Blieben die Buchverluste – wie gefordert – bei der Beurteilung, ob der Kapitalanteil unter den Betrag der Haftsumme herabgesetzt ist, unberücksichtigt, so wäre nicht auszuschließen, daß als Teil des in der Bilanz ausgewiesenen Gewinns auch die mit den Buchverlusten korrespondierenden Buchgewinne an die Kommanditisten ausgeschüttet werden. Diese Gefahr ließe sich nur ausräumen, wenn die Ausschüttungen auf der Grundlage von Handelsbilanzen erfolgen würden, in denen steuerliche Sonderabschreibungen bei der Ermittlung von Verlust und Gewinn unberücksichtigt blieben; Bilanzen, die von der Steuerbilanz abweichen, werden aber regelmäßig nicht aufgestellt, weil der auf das Bilanzrichtliniengesetz zurückgehende § 6 Abs. 3 EStG die Inanspruchnahme steuerlicher Sonderabschreibungen davon abhängig macht, daß die entsprechenden Wertansätze auch in der Handelsbilanz ausgewiesen und in den folgenden Jahren beibehalten werden. Dieser Grundsatz der sogenannten umgekehrten Maßgeblichkeit der Steuer für die Handelsbilanz soll bewirken, daß die Gewinnanteile, die infolge der Sonderabschreibung zunächst nicht besteuert werden, auch nicht als Gewinn an die Unternehmenseigner ausgeschüttet werden; dem Steuerverzicht des Staates soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Ausschüttungsverzicht des Unternehmenseigners entsprechen (vgl. BT-Drucks. 10/4268, S. 146). Wird im Interesse der Steuervergünstigung eine von der Steuerbilanz abweichende Handelsbilanz, die Gewinne und Verluste unbeeinflußt von den Sonderabschreibungen ausweist, nicht aufgestellt, so läßt sich auch die Frage, ob die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern wieder aufgelebt ist, nur auf der Grundlage der Verluste und Gewinne beurteilen, wie sie sich aus der mit der Steuerbilanz identischen Handelsbilanz ergeben. Das Berufungsgericht hat mithin zu Recht diese Bilanzen seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Nach ihnen sind alle Ausschüttungen an die Beklagte in Zeitpunkten erfolgt, in denen deren Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der Haftsumme herabgesetzt war.

3. Die Revision hält die Klage auch deshalb für unbegründet, weil der Kläger nicht dargelegt habe, daß das Kapitalkonto der Beklagten noch im Zeitpunkt der Konkurseröffnung (29. Januar 1987) im Umfange der Ausschüttungen unter den Betrag der Haftsumme herabgesetzt gewesen sei. Die Revision verkennt dabei, daß es allein Sache des Kommanditisten ist, im einzelnen darzulegen und zu beweisen, daß er die Haftsumme, soweit sie wegen der Ausschüttungen als nicht geleistet gilt, der Gesellschaft durch Stehenlassen von (haftungsrechtlich) ausschüttungsfähigen Gewinnen wieder zugeführt hat. Kennt der Kommanditist die Geschäftsergebnisse nicht, so mag der Konkursverwalter als für die Buchführung Verantwortlicher (vgl. BGHZ 74, 316, 319) verpflichtet sein, sie im einzelnen darzulegen. Das setzt aber voraus, daß der Kommanditist wenigstens geltend macht, daß Gewinne in einer relevanten Größenordnung erzielt worden sind. Diese Voraussetzung fehlt. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, daß die Beklagte nicht behauptet habe, daß in der Zeit ab 1. Januar 1985 bis 29. Januar 1987 ihr negatives Sonderkonto durch Gewinne ausgeglichen worden sei. Auf diese Feststellung hat das Berufungsgericht unter Hinweis darauf Bezug genommen, daß die Beklagte in der Berufungsinstanz ihren Vortrag erster Instanz nicht ergänzt habe. Daß dabei vom Berufungsgericht Vortrag der Beklagten übersehen worden ist, macht auch die Revision nicht geltend. Ihr Hinweis auf den Erlös, der in Höhe von 1,74 Mio DM aus dem Verkauf des Schiffes am 24. Januar 1986 erzielt worden ist, hilft nicht weiter; denn selbst wenn man unterstellt, daß die Herstellungskosten des Schiffes in diesem Zeitpunkt völlig abgeschrieben waren und die genannte Summe Gewinn darstellte, wäre die Beklagte daran nur mit 3/209, also in Höhe von 24.976 DM beteiligt. Dieser Betrag reichte angesichts der Tatsache, daß am 31. Dezember 1983 das die Haftsumme in Höhe von 60.000 DM deckende Kapital verbraucht war und eine Überschuldung von 16.339,62 DM bestand nicht aus, diese Fehlbeträge abzudecken.

4. Der Revision ist einzuräumen, daß die Haftung des Kommanditisten im Konkurs der Gesellschaft nicht mehr durchgreift, soweit die Haftsumme zur Befriedigung der Gläubiger nicht benötigt wird. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch hat der Konkursverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im Stande ist (vgl. BGHZ 39, 319, 326; Sen. Urteile v. 3.7.1978 – II ZR 54/77, WM 1978, 898, 899; v. 5.11.1979 – II ZR 145/78, WM 1980, 332, 333; v. 9.2.1981 – II ZR 38/80, WM 1981, 761). Die Revision rügt zu Unrecht, daß der Kläger dieser Darlegungslast nicht nachgekommen sei. Der Kläger hat vorgetragen, daß Forderungen in Höhe von 1.348.110,67 DM zur Konkurstabelle angemeldet und in Höhe von 1.144.321,37 DM anerkannt worden seien; Zahlungen in Höhe von 346.103,57 DM seien von seiten der Kommanditisten zur Masse gelangt. Selbst wenn dem Aktivvermögen zusätzlich die in der Konkursbilanz aufgeführten Forderungen aus Lieferungen zum Nominalwert von 449.566,25 DM hinzugerechnet werden, bleibt es hinter den anerkannten Konkursforderungen zurück. Die Beklagte hat zu diesen Zahlen nicht Stellung genommen, so daß sie nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen sind.

5. Auch wenn die noch aufzubringenden Haftsummen der Kommanditisten nicht alle benötigt werden, um die Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen, ist der Konkursverwalter nicht verpflichtet, den benötigten Betrag auf alle Gesellschafter (entsprechend den geschuldeten Haftsummen) zu verteilen und die noch rückständigen Haftsummen demgemäß von den Gesellschaftern in der Weise einzufordern, daß alle gleichmäßig belastet sind; die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfange er gegenüber den einzelnen Gesellschaftern rückständige Haftsummen geltend macht, steht vielmehr in seinem – pflichtgemäß auszuübenden – Ermessen (für den ähnlich gelagerten Fall des Liquidators vgl. Sen. Urt. v. 5. November 1979 – II ZR 145/78, WM 1980, 332, 333).

 

Unterschriften

Boujong, Brandes, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 334

BB 1990, 317

NJW 1990, 1109

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1990, 307

JuS 1990, 668

GmbHR 1990, 209

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