Leitsatz (amtlich)

Zum kollusiven Zusammenwirken eng verwandter Geschäftsführer zweier selbständiger Gesellschaften bei der Erfüllung gegenseitiger Vertragspflichten.

Zu den Voraussetzungen, unter denen das Gericht bei der Behauptung innerer Tatsachen Beweis zu erheben hat.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, § 164 Abs. 1 S. 1; ZPO § 373

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 07.06.2001)

LG Hagen (Urteil vom 03.07.2000)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Hamm v. 7.6.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Hagen v. 3.7.2000 wegen eines Betrages von 216.660,35 DM nebst Kosten zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin produziert und vertreibt u. a. Fliesen und Keramikprodukte; die Beklagte vertreibt Fliesen und Keramik. Die Beklagte hatte seit 1988 Geschäftsräume auf dem Grundstück der Klägerin gemietet. Jew. alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin sind die Brüder H. -J. und H. -A. W., die zu je 50 % an der Klägerin beteiligt sind. H. -A. W. ist der Vater von M. W. , dem Geschäftsführer der Beklagten. Die Klägerin lieferte der Beklagten im Zeitraum Mai bis Juli 1995 Waren und erbrachte Leistungen, für die sie insgesamt 248.162,09 DM in Rechnung stellte.

Bei der Spar- und Darlehenskasse M. -O. eG (künftig: Sparkasse) hatte die Klägerin 1986 ein Darlehen i. H. v. 3.138.000 DM aufgenommen. Ihre Geschäftsführer H. -A. und H. -J. W. traten ihre Forderungen aus Lebensversicherungsverträgen gegen die G. K. Lebensversicherung AG (künftig: Lebensversicherung AG) zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung der Klägerin mit der Sparkasse an diese ab. Die Darlehensforderung der Sparkasse gegen die Klägerin wurde auf dem Konto-Nr. bei der Sparkasse geführt. Die Klägerin unterhielt daneben bei der Sparkasse ein laufendes Geschäftskonto mit der Nr. .

Die Lebensversicherung AG überwies nach Fälligkeit des Anspruches von H. -A. W. im Juli 1995 254.713,70 DM auf dessen Privatkonto bei der Sparkasse (Konto-Nr.). Am 12.7.1995 teilte die Sparkasse schriftlich H. -A. W. mit:

"... Die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus dieser Lebensversicherung dient ausdrücklich und ausschließlich der Sicherung unserer Forderungen aus dem Darlehen Nr. gemäß Darlehensvertrag v. 28./29.8.86.

Verständlicherweise ist es uns nicht möglich, auf diese Unterlegung unserer langfristigen Forderungen gegen die Firma H. u. H. W. GmbH & Co. KG zu verzichten.

Auf Grund dessen bestehen darauf, dass der Auszahlungsbetrag entweder gemäß unseres Schreibens v. 28.6.95 anzulegen und zu verpfänden ist, oder hieraus eine Sondertilgung zu obigem Darlehen erfolgt."

Am 1.8.1995 fand in den Räumen der Sparkasse eine Besprechung zwischen H. -A. W. , seinem Sohn M. W. und K. M. , einer Mitarbeiterin der Sparkasse, statt. Danach überwies H. -A. W. 254.713,70 DM von seinem Privatkonto auf das Konto-Nr. der Beklagten bei der Sparkasse, wobei er als Verwendungszweck "Geschäftseinlage" angab. M. W. überwies diesen Betrag vom Konto der Beklagten auf das Darlehenskonto der Klägerin bei der Sparkasse. Als Verwendungszweck gab er eine Rechnungsaufstellung v. 1.8.1995 an.

Die Klägerin behauptet, die Brüder W. hätten vereinbart, dass ihre Lebensversicherungen bei Fälligkeit zur teilweisen Ablösung des Darlehens der Sparkasse verwandt werden sollten. Dies sei auch dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt gewesen. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 31.501,74 DM verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das OLG hat die Klage vollständig abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision den Klageantrag in Höhe eines Betrages von 216.660,35 DM weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Klageanspruch sei durch Erfüllung seitens der Beklagten erloschen. Die Beklagte habe durch Zahlung auf ihre unstreitige Verbindlichkeit den geschuldeten Leistungserfolg erbracht. Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Geschäftsführer H. -A. und M. W. vor dem LG hätten diese eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass die offenen Verbindlichkeiten der Beklagten bei der Klägerin gemäß Rechnungsaufstellung v. 1.8.1995 durch die Überweisung getilgt werden sollten. Der Umstand, dass die Zahlung auf das Darlehenskonto der Klägerin erfolgt sei, stehe nicht entgegen. Im Ergebnis liege eine doppelte Tilgungsbestimmung und -wirkung vor: Nicht nur die Darlehensforderung der Sparkasse gegenüber der Klägerin sei in Höhe der Zahlung zum Erlöschen gebracht worden, sondern auch die Forderung der Klägerin aus Lieferungen und Leistungen gegenüber der Beklagten. Wenn die Beklagte geltend mache, ihre Verbindlichkeit erfüllt zu haben, stehe dem der Einwand der Sittenwidrigkeit oder der unzulässigen Rechtsausübung nicht entgegen. Allerdings könnte sich die Beklagte auf Erfüllung dann nicht berufen, wenn ein kollusives Zusammenwirken zwischen H. -A. W. , dem Geschäftsführer der Klägerin, und M. W. , dem Geschäftsführer der Beklagten, vorläge oder H. -A. W. seine Vertretungsmacht missbraucht hätte und dies M. W. bekannt gewesen oder vorwerfbar unbekannt geblieben wäre. Soweit die Klägerin ihre Behauptung, M. W. habe gewusst, dass das Kapital seines Vaters aus einer an die Sparkasse abgetretenen Forderung gegen die Lebensversicherung AG stamme, und ihm sei auch die Vereinbarung seines Vaters mit dem Onkel bekannt gewesen, die Lebensversicherungsverträge zur Tilgung des Hypothekendarlehens einzusetzen, in das Wissen der Zeugen B. , K. und T. gestellt habe, sei die Beweiserhebung unzulässig. M. W. Wissen sei eine innere Tatsache. Daher hätte die Klägerin schlüssig darlegen müssen, auf welche Weise die benannten Zeugen von dieser inneren Tatsache Kenntnis erlangt hätten. Aber auch dann, wenn die Erfüllung der Klageforderung durch die Zahlung der Beklagten nicht gegeben sein sollte, wäre die Forderung der Klägerin durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit ihrem dann gegebenen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung erloschen.

II.

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Allerdings käme, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, einer Vereinbarung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers der Klägerin, H. -A. W. , mit dem Geschäftsführer der Beklagten, wonach durch die Zahlung der Beklagten auf das Darlehenskonto der Klägerin statt auf deren Geschäftskonto die Forderung der Klägerin auf die Warenlieferungen und sonstigen Leistungen getilgt werden sollte, grundsätzlich Erfüllungswirkung zu (§ 362 Abs. 1 BGB). Zutreffend sind auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen, die dennoch einem Erlöschen der Forderung entgegenstehen könnten. Wenn der Vertreter und sein Geschäftsgegner "hinter dem Rücken" des Vertretenen und zu dessen Schaden gehandelt haben, ist ihre Absprache sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und daher nichtig (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.1988 - VI ZR 233/87, MDR 1988, 947 = NJW 1989, 26 unter II m. w. N.). Liegt auf Seiten des Vertreters ein Missbrauch der Vertretungsmacht vor und hat der Geschäftsgegner dies erkannt oder grob fahrlässig die Augen davor verschlossen, steht dem Vertretenen der Einwand aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegen die Wirksamkeit des Geschäfts zu (BGH BGHZ 50, 112 [114]; v. 31.1.1991 - VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315 [320] = MDR 1991, 635; Urt. v. 3.10.1989 - XI ZR 154/88, MDR 1990, 436 = NJW 1990, 384 unter I, 3 m. w. N.).

2. Wie die Revision zu Recht rügt, hat es das Berufungsgericht jedoch verfahrensfehlerhaft unterlassen (§ 286 ZPO), dem Vortrag der Klägerin zum treuwidrigen Verhalten des Geschäftsführers H. -A. W. und seines Sohnes nachzugehen und die hierzu angetretenen Beweise zu erheben. Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob H. -A. W. treuwidrig und sittenwidrig gehandelt hat, als er den ihm zugeflossenen Lebensversicherungsbetrag nicht unmittelbar auf das Darlehenskonto der Gesellschaft weitergeleitet, sondern ihn darlehensweise der Beklagten zur Verfügung gestellt und dieser gestattet hat, ihre Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber durch Überweisung auf das Darlehenskonto zu erfüllen. Es hat den Beweisantritt der Klägerin für ihre Behauptung, der Geschäftsführer der Beklagten habe gewusst, dass sein Vater seine Rechte aus der Lebensversicherung schon zuvor an die Sparkasse abgetreten habe und dass sein Vater und sein Onkel übereingekommen seien, ihre Lebensversicherungsbeträge zur Tilgung des Hypothekendarlehens einzusetzen, als unzulässig angesehen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, auf Grund welcher konkreten Umstände die benannten Zeugen über den Kenntnisstand des Geschäftsführers der Beklagten berichten könnten. Das Berufungsgericht hätte jedoch zumindest den Zeugen B. , den rechtlichen Berater H. -A. W. , vernehmen müssen.

Die Ermittlung des Kenntnisstandes des Geschäftsführers der Beklagten als eine innere Tatsache ist in der Weise möglich, dass Umstände festgestellt werden, die den Schluss hierauf zulassen (BVerfG, Beschl. v. 30.6.1993 - 2 BvR 459/93, NJW 1993, 2165). Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, Anfang bis Mitte der 90er-Jahre habe Herr H. -A. W. sich - auch krankheitsbedingt - immer mehr zurückgezogen und sich durch seinen Sohn, den Geschäftsführer der Beklagten, in der Firma der Klägerin vertreten lassen; dieser habe Einblick in alle seinen Vater betreffenden Angelegenheiten gehabt und ihn "im Wesentlichen vertreten"; deshalb sei es völlig lebensfremd anzunehmen, dass ihm, dem Geschäftsführer der Beklagten, - anders als dem rechtlichen Berater seines Vaters, dem Zeugen B. - die Vorgänge, die zu der Absprache mit der Sparkasse geführt hätten (vgl. die Schreiben der Sparkasse v. 28.7.1995 und 12.7.1995 sowie das Schreiben des Zeugen B. v. 30.6.1995), unbekannt geblieben seien. Die Klägerin hat ferner behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe im zweiten Halbjahr 1996 die Buchungsunterlagen der Klägerin an sich genommen und diese erst Mitte 1999 nach Einschaltung eines Rechtsanwalts (teilweise) herausgegeben. Diese von der Klägerin vorgebrachten Umstände ergaben einen ausreichenden Anlass, den Zeugen B. anzuhören, bei dessen Vernehmung es sich somit nicht um eine prozessual unzulässige Ausforschung handeln würde.

Das Berufungsgericht hat zudem das enge Verwandtschaftsverhältnis der an der Tilgungsabsprache v. 1.8.1995 auf Seiten der Parteien beteiligten Personen nicht im gebotenen Umfang berücksichtigt. Darüber hinaus war die Abrede der Geschäftsführer der Parteien im Beisein der Zeugin M. , der Mitarbeiterin der Sparkasse, getroffen worden, die die Lebensversicherungsbeträge für die Sparkasse in Anspruch nahm. Es erscheint mehr als nahe liegend, dass sich die Geschäftsführer der Parteien im Vorfeld dieser Besprechung über die zum Verständnis des Anliegens der Sparkasse erforderlichen vorherigen Vorgänge, beispielsweise über den oben genannten Schriftwechsel, unterhalten haben. Dass in der Besprechung selbst mit keiner Andeutung von dem Hintergrund des Zugriffs der Sparkasse auf den Lebensversicherungsbetrag des Vaters die Rede war, ist wenig wahrscheinlich. Es spricht zumindest viel dafür, dass der Geschäftsführer der Beklagten seine Augen davor verschlossen hatte, dass sein Vater der Sparkasse schon zuvor seine Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Verfügung gestellt hatte.

Das Berufungsgericht hätte diese Gegebenheiten umfassend in seine Überlegungen einbeziehen müssen. Es wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass die Vorgehensweise des Geschäftsführers der Klägerin und seines Sohnes, objektiv gesehen, den Zweck hatte, mit dem Lebensversicherungsbetrag des Vaters, der von der Sparkasse für Verbindlichkeiten der Klägerin beansprucht wurde, die Verpflichtung des Sohnes zu erfüllen. Dies geschah zu Lasten der Klägerin, die von einer entsprechenden, gegen sie noch nicht geltend gemachten Darlehensschuld befreit war, der aber eine fällige Forderung für schon erbrachte geschäftliche Lieferungen und Leistungen entgangen war. Die Sparkasse war gleichfalls benachteiligt, weil die Klägerin, ihre Geschäftspartnerin, an deren Zahlungsfähigkeit sie ein erhebliches Interesse hatte, eine liquide, auf dem Geschäftskonto zu tilgende Forderung einbüßte durch Verwendung von Mitteln, auf die sie, die Sparkasse, wegen des von ihr gewährten Darlehens ohnehin zugreifen konnte; dies alles war für den Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls in dem Gespräch v. 1.8.1995 erkennbar.

3. Zu Recht rügt die Revision die Ansicht des OLG, die Beklagte hätte gegen die Klägerin einen bereicherungsrechtlichen Anspruch, mit dem sie hilfsweise aufgerechnet habe, sofern die Schuld der Beklagten bei der Klägerin durch ihre Zahlung nicht getilgt worden sei. Hatte die Klägerin, wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist, gemäß einer Absprache zwischen ihren Geschäftsführern Anspruch darauf, dass beide den Auszahlungsbetrag aus ihren Lebensversicherungen dem Darlehenskonto zugute brachten, hat sie durch die teilweise Tilgung des Darlehens nur eine Leistung des Geschäftsführers H. -A. W. erlangt, die ihr ohnehin zugestanden hätte.

III.

Das Berufungsurteil ist daher teilweise aufzuheben. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Das Berufungsgericht wird auch darüber zu befinden haben, ob es neben dem Zeugen B. die von der Klägerin ferner benannten Zeuginnen C. G. (K.) und M. T. vernimmt, die beide zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen waren, deren Anhörung aber unterblieben ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1081082

DB 2004, 181

DStR 2004, 148

DStZ 2004, 135

BGHR 2004, 237

EBE/BGH 2003, 410

NJW-RR 2004, 247

EWiR 2005, 77

NZG 2004, 139

WM 2003, 2456

MDR 2004, 497

ZBB 2004, 59

ProzRB 2004, 87

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge