Leitsatz (amtlich)

›a) Im Emissionsprospekt für einen geschlossenen Immobilienfonds müssen Sondervorteile, die den Gründungsgesellschaftern gewährt werden, offengelegt werden.

b) Der Treuhandkommanditist verletzt seine Aufklärungspflicht, wenn er im Prospekt für ein Beteiligungsmodell nicht darauf hinweist, daß die ausgewiesenen Baukosten erhöht wurden, um eine Mietausfallgarantie anbieten zu können.

c) Über geschäftliche Vorgänge kann sich eine Partei nur dann mit Nichtwissen erklären, wenn sie in ihrem Unternehmen ohne Erfolg Erkundigungen angestellt hat; der Ablauf von Aufbewahrungsfristen für einschlägiges Schriftwerk ist insoweit ohne Belang.‹

 

Verfahrensgang

LG München I

OLG München

 

Tatbestand

Die Kläger fordern von der verklagten Bank mit der Behauptung Schadensersatz, sich aufgrund von der Beklagten zu vertretender falscher Prospektangaben mit Verlust an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt zu haben.

Die Beklagte war als Treuhandkommanditistin an der Firma "B. KG, M." beteiligt, die sie am 24. September 1971 gemeinsam mit dem Baukaufmann H. Mo. als persönlich haftendem Gesellschafter ohne Kapitaleinlage gegründet hatte. Der Gesellschaftszweck bestand im Erwerb von bebauten und unbebauten Grundstücken, der Errichtung von Wohn- und Geschäftsbauten sowie der nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung, Betreuung und Verwaltung derartiger Bauten. Die von der Beklagten zu leistende Einlage in Höhe von 20 Mio. DM wurde aufgebracht, indem die Beklagte Anlegern Unterbeteiligungen gegen die Zahlung einer bestimmten Beteiligungssumme zuzüglich eines Agios einräumte und die Gesellschaftsrechte als Treuhänderin der Anteilsberechtigten ausübte. Die Kläger zeichneten Anteile zu einem Nominalbetrag zwischen 10.000,-- DM und 250.000,-- DM.

Für den Fonds wurde mit einem Prospekt geworben, den die Beklagte und die Unternehmensgruppe H. Mo. gemeinsam herausgegeben und in dem sie sich als die richtigen Partner für eine sichere Kapitalanlage herausgestellt hatten. In dem Prospekt wurden die Kosten für das Grundstück mit 9,3 Mio. DM und für das Gebäude mit 26,7 Mio. DM angegeben. Die Finanzierung sollte in Höhe von 20 Mio. DM durch die Kommanditanteile und in Höhe von 16 Mio. DM durch Hypotheken erfolgen. Als Gewinnausschüttung wurde ab dem 1. Dezember 1971 bis zur Bezugsfertigstellung eine Verzinsung von 5,5 % des Zeichnungsbetrages zugesagt. Ab Baufertigstellung sollten die Mieteinnahmen nach der Kalkulation des Prospekts ebenfalls eine jährliche Barausschüttung in Höhe von 5,5 % auf den Zeichnungsbetrag ermöglichen. Die Barausschüttung wurde von dem Komplementär Mo. für die Dauer von drei bis fünf Jahren persönlich garantiert. Aufgrund einer zugleich mit dem Gesellschaftsvertrag am 24. September 1971 geschlossenen, in dem Prospekt jedoch nicht erwähnten Vereinbarung sagte die neugegründete Gesellschaft dem Komplementär Mo., der Beklagten sowie der Mo. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG für ihre Mitwirkung bei dem Projekt jeweils eine Vergütung zu.

Das Fondsobjekt wurde im Jahre 1976 fertiggestellt, ein ausschüttungsfähiger Gewinn aber nicht erwirtschaftet. Das Gebäude wurde im Jahre 1984 verkauft und der Fonds aufgelöst. Den Anlegern wurden zuzüglich gewisser Leistungen aus der Verzinsungsgarantie 40 % ihrer Anlage ausbezahlt.

Die Kläger machen geltend, sie seien durch unrichtige Prospektangaben zur Zeichnung ihrer Beteiligung veranlaßt worden. Der Prospekt habe einzelne Nebenvergütungen nicht ausgewiesen, die Baukosten, in die Beträge zur Stützung der Mieten eingeflossen seien, unrichtig angegeben und eine unerreichbare Rendite zugrunde gelegt. Im Falle einer zutreffenden Aufklärung hätten sie sich dem Fonds nicht angeschlossen. Die Kläger verlangen Rückzahlung der Anlagebeträge nebst Agio unter Berücksichtigung der erstatteten Zahlung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Wie der Senat in einem von einer anderen Zeichnerin dieses Anlagemodells gegen die Beklagte geführten Rechtsstreit entschieden hat, ist die Beklagte in ihrer Funktion als Treuhandkommanditistin den Klägern nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung, sondern auch nach hergebrachten Grundsätzen vorvertraglicher Haftung schadensersatzpflichtig, wenn und soweit sie in Kenntnis oder schuldhafter Unkenntnis der wahren Verhältnisse einen in wesentlichen Punkten unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Emissionsprospekt herausgegeben oder ihre Erfüllungsgehilfin, die Unternehmensgruppe Mo., die auch auf deren Kalkulation beruhenden Angaben in den Prospekten bei den Beitrittsverhandlungen schuldhaft nicht richtiggestellt hat (Sen.Urt. v. 14. Januar 1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533 f.). Dieser Anspruch verjährt auch dann in 30 Jahren, wenn über den Beitritt unter Verwendung von Prospekten verhandelt worden ist (Sen.Urt. v. 14. Januar 1985 aaO. 534 m.w.N.). Mithin hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durchgreift.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß den Anlegern nur die der Beklagten, aber nicht die dem Komplementär Mo. und seiner Unternehmensgruppe aufgrund der Vereinbarung vom 24. September 1971 zugesagten Vergütungen offenzulegen waren.

a) Wie der Senat in der bereits zitierten Parallelentscheidung ausgeführt hat, besteht eine Aufklärungspflicht über die den Gründungsgesellschaftern gewährten Sondervorteile (Sen.Urt. v. 14. Januar 1985 aaO. 534). Zu den offenbarungspflichtigen Tatsachen gehören auch wesentliche kapitalmäßige und personelle Verflechtungen zwischen den Gesellschaftern und den Unternehmen, in deren Hand die Gesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat. Derartige Verflechtungen begründen die Gefahr einer Interessenkollision zum Nachteil der Gesellschaft und der im Rahmen einer Unterbeteiligung beitretenden Gesellschafter. Der einzelne Anleger kann deshalb erwarten, daß er über diesen Sachverhalt aufgeklärt wird, damit er in Kenntnis des Risikos seine Entscheidung treffen und gegebenenfalls der bestehenden Gefährdung begegnen kann (BGHZ 79, 337, 345).

b) Die Offenbarungspflicht erstreckt sich folglich nicht nur auf die der Treuhandkommanditistin, sondern auf die sämtlichen Gründungsgesellschaftern und den mit ihnen verflochtenen Unternehmen gewährten Sonderzuwendungen. Für den Beitrittsentschluß eines Interessenten sind weniger einzelne als vielmehr die Summe der Sondervorteile von Bedeutung. Dabei spielt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Rolle, ob eine Vergütung der jeweiligen Leistung üblich ist und sie sich in einem angemessenen Rahmen hält. Da allein kapitalmäßige oder personelle Verflechtungen bereits die Gefahr einer Interessenkollision zum Nachteil der Anleger hervorrufen können, ergreift die Aufklärungspflicht ohne Unterschied alle Zuwendungen an die Gesellschafter und ihre Unternehmen.

Mithin war die Beklagte verpflichtet, die Kläger über die Vergütungen zu unterrichten, die dem Komplementär Mo. und Gesellschaften seiner Unternehmensgruppe außerhalb des Gesellschaftsvertrages durch die Vereinbarung vom 24. September 1971 eingeräumt worden waren. Nach § 5 dieses Vertrages erhielt der Komplementär Mo. für die Übernahme der persönlichen Haftung, die regelmäßige geschäftsführende Tätigkeit und die Fondsverwaltung einen Anteil von bis zu 3 % der jährlichen Bruttomieten. In dieser Vertragsklausel wurden der Mo. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG für die Übernahme der Hausverwaltung bis zu 5 % der Bruttomieten zugestanden. Im Verschweigen dieser Leistungen liegt ein von der Beklagten zu verantwortender Mangel des Prospekts.

3. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist auch die Würdigung des Berufungsgerichts, es sei nicht offenbarungspflichtig gewesen, daß die Übernahme der Mietgarantie bei der Gestaltung des Baufestpreises in Rechnung gestellt wurde.

a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt der Festpreis für den Bau grundsätzlich der freien Kalkulation und Festsetzung durch die Vertragspartner. Durch die Übernahme einer Mietgarantie stelle sich das Angebot gegenüber den Interessenten günstiger dar. Jeder im Wirtschaftsleben Bewanderte wisse aber, daß jede Leistung ihren Preis habe. Diese Ausführungen beachten nicht ausreichend die bei einem Beteiligungsmodell der vorliegenden Art bestehenden Besonderheiten.

b) Der Entschluß, sich einem solchen Anlagemodell anzuschließen, ist für den einzelnen Beitrittswilligen von weittragender wirtschaftlicher Bedeutung und im Regelfalle mit erheblichen Risiken verbunden. Dabei hat der Beitrittsinteressent im allgemeinen keine eigenen Unterrichtungsmöglichkeiten; er ist vielmehr darauf angewiesen, sich anhand des Emissionsprospekts über das zu finanzierende Vorhaben zu informieren. Dieser bildet im Regelfall die Grundlage für den Beitrittsentschluß. Der Anleger darf daher erwarten, daß er ein zutreffendes Bild von dem Beteiligungsobjekt erhält, d.h. daß der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet, insbesondere über die Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können (BGHZ 79, 337, 344). In dem mehrfach erwähnten Parallelverfahren hat der Senat für das vorliegende Anlagemodell ausgeführt, daß insbesondere die Höhe der tatsächlichen und vereinbarten Baupreise für den Beitrittsentschluß von wesentlicher Bedeutung sein kann (Urt. v. 14. Januar 1985 aaO. 534).

c) Daß der Erfolg eines Immobilienfonds entscheidend von kostendeckenden Mieten abhängt, ist Anbietern dieser Anlageform wie auch interessierten Kreisen bekannt. Wer Anleger für Beteiligungen dieser Art zu gewinnen sucht, gibt durch die dem Prospekt zugrundeliegende Wirtschaftlichkeitsberechnung ohne weiteres zu verstehen, daß nach seiner Einschätzung auf dem Wohnungsmarkt an den Baukosten orientierte Mieteinkünfte zu erzielen sind. Schon mit Rücksicht auf diese Gegebenheiten darf ein Anleger mangels anderslautender Hinweise davon ausgehen, daß die auf einen höchst unerwünschten Ausnahmefall zugeschnittene Mietausfallgarantie als eher fernliegendes Wagnis nicht speziell vergütet wird, sondern lediglich einen besonderen Anreiz bieten soll, sich einem Anlagemodell anzuschließen.

Mittelbar mag sich eine Mietausfallgarantie im Baupreis niederschlagen, weil eine intensive Betreuung des Projekts, die Wahl eines bevorzugten Standorts, die Beauftragung besonders zuverlässiger Handwerker und eine hochwertige Bauausführung als Vorbedingungen für eine lohnendere Vermietbarkeit entsprechende Kosten verursachen. Jedem Anleger wird einleuchten, daß diese Umstände für die Bereitschaft, eine Mietausfallgarantie zu stellen, von ausschlaggebender Bedeutung sind. Davon abgesehen braucht ein Anleger ohne nähere Erläuterung nicht anzunehmen, daß die in die Baukosten Aufschläge zur Stützung der Mieten eingerechnet sind.

Schließlich bringt ein Gesellschafter durch die Übernahme einer Mietausfallgarantie zum Ausdruck, daß er besonderes Vertrauen in die Solidität dieses Anlagemodells setzt. Wird dieses Werbeinstrument eigens entgolten, so verliert es seine bestimmungsgemäße Funktion eines zusätzlichen vertrauensbildenden Faktors. Unter diesen Umständen wird durch die stillschweigende Einbeziehung der Mietausfallgarantie nicht nur der Baupreis zu hoch ausgewiesen, weil die Gegenleistung für dieses Versprechen - wie auch aus dem Schreiben des Komplementärs Mo. vom 1. September 1971 hervorgeht - üblicherweise nicht zu den Baukosten gehört. Zugleich unterliegt der Anleger der Fehlvorstellung, den Vorteil eines eigenständigen Sicherungsmittels zu genießen. War hier die Mietausfallgarantie in der Preisgestaltung mitenthalten, so bedeutet dies also einen weiteren von der Beklagten zu vertretenden Prospektmangel.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, § 11 der Allgemeinen Bedingungen des Fonds führe die durch den Pauschalpreis umfaßten Leistungen nicht lückenlos auf und lasse folglich Raum für eine Abgeltung der Mietausfallgarantie durch den Baufestpreis. Es kann dahinstehen, ob diese Schlußfolgerung zutrifft. Als Treuhandkommanditistin war die Beklagte jedenfalls verpflichtet, die Anleger in dem Prospekt über die Hintergründe der Finanzierung der Mietausfallgarantie zutreffend und vollständig zu informieren.

d) Nicht frei von Rechtsirrtum sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob die Beklagte das (durch das Schreiben vom 1. September 1971 gestützte) Vorbringen der Kläger, auf Verlangen des Komplementärs Mo. das Mietausfallwagnis dem Baupreis hinzugeschlagen zu haben, wirksam bestritten hat.

aa) Einer Partei ist es grundsätzlich gemäß § 138 Abs. 4 ZPO verwehrt, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Nur ausnahmsweise kommt ein Bestreiten eigener Handlungen und Wahrnehmungen dann in Betracht, wenn die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können (Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 52. Aufl. § 138 Rdn. 56; Peters in: MüKO, ZPO § 138 Rdn. 27; AK-Schmidt, ZPO § 138 Rdn. 73). Die bloße Behauptung, sich nicht zu erinnern, reicht indessen nicht aus (Hartmann aaO.). Ferner scheidet ein Bestreiten mit Nichtwissen aus, wenn eine Partei in ihrem eigenen Unternehmensbereich Erkundigungen einziehen kann (vgl. BGHZ 109, 205, 209 f.).

bb) Ein substantiierter Sachvortrag kann einer Partei unzumutbar sein, die nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist des mittlerweile außer Kraft getretenen § 44 Abs. 4 HGB nicht mehr über bestimmte Unterlagen verfügt (vgl. Sen.Urt. v. 9. Dezember 1971 - II ZR 268/67, WM 1972, 281 f.). Dies gilt aber nur, soweit die Partei glaubhaft macht, die Schriftstücke tatsächlich nicht mehr in ihren Händen zu haben. Allein der Fristablauf berechtigt eine Partei indessen keineswegs, Wissen aus noch vorhandenem Aktenmaterial Gericht und Gegner vorzuenthalten. Die Beklagte hat sich im vorliegenden Rechtsstreit erstmals im Berufungsrechtszug auf die Regelung des früheren § 44 Abs. 4 HGB berufen und ohne jede Begründung geltend gemacht, nicht mehr auf alle Unterlagen zurückgreifen zu können. Da die Beklagte bislang nicht eindeutig erklärt hat, dieses Schriftwerk infolge des Ablaufs der Aufbewahrungsfrist vernichtet zu haben, kann ihr Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) keine Anerkennung finden. Im übrigen wäre die Behauptung, sämtliche Aufzeichnungen entfernt zu haben, nur beachtlich, wenn sie glaubhaft ist. Hierzu müßte die Beklagte - immerhin eine große deutsche Bank - im einzelnen vortragen, nach Ablauf welcher Zeiträume und unter welchen näheren Voraussetzungen in ihrem Geschäftsbereich Handelsunterlagen beseitigt werden. Angesichts der Größenordnung der Beteiligung und des weiteren Umstandes, daß nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten mehrere Abteilungen ihres Hauses mit dem Projekt befaßt waren, wäre es ungewöhnlich, wenn sich die Beklagte ihres gesamten Schriftwerks entledigt hätte. Zumindest müßte sie darlegen, um welche Teile es sich handelte und aus welchem Grund die Aussonderung erfolgte. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit wie auch in Parallelverfahren zur Vorlage einzelner Schriftstücke in der Lage war. Da der Fonds erst im Jahre 1984 aufgelöst wurde und die Beklagte in der Zeit von 1981 bis 1990 mit einer anderen Anlegerin in einem Rechtsstreit stand, dürfte kaum ein Anlaß vorgelegen haben, sich der gesamten Unterlagen zu entäußern.

Zwar können der Beklagten die Kenntnisse ihres ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds Dr. S. (vgl. BGHZ 109, 205, 209) und ihres verstorbenen Mitarbeiters G. nicht zugerechnet werden. Die Beklagte kann sich aber nicht allein mit dem Hinweis, daß diese beiden Personen ihrem Unternehmen nicht mehr angehören, jeder Erklärungslast entziehen. Nach ihrem eigenen Sachvortrag kamen Mitarbeiter mehrerer ihrer Abteilungen - etwa auch der seinerzeit der Rechtsabteilung angehörende Dr. Sz. - mit dem Anlagemodell in Berührung. Bei lebensnaher Betrachtung drängt es sich auf, daß noch weitere Personen über die damaligen Vorgänge orientiert sein können. Vor diesem Hintergrund kommt ein Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen erst in Betracht, nachdem sie in ihrem Unternehmen ohne Erfolg nähere Erkundigungen angestellt hat (BGHZ 109, 205, 210).

4. Verfahrensfehlerhaft ist das Berufungsgericht, wie die Revision ebenfalls zu Recht ausführt, dem durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vorbringen der Kläger, auf der Grundlage der Konzeption des Anlagemodells sei eine Barausschüttung von 5,5 % unerreichbar gewesen, nicht nachgegangen. Dabei hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierungslast überspannt.

a) Im allgemeinen ist derjenige, der ein Recht beansprucht, nicht schon deshalb, weil der Gegner bestreitet, gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Die Ablehnung eines Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (BGH, Urt. v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709 m.w.N.).

b) § 403 ZPO nimmt zur Beweiserleichterung auf die Informationsnot der beweispflichtigen Partei Rücksicht und verlangt keine wissenschaftliche (sachverständige) Substantiierung (R. Söllner, Der Beweisantrag im Zivilprozeß 1972 S. 67 f.). Für den Antritt eines Sachverständigenbeweises genügt die summarische Angabe der "zu begutachtenden Punkte" (Damrau in: MüKO, ZPO § 403 Rdn. 3; Hartmann aaO. § 403 Rdn. 1). Es muß nur das Ergebnis mitgeteilt werden, zu dem der Sachverständige kommen soll (Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 403 Anm. B II), nicht der Weg, auf dem dies geschieht. Die Kläger haben einen Prospektmangel durch die Behauptung, die zugesicherte Barausschüttung von 5,5 % habe einer realistischen Grundlage entbehrt, hinreichend substantiiert dargetan. Sie brauchten kein geschlossenes Rechenwerk vorzulegen, aus dem sich im einzelnen ergibt, warum diese Rendite nicht zu erzielen war. Darum können einzelne Unklarheiten, die der Berechnung der Kläger anhaften mögen, die aber keineswegs die Schlußfolgerung zulassen, daß es sich um eine aufs Geratewohl aufgestellte und darum unbeachtliche Behauptung handelt (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991 aaO.), nicht die Ablehnung des Beweisangebots tragen.

5. Da die rechtliche Prüfung ergeben hat, daß die Beklagte weitere Aufklärungspflichten verletzt hat, entfällt der Ursachenzusammenhang nicht aufgrund der Würdigung des Berufungsgerichts, allein der fehlende Hinweis auf die der Beklagten gewährten Sondervorteile habe sich auf die Anlageentscheidung der Kläger nicht ausgewirkt.

6. Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit dieses die noch notwendigen Feststellungen treffen kann. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

7. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu erwägen haben, ob bereits der fehlende Ausweis der Sondervergütungen (oben 2.) für den Beitrittsentschluß der Kläger ausschlaggebend war. Nach der Rechtsprechung des Senats spricht die Lebenserfahrung dafür, daß ein in wesentlichen Punkten unrichtiger Prospekt für den auf seiner Grundlage erklärten Beitritt ursächlich gewesen ist. Es bleibt jedoch Sache des Tatrichters, im Rahmen der nach § 286 ZPO gebotenen Gesamtwürdigung nach Erhebung der etwa angetretenen Beweise zu entscheiden, ob er von der Ursächlichkeit des Aufklärungsmangels für den Beitrittsentschluß überzeugt ist. Dabei sind einerseits die Gründe, die der Geschädigte dafür vorgetragen hat, warum er sich bei Kenntnis aller ihm zu offenbarenden Umstände gegen den Vertragsschluß entschieden hätte, andererseits aber auch die objektive Bedeutung zu berücksichtigen, die die dem Zeichner verschwiegenen Tatsachen für die Werthaltigkeit des Anlageobjekts hatten (vgl. Sen.Urt. v. 28. September 1992 - II ZR 224/91, NJW 1992, 3296 f.). Wenn das Berufungsgericht nicht die Überzeugung gewinnen kann, daß der Anlageentschluß auf diesen Verstößen beruht, werden die von den Klägern außerdem behaupteten Pflichtverletzungen (oben 3. u. 4.), gegebenenfalls nach Beweiserhebung, in die Prüfung einzubeziehen sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993291

BB 1994, 2376

DB 1995, 921

NJW 1995, 129

NJW 1995, 130

BGHR BGB vor § 1 Prospekthaftung 5

BGHR ZPO § 138 Abs. 4 Erkundigungspflicht 3

BGHR ZPO § 403 Substantiierung 1

DRsp I(125)426a-b

WM 1994, 2192

ZIP 1994, 1851

MDR 1995, 275

VersR 1995, 181

ZfBR 1995, 24

ZBB 1995, 79

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