Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschafterbeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Beschließen die Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft mit der für Vertragsänderungen gesellschaftsvertraglich vorgeschriebenen 3/4-Mehrheit, die Verpflichtung zur Verzinsung von Kapitaleinlagen aufzuheben, so ist dieser Beschluß wirksam, wenn die nicht zustimmenden Gesellschafter aufgrund der gesellschaftlichen Treuepflicht zustimmen müßten.

 

Normenkette

HGB §§ 119, 161

 

Verfahrensgang

LG Koblenz

OLG Koblenz

 

Tenor

Die Revisionen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. April 1984 werden auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Publikumsgesellschaft, die als GmbH & Co. KG ein Krankenhaus betreibt. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages war die Komplementär-GmbH ermächtigt, weitere Kommanditisten aufzunehmen. Diese hatten der Kommanditgesellschaft nach § 6 des Gesellschaftsvertrages außer der Kommanditeinlage verzinsliche Darlehen in Höhe des 4fachen der Einlage zu gewähren.

Sache der GmbH war es, mit den Kommanditisten die im Gesellschaftsvertrage nicht geregelten Darlehensbedingungen, insbesondere die Höhe der Verzinsung zu vereinbaren. Die GmbH bediente sich formularmäßiger Beitrittserklärungen, in denen die Kommanditisten unter anderem erklärten, daß sie sich an der Kommanditgesellschaft mit einem bestimmten Betrage beteiligten, von dem 20% auf die Kommanditeinlage und 80% auf das Darlehen entfielen; das Darlehen sollte ab 1. Januar 1975 jährlich mit 10% verzinst werden und nur zusammen mit dem Kommanditanteil kündbar sein.

Am 18. November 1972 traten die Kläger zu diesen Bedingungen mit Kommanditeinlagen von jeweils 4.000 DM und Darlehen von jeweils 16.000 DM bei. Die Beklagte zahlte für 1975 nur einen Teil der vereinbarten Zinsen. Die Gesellschafterversammlung beschloß am 19. September 1975 einen Verzicht der Kommanditisten auf weitere Zinsen für 1975; ferner wurde am 30. April 1977 und 25. November 1978 jeweils mit qualifizierter Mehrheit auf die Zinsen des Vorjahres verzichtet. Die Kläger, die mit diesem Verzicht nicht einverstanden sind, klagen auf Zahlung der Zinsen für 1977 in Höhe von je 1.600 DM. Das Landgericht hat den Klagen bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenforderung stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit den zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob die Gesellschafterversammlung am 25. November 1978 den Gesellschaftsvertrag geändert hat, als sie die Kommanditisten durch Mehrheitsentscheidung auf die Zinsen für 1977 verzichten ließ; Bedenken gab es insofern, als die Höhe der Zinsen nicht in der Vertragsurkunde, sondern in den Beitrittserklärungen geregelt ist und der Gesellschaftsvertrag einen Beschluß der Gesellschafter, soweit er die Darlehen betrifft, nur für deren vorzeitige Rückzahlung, nicht aber für die anderen Bedingungen vorsieht, unter denen sie gewährt worden sind; das Berufungsgericht schließt deshalb nicht aus, daß die Gesellschafter für andere die Darlehen betreffende Fragen, insbesondere der Verzinsung, nicht zuständig sind. Das Berufungsgericht versagt den Klägern den Zinsanspruch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht; die Beklagte hätte den Kommanditisten jährlich Millionenbeträge zu zahlen, wenn sie die Gesellschafterdarlehen verzinsen müßte; angesichts der angespannten finanziellen Lage der Beklagten hätte das ihren wirtschaftlichen Zusammenbruch zur Folge gehabt, worauf die Kläger Rücksicht zu nehmen hätten. Hiergegen wenden sich die Revisionen im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, daß § 10 Abs. 1 und 9 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschafterversammlung das Recht einräumt, den Gesellschaftsvertrag mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen zu ändern, und daß sich die einzelnen Beschlußgegenstände nicht zusätzlich aus dem Gesellschaftsvertrage ergeben müssen, wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, um eine Publikumsgesellschaft handelt (vgl. BGHZ 71, 53, 58). Danach ist die Gesellschafterversammlung auch zuständig, wenn es Fragen der Gesellschafterdarlehen und deren Verzinsung zu regeln gilt. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Darlehen Teil des von den Kommanditisten geschuldeten Gesamtbeitrags sind und in dieser Eigenschaft den Charakter haftenden Eigenkapitals haben (Sen. Urt. v. 17.5.1982 – II ZR 16/81, LM HGB § 171 Nr. 21m.w.N.) Dann sind aber auch alle das Darlehen betreffenden Nebenabreden Teil des Gesellschaftsvertrages. Das gilt insbesondere für die Verzinsung, von der der Gesellschaftsvertrag als selbstverständlich ausgeht, wenn er die Komplementär-GmbH ermächtigt, mit den Kommanditisten das Wie (also nicht das Ob) der Verzinsung zu vereinbaren, und die buchmäßige Behandlung der Zinsen regelt. Daß die Höhe der Zinsen in den Beitrittserklärungen festgelegt ist, ändert daran nichts; denn auch deren Inhalt ist Teil des Gesellschaftsverhältnisses, das der Kommanditist mit seinem Beitritt begründet hat.

b) Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß die Gesellschafterversammlung für Fragen der Verzinsung nicht zuständig sein sollte. Dem Umstand, daß der Gesellschaftsvertrag der Gesellschafterversammlung die Zuständigkeit zuweist, mit Mehrheit Über die vorzeitige Rückzahlung der Darlehen zu beschließen, läßt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allein nicht den Umkehrschluß zu, für alle anderen die Darlehen betreffenden Fragen solle das nicht gelten; ein dahingehender Wille hätte in dem nach objektivem Erklärungsbefund auszulegenden Vertrage deutlich zum Ausdruck kommen müssen.

c) Die Gesellschafterversammlung hat allerdings, wenn man nur auf den Wortlaut ihres Beschlusses abstellt, Rechte ausgeübt, die ihr nicht zustanden; denn auf Forderungen gegen die Kommanditgesellschaft „verzichten” konnten nur die Gläubiger, und das war nicht die Gesellschafterversammlung als Organ der Gesellschaft, sondern jeder einzelne Gesellschafter persönlich. Die Gesellschafterversammlung konnte allenfalls den Gesellschaftsvertrag ändern und damit den Forderungen der Kommanditisten die rechtliche Grundlage entziehen. Nichts anderes war mit dem „Verzicht” gewollt. Der Beschluß sollte – nicht allgemein, sondern nur für das Jahr 1977 – die aus dem Gesellschaftsvertrage folgende Zinsverpflichtung aufheben und bedurfte hierzu, weil er den Gesellschaftsvertrag für den Einzelfall durchbrach, der satzungsmäßig für Vertragsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen; diese war gegeben.

II.

Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob der Beschluß rechtlich wirksam ist. Auch der qualifizierten Mehrheit einer Gesellschafterversammlung sind im Interesse der nicht zustimmenden Mitgesellschafter Schranken gesetzt. So kann die Mehrheit nicht einen Gesellschafter ohne seine Zustimmung gegenüber anderen zu seinem Nachteil ungleich behandeln oder ihm erhöhte Pflichten auferlegen (vgl. BGHZ 20, 363, 369); grundsätzlich zustimmungsbedürftig sind Gesellschafterbeschlüsse, die in unentziehbare Rechte (in den Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Position) eines Gesellschafters eingreifen. Wie der Senat schon im Urteil vom 27. Januar 1975 (11 ZR 130/73, WM 1975, 662, 663) ausgeführt hat, ist die Gesellschafterversammlung danach insbesondere nicht befugt, ohne Zustimmung des Gesellschafters den bereits entstandenen Rechtsanspruch auf Zinsen rückwirkend zu beseitigen. Sollte der Gesellschafter aus irgendeinem Grunde verpflichtet sein, dem Beschluß zuzustimmen, so müssen ihn die Mitgesellschafter in einer Gesellschaft, die dem gesetzlichen Leitbild entspricht, im allgemeinen auf Zustimmung verklagen. In Fällen der vorliegenden Art, in denen es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit einer Publikumsgesellschaft geht, gilt jedoch etwas anderes. Beschließen in ihr die Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit einen Eingriff in die Gesellschafterrechte, so ist dieser Beschluß, ohne daß die Minderheit auf Zustimmung verklagt werden müßte, wirksam, wenn alle Überstimmten oder an der Abstimmung nicht beteiligten Gesellschafter auf Grund ihrer gesellschaftlichen Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet sind. Die Besonderheiten der Publikumsgesellschaften, die den erkennenden Senat zur Herausbildung besonderer Rechtsgrundsätze veranlaßt haben, verlangen auch hier Berücksichtigung. Das Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft spricht nicht nur gegen die Anwendung des Einstimmigkeits- und damit des Bestimmtheitsgrundsatzes, sondern nötigt in Fällen, in denen die Treuepflicht eine allgemeine Zustimmungspflicht begründet, auch zur Aufgabe des Grundsatzes, daß der Gesellschafterbeschluß erst mit der Rechtskraft eines der Zustimmungsklage stattgebenden Urteils als wirksam zu erachten ist. Die aus dem Treuegebot erwachsende Verpflichtung der Gesellschafter, einem bestimmten Gesellschafterbeschluß zuzustimmen, führt in der Publikumsgesellschaft vielmehr dazu, die nicht oder pflichtwidrig abgegebene Stimme so zu behandeln, als ob sie entsprechend der bestehenden Verpflichtung abgegeben worden wäre. Alle Gesellschafter der verklagten Gesellschaft hatten auf Grund ihrer Treuepflicht dem mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Beschluß zuzustimmen, die Zinsverpflichtung für 1977 aufzuheben. Das Berufungsgericht hat deshalb den Klägern im Ergebnis mit Recht einen Anspruch auf Zinsen versagt. Die Treuepflicht bestimmt nicht nur Inhalt und Grenzen der Rechte eines Gesellschafters; sie kann diesem auch gebieten, Maßnahmen zuzustimmen, die mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis, insbesondere zur Erhaltung des Geschaffenen, dringend geboten und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwerten Belange zumutbar sind (vgl. BGHZ 64, 253, 257 f.). Derartige Treuepflichten bestehen auch in einer Publikumsgesellschaft. Sie mögen hier, weil die Anlagegesellschafter untereinander in keinen persönlichen Beziehungen stehen, einen anderen Inhalt haben und andere Wirkungen zeitigen. Das Treuegebot ist aber in einer Publikumsgesellschaft nicht weniger stark ausgeprägt, wenn es – wie hier – um die Erhaltung des Gesellschaftsunternehmens geht. Daß der Zinsverzicht den Zweck hatte, das Unternehmen zu erhalten, und den Gesellschaftern auch zuzumuten war, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt. Nach diesen Feststellungen würde die Kommanditgesellschaft, wenn sie ihren Kommanditisten für 1977 Zinsen in Höhe von rund 1, 3 Mio DM zahlen. müßte, wirtschaftlich mit der Folge zusammenbrechen, daß die Einlagen und Steuervorteile der Gesellschafter verloren wären. Daß der Wegfall der Verzinsung es ermöglicht, den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus der Tatsache hergeleitet, daß die Kommanditgesellschaft erstmals im Jahre 1982 – ohne Ansatz der Zinsen für Gesellschafterdarlehen – einen Jahresüberschuß in Höhe von 171.887, 05 DM erzielt hat. Wenn die Revisionen diese Feststellung unter Hinweis auf den Verlustvortrag in Höhe von 21.898.099 DM angreifen, so übersehen sie, daß in diesem Betrage Sonderabschreibungen auf das Anlagevermögen enthalten sind, die auf der Passivseite der Bilanz als Wertberichtigungsposten mit 4.611.099 DM ausgewiesen sind und den Charakter von Eigenkapital haben, bis sie über die Lebensdauer der Wirtschaftsgüter verteilt nach und nach aufgelöst werden. Kürzt man den Verlustvortrag um diesen Betrag und stellt das Ergebnis (17.287.000 DM) dem Kapital der Gesellschaft, bestehend aus Einlagen und Gesellschafterdarlehen gegenüber (15.569.600 DM), so ergibt sich eine bilanzmäßige Überschuldung von 1.712.400 DM, die laut Geschäftsbericht für 1982 durch stille Reserven im Grundbesitz ausgeglichen wird. Danach besteht die Konkursreife, von der die Revisionen ausgehen, nicht, wenn man die Zinsverpflichtung gegenüber den Kommanditisten ausklammert. Nach allem war somit der Verzicht auf die Zinsen im Interesse der Gesellschaft in dem dargelegten Sinne geboten. – Die Revisionen beziehen sich zu Unrecht auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. März 1968 (VIII ZR 153/65, WM 1968, 874), nach dem es jedem Gesellschafter erlaubt ist, den Konkurs der Gesellschaft anzustreben, wenn deren Lage aussichtslos ist und eine schnelle Liquidierung objektiv im Interesse aller Beteiligten liegt. Denn gerade diese Voraussetzung ist, sobald die Zinsverpflichtung entfällt, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben, so daß es allein darauf ankommt, ob den Kommanditisten der Verzicht auf die Zinsen zuzumuten war. Davon ist nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ebenfalls auszugehen. Danach kann der Verlust des Zinsanspruchs deshalb nicht in unzumutbarer Weise in die rechtliche und vermögensmäßige Position der überstimmten Kommanditisten eingreifen, da der Anspruch ohnehin wertlos ist angesichts der Tatsache, daß die Gesellschaft aufzulösen und zu liquidieren wäre, sobald sie vor der Notwendigkeit steht, ihren Kommanditisten jährlich rund 1, 3 Mio DM an Zinsen zu zahlen. Daß die Zinsen allen Kommanditisten und nicht nur denen zu zahlen sind, die gegen den Beschluß gestimmt haben, gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung. Hinzu kommt, daß die Kommanditisten im Falle der Liquidation nicht nur auf ihre Zinsen, sondern auch auf einen Liquidationserlös verzichten müßten, mithin das investierte Kapital nicht anderweitig zinsgünstig anlegen könnten. Denn wie die oben genannten Zahlen der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1982 ergeben, ist das Eigenkapital, bestehend aus Kommanditeinlagen, Gesellschafterdarlehen und Wertberichtigung, wegen Sonderabschreibung durch den Verlustvortrag verbraucht. Die infolge Wert- und Preissteigerungen im Grundbesitz enthaltenen stillen Reserven sind nicht so erheblich, daß sie außer der bilanziellen Überschuldung von rund 1, 7 Mio DM die im Falle einer Liquidation zusätzlich entstehenden, in der Jahresbilanz nicht ausgewiesenen Kosten ausgleichen und darüber hinaus noch einen Liquidationserlös für die Gesellschafter erbringen könnten; denn nach den – fehlerfreien, auch von der Revision nicht angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts wären im Falle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs der. Kommanditgesellschaft die Einlagen verloren, was zu vermeiden, gerade Zweck des Zinsverzichts war. Im Übrigen hätten die Zinsen, selbst wenn die Gesellschaft in der Lage wäre, sie zu zahlen, für die Gesellschafter auch deshalb keinen Wert, weil sie nicht aus Gewinnen, sondern aus dem Vermögen aufzubringen und deshalb nach § 172 Abs. 4 HGB den Gläubigern oder dem Konkursverwalter (§ 171 Abs. 2 HGB) zu erstatten wären.

Die Kommanditisten hatten somit aufgrund ihrer Treuepflicht dem Beschluß zuzustimmen, mit dem die qualifizierte Mehrheit der Gesellschafter die Zinsverpflichtung aufhob. Das Berufungsgericht hat folglich die Klage mit Recht abgewiesen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609322

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