Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung bei Begleitung eines von einem vom Mandanten beauftragten Spezialisten ausgearbeiteten Vorhabens

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verantwortlichkeit eines steuerlichen Beraters, der im Rahmen eines allgemeinen Beratungsauftrags ein Vorhaben „begleiten” soll, zu dem der Mandant das Gutachten eines Steuerspezialisten eingeholt hat.

Will der Mandant ein Betriebsgrundstück mit Räumlichkeiten bebauen, die später von einem Angehörigen privat genutzt werden sollen, und hierbei die Steuervergünstigung gemäß § 52 Abs. 15 Satz 11 EStG a.F. in Anspruch nehmen, muß der Steuerberater ihn über die Risiken aufklären, die sich daraus ergeben können, daß eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen schon vor Abschluß der Bauarbeiten angenommen werden kann.

 

Leitsatz (redaktionell)

Beauftragt jemand, der sich laufend von einem Steuerberater beraten läßt, für ein bestimmtes Vorhaben einen Spezialisten mit der Erarbeitung eines steuerlichen Konzepts, ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß der allgemeine Steuerberater das Konzept des Spezialisten eigenverantwortlich zu prüfen und den Mandanten über die Vorzüge und Nachteile zu beraten hat. Ebensowenig hat er die Ausführung dieses Konzepts zu überwachen. Er muß den Mandanten vor der Verwirklichung des Konzepts nur warnen, wenn er erkennt, daß dieses an einem Mangel leidet, der für den Mandanten eine Gefahrenlage begründet, und annehmen muß, daß der Mandant diese Gefahr nicht kennt.

 

Normenkette

BGB § 675; EStG §§ 4, 52 Abs. 15 S. 11 F.: 27. Februar 1987; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 13.01.1999; Aktenzeichen 25 U 59/97)

LG Münster (Beschluss vom 19.02.1997; Aktenzeichen 12 O 402/96)

 

Nachgehend

LG Saarbrücken (Urteil vom 28.11.2011; Aktenzeichen 9 O 261/10)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Januar 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb auf ihr gehörenden Grundstücken ein Café. Die Beklagten, die als Steuerberater in gemeinsamer Praxis tätig sind, berieten die Klägerin laufend in ihren steuerlichen Angelegenheiten.

Ende der achtziger Jahre beabsichtigte die Klägerin, das vorhandene Gebäude auszubauen und noch zu errichtende Räumlichkeiten ihrer Tochter, die „in den Betrieb aufgenommen” werden sollte, zu Wohnzwecken zu überlassen.

Die Klägerin wollte die Entstehung eines steuerlichen Entnahmegewinns vermeiden und holte deshalb ein Gutachten der Steuerberatungsgesellschaft P. W. GmbH (im folgenden: PW) ein. Diese nahm mit Schreiben vom 17. Februar 1989 zu den steuerlichen Auswirkungen des Vorhabens Stellung und schlug vor, wie folgt vorzugehen: Es sollte eine Kommanditgesellschaft – mit der Klägerin als Komplementärin und der Tochter als Kommanditistin – gegründet werden; die Klägerin sollte den Gewerbebetrieb in die Kommanditgesellschaft einbringen, das – bei der Klägerin verbleibende – Grundeigentum entsprechend der künftigen Nutzung aufteilen und den auf die Tochter entfallenden Anteil (Wohnungseigentum) sodann auf diese schenkweise übertragen. Zur Klärung der noch bestehenden steuerlichen Risiken empfahl PW die Herbeiführung einer verbindlichen Auskunft der Finanzverwaltung. Auf einen entsprechenden Antrag der PW vom 22. März 1989 bestätigte das Finanzamt unter dem 2. Juni 1989, daß das Vorhaben ertragsteuerlich neutral sei. Das Finanzamt wies darauf hin, daß seine Auskunft nur bindend sei, wenn man sich an die darin zugrunde gelegte Vorgehensweise halte. Die PW griff diesen Hinweis in einem Schreiben an die Klägerin vom 5. Juni 1989, dem die Auskunft des Finanzamts beigefügt war, auf und bat um Beachtung, „daß die einzelnen Schritte wie dem Finanzamt geschildert verwirklicht werden”.

Über die Einschaltung der PW wurden die Beklagten von der Klägerin unterrichtet. Diese überließ ihnen die schriftliche Stellungnahme der PW vom 17. Februar 1989. Mit Schreiben vom 8. März 1989 äußerten sich die Beklagten hierzu. Ob die Beklagten ihrerseits das Finanzamt anschrieben, um dessen verbindliche Auskunft herbeizuführen, ist zwischen den Parteien streitig. Am 4. Juli 1989 nahm der Beklagte zu 2 an einer abschließenden Besprechung der Klägerin mit PW über den Inhalt der Auskunft des Finanzamts und die weitere Vorgehensweise teil.

Ende 1989 schloß die Klägerin den Vertrag über die Gründung der Kommanditgesellschaft ab und ließ die Teilungserklärung beurkunden. Im Januar 1990 begann sie mit dem Bau der für die Tochter bestimmten Räumlichkeiten. Am 20. Februar 1990 erörterten die Klägerin und der Beklagte zu 1 den Stand der Angelegenheit. Das Ergebnis des Gesprächs wurde von den Beklagten mit Schreiben vom 22. Februar 1990 bestätigt. Darin erinnerten die Beklagten an den nunmehr – falls nicht bereits geschehen – als nächstes vorzunehmenden Schritt der Schenkung des Wohnungseigentums an die Tochter. Am 21. März 1990 übertrug die Klägerin das Wohnungseigentum. Die Wohnung wurde nach Fertigstellung von der Tochter bezogen.

Später erkannte das Finanzamt die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter nicht als ertragsteuerneutral an, weil schon zuvor mit dem Bau begonnen worden sei. Darin sei bereits die Entnahme zu sehen. Im Zeitpunkt der Übertragung habe der gemäß § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG a.F. erforderliche betriebliche Zusammenhang gefehlt. Die entsprechenden Steuerbescheide wurden bestandskräftig.

Die Klägerin beziffert den durch den steuerlichen Anfall des Entnahmegewinns entstandenen Schaden auf insgesamt 179.149 DM. Sie nimmt die Beklagten in Höhe dieses Betrages auf Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Für die Zeit vor dem 20. Februar 1990 könne den Beklagten die mangelnde Beratung über die nach dem Gutachten der PW und der Auskunft des Finanzamts zu unternehmenden Schritte nicht vorgeworfen werden. Die Klägerin habe diesen Komplex aus dem mit den Beklagten bestehenden Beratungsverhältnis herausgenommen und insofern die PW als Spezialberaterin eingeschaltet. Unter diesen Umständen hätten die Beklagten die Klägerin allenfalls dann beraten müssen, wenn nach den Stellungnahmen der PW und des Finanzamts erkennbar noch Beratungsbedarf bestanden hätte. Dies sei bis zum 20. Februar 1990 nicht der Fall gewesen, weil die Beklagten so lange keine Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, daß die Klägerin die Ausführungen der PW und die Auskunft des Finanzamts mißverstanden habe.

Dies habe sich zwar am 20. Februar 1990 geändert. An diesem Tage hätten die Beklagten erfahren, daß die Klägerin mit dem Bau der für ihre Tochter vorgesehenen Wohnung begonnen habe, ohne zuvor die entsprechenden Miteigentumsanteile auf die Tochter übertragen gehabt zu haben. Auf die sich daraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen, über die sich die Beklagten im klaren gewesen seien, hätten sie die Klägerin hinweisen müssen. Dies hätten sie pflichtwidrig unterlassen. Indessen stehe nicht fest, daß dadurch der eingetretene Schaden verursacht worden sei. Ob es am 20. Februar 1990 noch Möglichkeiten gegeben habe, die steuerlichen Nachteile zu vermeiden, könne offenbleiben. Denn die Klägerin, welche die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht für sich in Anspruch nehmen könne, habe nicht ausschließen können, daß sie zum damaligen Zeitpunkt in jedem Falle das Wohnungseigentum auf die Tochter übertragen und somit die Steuernachteile ausgelöst hätte.

II.

Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht auszuschließen, daß die Beklagten ihre Pflichten schon im Sommer 1989 schuldhaft verletzt haben. Eine Pflichtverletzung könnte darin gesehen werden, daß die Beklagten die Klägerin damals nicht davor gewarnt haben, vor der Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter mit dem Bau zu beginnen.

a) Beauftragt jemand, der sich laufend von einem Steuerberater beraten läßt, für ein bestimmtes Vorhaben einen Spezialisten mit der Erarbeitung eines steuerlichen Konzepts, ist allerdings nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß der allgemeine Steuerberater das Konzept des Spezialisten eigenverantwortlich zu prüfen und den Mandanten über die Vorzüge und Nachteile zu beraten hat. Ebensowenig hat er die Ausführung dieses Konzepts zu überwachen. Er muß den Mandanten vor der Verwirklichung des Konzepts nur warnen, wenn er erkennt, daß dieses an einem Mangel leidet, der für den Mandanten eine Gefahrenlage begründet, und annehmen muß, daß der Mandant diese Gefahr nicht kennt (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1997 – IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1394; v. 9. Juli 1998 – IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247 – jeweils zur Anwaltshaftung). Für eine derartige Kenntnis der Beklagten ist im vorliegenden Fall nichts vorgetragen.

Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagten seien in die steuerliche Beratung der Klägerin bezüglich der von ihr beabsichtigten und durchgeführten baulichen und betrieblichen Veränderungen nicht eingebunden gewesen, auf einer unzureichenden Ausschöpfung des Prozeßstoffs (§ 286 ZPO) beruht. Das Berufungsgericht hat besondere Umstände, die darauf hindeuten, daß die Beklagten trotz Einschaltung der PW ein sich auf dieselbe Angelegenheit beziehendes Beratungsmandat hatten, entweder in ihrer Bedeutung verkannt oder überhaupt nicht berücksichtigt.

Das Berufungsgericht hat zwar nicht außer acht gelassen, daß die Beklagten von der Klägerin über die Einschaltung der PW und deren unter dem 17. Februar 1989 abgegebene Stellungnahme unterrichtet worden sind und daß der Beklagte zu 2 an der Besprechung vom 4. Juli 1989, in der die Auskunft des Finanzamts und das weitere Vorgehen erörtert wurden, teilgenommen hat. Es hat diese Umstände aber für unerheblich gehalten, weil die Stellungnahmen der PW und des Finanzamts nicht „erkennbar erläuterungsbedürftig” gewesen seien. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es mit der Frage, ob ein Beratungsmandat bestand, nichts zu tun.

Nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht den eigenen Vortrag der Beklagten, im vorliegenden Fall sei von einer Doppelbeauftragung auszugehen: Neben dem aus Anlaß des besonderen Problems hinzugezogenen Spezialisten seien sie – die Beklagten – „begleitend” im Rahmen ihres allgemeinen Auftrags tätig geworden. Daß sich die „Begleitung” gerade auf das hier in Rede stehende Vorhaben bezog, könnte sich aus dem – ebenfalls unberücksichtigt gebliebenen – unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin ergeben, die Beklagten seien mit deren Vorhaben bereits befaßt gewesen, ehe sie die PW eingeschaltet habe. Für dieses Vorbringen könnte ein Schreiben der Beklagten vom 8. März 1989 sprechen, dessen Nichtberücksichtigung die Revision rügt. Darin erklärten die Beklagten, sie stimmten „mit dem … Gutachten (der PW) … im wesentlichen überein, zumal sich der Lösungsvorschlag … mit dem von uns (Beklagten) seinerzeit unterbreiteten Vorschlag” decke. Daraus ergibt sich, daß die Beklagten die Klägerin in der Sache beraten haben und daß sie damit auch nach Vorliegen des Gutachtens der PW befaßt geblieben sind. Immerhin haben sie inhaltlich zu dem Gutachten der PW – zustimmend – Stellung genommen. Außerdem haben sie an der Umsetzung der Lösung mitgewirkt, die PW entwickelt hatte und die angeblich auch den zuvor von den Beklagten gemachten Vorschlägen entsprach. Sie richteten unter dem Datum des 8. März 1989 eine Anfrage an das Finanzamt, um eine verbindliche Auskunft herbeizuführen, oder trugen sich – falls sie, wie sie im zweiten Rechtszug behauptet haben, die bereits vorbereitete Anfrage mit Rücksicht auf das gleichartige Schreiben der PW nicht abgeschickt haben sollten – doch mit einer entsprechenden Absicht. Schließlich nahmen die Beklagten an den ausgedehnten Besprechungen vom 4. Juli 1989 und 20. Februar 1990 teil.

b) Die Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.

aa) Die steuerrechtliche Lage war verwickelt und risikobehaftet.

Die Klägerin wollte auf dem ihr gehörenden Grundstück für ihre Tochter angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellen, zu diesem Zweck Wohnungseigentum bilden und dieses schenkweise übertragen. Da es sich um das Betriebsgrundstück handelte, war der Wert des Wohnungseigentums als Entnahmegewinn zu versteuern. Ausnahmsweise bleibt der Entnahmegewinn nach § 52 Abs. 15 Satz 11 EStG a.F. außer Ansatz, wenn der „Grund und Boden … dadurch entnommen wird, daß auf diesem Grund und Boden die (selbst genutzte) Wohnung des Steuerpflichtigen oder eine Altenteilerwohnung errichtet wird”. Im vorliegenden Fall mußte die Tochter deshalb zunächst Mitunternehmerin werden. Das konnte geschehen durch die Gründung einer Kommanditgesellschaft, in welche die Klägerin den Betrieb einbrachte, und Übernahme eines Kommanditanteils durch die Tochter. Als nächstes mußte das betriebliche Grundvermögen in das Sonderbetriebsvermögen der Klägerin überführt und sodann auf alle Mitunternehmer aufgeteilt werden. Erst danach durfte die Tochter ihr Sonderbetriebsvermögen – das zuvor geschenkte Wohnungseigentum – entnehmen. Sobald an dieser Reihenfolge etwas geändert wurde, geriet der Steuervorteil in Gefahr. Insbesondere dann, wenn die Entnahme bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, bevor das Sonderbetriebsvermögen auf die Tochter übertragen war, mußte die steuerliche Privilegierung scheitern.

Noch wesentlich gesteigert wurde das Risiko dadurch, daß es Schwierigkeiten bereiten konnte, den Zeitpunkt der Entnahme eindeutig zu bestimmen. Eine Entnahme erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen ist. Dazu reicht aber ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird (BFHE 114, 189, 195; BFH BStBl. II 1985, 395, 396; II 1988, 418, 421; BFH/NV 1990, 424, 425). Wird ein Betriebsgrundstück mit einem später privat genutzten Gebäude oder Gebäudeteil bebaut, ist die Entnahme spätestens mit dem Beginn der endgültigen Nutzung vollzogen (BFH/NV 1990, 424, 425). Der Bundesfinanzhof hat aber teilweise eine Entnahme auch schon in dem Zeitpunkt angenommen, in dem der Betriebsinhaber einem Angehörigen oder Gesellschafter die Bebauung des Betriebsgrundstücks zu eigenen Wohnzwecken gestattete (BFHE 148, 466, 468; BFH BStBl. II 1988, 418 ff.). Mußte vor Errichtung des neuen Wohngebäudes ein Betriebsgebäude abgebrochen werden, hat es der Bundesfinanzhof nicht für ausgeschlossen gehalten, bereits in dem Abbruch eine Entnahme zu erblicken (BFHE 137, 317, 320). In anderen Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof ausgesprochen, bei beabsichtigten Baumaßnahmen könne eine Entnahme schon vor (BFH/NV 1990, 424, 425) bzw. mit Baubeginn (BFH/NV 1993, 405, 406) angenommen werden.

Angesichts dieser – schon im Jahre 1989 erkennbaren – Rechtslage war es für die Klägerin gefährlich, die Konzeption der von ihr vorzunehmenden Veränderungen auf der Meinung aufzubauen, die Entnahme sei erst mit der Fertigstellung des Bauvorhabens vollendet. Auf eben dieser Annahme beruhte jedoch die Planung der PW. Sie hatte in ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 1989 (dort unter Ziffer 2.5.1) erklärt, sie gehe davon aus, „daß das Grundstück anteilig und die jeweilige Wohnung nach Fertigstellung der Baumaßnahme mit Einzug entnommen wird”.

bb) Dazu, ob die Gefahr für die Klägerin deutlich auf der Hand lag und ob sie die Reihenfolge der Schritte kannte, bei welcher die Gefahr vermieden wurde, hat sich das Berufungsgericht widersprüchlich geäußert: Einerseits hat es ausgeführt, sowohl die Anfrage der PW als auch die Auskunft des Finanzamts hätten klar erkennen lassen, daß die Entnahme – die auch im Baubeginn habe gesehen werden können – der Vollziehung der Schenkung habe nachfolgen müssen; an der Notwendigkeit, die Reihenfolge der einzelnen Schritte einzuhalten, hätten also „vernünftigerweise kaum Zweifel bestehen” können. Andererseits hat das Berufungsgericht eingeräumt, aus der Stellungnahme der PW und der Auskunft des Finanzamts habe sich möglicherweise „nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit ergeben, daß bereits der Baubeginn definitiv als Entnahme anzusehen sein würde”.

Tatsächlich bestand die vom Berufungsgericht teilweise angenommene Klarheit nicht. Zwar hatte die PW (unter Ziffer 2.5.1 ihrer Stellungnahme) darauf hingewiesen, die Fertigstellung sei „nach der Rechtsprechung der späteste Termin”. Es sei „durchaus eine frühere Entnahme denkbar, z.B. der Baubeginn”. Damit war aber die Gefahrenlage nicht ausreichend offengelegt. Denn im selben Zusammenhang hatte PW ausgeführt: „Sollten bei Baubeginn die Miteigentumsanteile an den Grundstücken als entnommen gelten, so ist die Entnahme ebenfalls steuerfrei nach den o.g. Vorschriften”. Diese Aussage konnte den Eindruck entstehen lassen, letztlich komme es nicht entscheidend darauf an, ob bereits der Baubeginn oder erst die Baufertigstellung als Entnahme zu qualifizieren sei. Diesem Mißverständnis konnten weitere Passagen der Stellungnahme Vorschub leisten. So schrieb die PW unter Ziffer 2.1, „die Aufteilung” (des Grundstücks in Miteigentum) sei „auch vor Baubeginn möglich”. Richtigerweise hätte gesagt werden müssen, daß Aufteilung und Übertragung zwingend vor Baubeginn zu erfolgen hatten. Weiter hieß es in der Stellungnahme: „Nach erfolgter Aufteilung schenkt Ihre Mutter (Klägerin) Ihnen … den Miteigentumsanteil” und „Die Bebauung kann durch die jeweiligen Eigentümer erfolgen, die gemeinschaftlich den Bauauftrag vergeben”. Diese Aussagen konnten ebenfalls dahin mißdeutet werden, daß die Bebauung zwar nach der Neuordnung des Eigentums erfolgen konnte, aber nicht mußte.

Bestand schon nach der Stellungnahme vom 17. Februar 1989 keine ausreichende Klarheit, so wurde die Klägerin durch die Anfrage der PW vom 22. März 1989 beim Finanzamt, von der die Klägerin alsbald Kenntnis erhielt, vollends in die Irre geführt. In der Anfrage hat die PW ihr Konzept anhand von Schritten entwickelt, die nacheinander vorgenommen werden sollten. Als erster Schritt sollte die Betriebsgesellschaft gegründet werden, als zweiter war – nach Teilung des Grundstücks – der Um- und Ausbau vorgesehen, und in einem dritten Schritt sollte die Klägerin das Wohnungseigentum ihrer Tochter schenken. Diese Reihenfolge – auf der die PW mit Schreiben an die Klägerin vom 5. Juni 1989 noch besonders bestand – legte genau das Verhalten nahe, das die Klägerin später gezeigt und das ihren Schaden verursacht hat.

Durch die Auskunft des Finanzamts wurde die bestehende Unklarheit nicht beseitigt. Zwar ergab sich aus jener, daß die Übertragung auf die Tochter der Entnahme vorauszugehen hatte; was unter der Entnahme zu verstehen war, blieb jedoch offen.

cc) Die Beklagten konnten nicht davon ausgehen, daß die Klägerin mit dem Bau erst nach Erledigung aller anderen Schritte anfangen würde.

Daß die Klägerin dies zunächst vorgehabt habe, dann aber anderen Sinnes geworden sei, haben die Beklagten selbst nicht behauptet. Der Inhalt der Anfrage der PW an das Finanzamt vom 22. März 1989, an die zu halten die PW die Klägerin noch eigens aufgefordert hatte (vgl. ihr Schreiben vom 5. Juni 1989), legte – wie bereits ausgeführt – es umgekehrt nahe, daß die Klägerin schon vor der Übertragung des Wohnungseigentums mit dem Ausbau beginnen würde.

Ob die Beklagten – wie zwischen den Parteien streitig ist – über den Baubeginn informiert wurden, ist unerheblich.

c) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagten zu keinem Zeitpunkt die Klägerin darüber aufgeklärt haben, sie dürfe erst nach Vollzug der anderen Schritte mit den Baumaßnahmen beginnen.

d) Falls die Beklagten eine Beratungspflicht traf, war die Verletzung dieser Pflicht schuldhaft. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten sie erkennen müssen, daß sich die Klägerin im Unklaren darüber befinden konnte, wann sie mit den Baumaßnahmen beginnen dürfe. Die Problematik des Entnahmezeitpunkts bei der Bebauung von Betriebsgrundstücken wurde schon seinerzeit in den gängigen Erläuterungsbüchern behandelt (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, EStG 8. Aufl. 1989 § 4 Rdnr. 59 Stichwort „Bebauung” m. Nachw. a.d. Rspr.). Darüber hinaus mußten einerseits der ausdrückliche Hinweis im Gutachten der PW und andererseits die fehlsame Art und Weise, wie PW das Problem behandelte, sowie die Unklarheit, mit der das Finanzamt sich dazu äußerte, die Aufmerksamkeit der Beklagten wecken.

e) Hätten die Beklagten die Klägerin beizeiten – sei es in der Besprechung vom 4. Juli 1989, sei es später vor Beginn der Bauarbeiten – in der gebotenen Weise aufgeklärt, so kann der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BGHZ 123, 311, 315; BGH, Urt. v. 9. November 1995 – IX ZR 161/94, WM 1996, 71, 73; v. 10. Dezember 1998 – IX ZR 358/97, WM 1999, 645, 646; v. 18. November 1999 – IX ZR 402/97, WM 2000, 35, 38; v. 18. November 1999 – IX ZR 153/98, WM 2000, 193, 196) dafür sprechen, daß die Klägerin sich beratungsgerecht verhalten und erst nach Übertragung des Wohnungseigentums mit dem Bau begonnen hätte. Dies wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen. Dafür, daß der frühere Baubeginn Vorteile bot, die das steuerliche Risiko aufgewogen hätten oder sogar als minder gewichtig hätten erscheinen lassen, ist nichts vorgetragen.

2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ursächlichkeit der für den 20. Februar 1990 angenommenen Pflichtverletzung lasse sich nicht feststellen, weil die Klägerin nicht habe ausschließen können, daß sie zum damaligen Zeitpunkt in jedem Falle das Wohnungseigentum auf die Tochter übertragen und somit die Steuernachteile ausgelöst hätte.

a) Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Beklagten seien zur Aufklärung der Klägerin über ihr fehlerhaftes Vorgehen verpflichtet gewesen, weil sie am 20. Februar 1990 erkannt hätten, daß die Klägerin von der durch das Finanzamt vorgegebenen Reihenfolge abgewichen sei, und sich zudem über die steuerlichen Auswirkungen im klaren gewesen seien, ist jedenfalls dann zutreffend, wenn es an dem fraglichen Tag noch möglich war, den Steuerschaden zu vermeiden. Ob diese Möglichkeit bestand, hat das Berufungsgericht offengelassen. Konnte der Steuerschaden noch abgewendet werden – zum Beispiel dadurch, daß die Klägerin die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter unterließ –, war dieser Weg sicherer als der von den Beklagten eingeschlagene. Diese haben stillschweigend „auf das Prinzip Hoffnung gesetzt”, nämlich darauf vertraut, das Finanzamt werde den vorzeitigen Baubeginn entweder nicht bemerken oder „ein Auge zudrücken”. Die Beklagten haben nicht nur die Aufklärung über den sichereren Weg unterlassen, sondern die Klägerin sogar veranlaßt, nunmehr die angeblich als „nächsten Schritt” anstehende Eigentumsübertragung vorzunehmen.

b) Das Berufungsgericht hat gemeint, für die Kausalitätsprüfung komme es allein darauf an, ob die Klägerin bei richtiger Beratung von der Eigentumsübertragung auf die Tochter Abstand genommen hätte. Insofern könne sich die Klägerin nicht auf die Regeln des Anscheinsbeweises (Vermutung beratungsgerechten Verhaltens) stützen, weil nach der Lebenserfahrung nicht nur ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte. Die Klägerin hätte sich entscheiden müssen, ob sie von der vorgesehenen Übertragung auf ihre Tochter absah oder jene vornahm und deren mögliche Steuerschädlichkeit in Kauf nahm. Wie diese Entscheidung ausgefallen wäre, sei offen.

Diese Erwägungen rechtfertigen es – wie die Revision mit Recht rügt – nicht, von der Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises abzusehen. Nach dem Sachverhalt, von dem in der Revisionsinstanz auszugehen ist, bestand der vom Berufungsgericht ausgemachte Entscheidungskonflikt nicht. Es hat unterstellt, daß es – von der Klägerin aufgezeigte – Gestaltungsalternativen gab, welche die von der Klägerin erlittenen Steuernachteile vermieden hätten. Allen diesen Alternativen sei gemeinsam gewesen, daß die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter unterblieb. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin hätte die Tochter jede Entscheidung mitgetragen, die den Steuernachteil vermieden hätte. Sie wäre insbesondere bereit gewesen, auf die Übertragung des Wohnungseigentums zu verzichten. Da das Berufungsgericht diesen Beweis nicht erhoben hat, ist für die Revisionsinstanz von dem Vortrag der Klägerin auszugehen. Gab es aber einen sicheren Weg, die Steuernachteile zu vermeiden, und war die Tochter bereit, ihm mitzugehen, lag es nach der Lebenserfahrung nahe, daß die Klägerin den Beklagten, falls sie diese Möglichkeit vorgeschlagen hätten, gefolgt wäre.

Wenn der Klägerin, wie das Berufungsgericht gemeint hat, keine Beweiserleichterungen zustatten kämen, wäre dennoch die Beweiswürdigung zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin trotz richtiger Beratung die Eigentumswohnung auf die Tochter übertragen hätte. Denn die Klägerin habe bei ihrer Anhörung erklärt, nicht sagen zu können, wie sie sich verhalten hätte. Es spreche einiges dafür, daß sie die Eigentumswohnung trotz des damit verbundenen steuerlichen Risikos auf die Tochter übertragen hätte, weil diese den Ausbau finanziert habe. Das ist – wie die Revision zureffend rügt – in zweifacher Hinsicht fehlerhaft. Zum einen hat das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin außer acht gelassen, daß die Tochter zur Vermeidung von Steuernachteilen auf die Übertragung der Eigentumswohnung verzichtet hätte. Zum anderen trifft die Prämisse des Berufungsgerichts, die Finanzierung sei Sache der Tochter gewesen, möglicherweise nicht zu. Nach dem Inhalt des das Ergebnis der Anhörung wiedergebenden Berichterstattervermerks hat das Berufungsgericht die Klägerin gefragt, „was sie getan hätte, wenn im Februar 1990 … der Beklagte zu 1 ihr erklärt hätte, daß das von PW erarbeitete Steuerkonzept hinfällig sei”. Darauf hat die Klägerin geantwortet: „Dann hätte ich die 3. Etage nicht ausbauen können, weder ich noch der Betrieb hätten die finanziellen Mittel gehabt. Meine Tochter konnte das finanzieren; sie hätte die 3. Etage zu Ende bauen müssen.” Daraus ergibt sich, daß die Tochter nur bei einem Scheitern des bisher zugrunde gelegten Steuerkonzepts (ertragsteuerneutrale Durchführung des Vorhabens) als Geldgeber hätte einspringen müssen. Davon, daß das Steuerkonzept gescheitert war, konnte aber nach dem – hier als richtig zu unterstellenden – Vortrag der Klägerin nicht ausgegangen werden, ging es doch gerade darum, die ertragsteuerneutrale Durchführung alternativ zu gestalten.

3. Das Landgericht hat ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Das Berufungsgericht ist – von seinem Standpunkt aus konsequent – darauf nicht eingegangen.

Der Standpunkt des Landgerichts erweist sich als zutreffend. Für ein eigenes Verschulden der Klägerin ist nichts vorgetragen. Im übrigen kann nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach Treu und Glauben nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGHZ 134, 100, 114 f; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung 1999 Rdnr. 1151 m.w.N.). Ebensowenig muß sich die Klägerin den – allerdings nicht zu bezweifelnden – Schadensbeitrag der PW als Mitverschulden zurechnen lassen, weil gegebenenfalls die PW und die Beklagten nebeneinander mandatiert waren und rechtlich selbständig tätig geworden sind, jedenfalls die PW nicht den Auftrag hatte, die Beklagten zu überwachen oder einen von diesen begangenen Fehler zu beheben (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 – IX ZR 163/96, WM 1997, 1901, 1903 m.w.N.).

III.

Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht – auch nicht im Sinne des vom Landgericht erlassenen Grundurteils – zur Entscheidung reif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der unter II 1 a erwähnten Gesichtspunkte erneut zu prüfen haben, ob die Beklagten in die steuerliche Beratung der Klägerin bezüglich der von ihr geplanten und durchgeführten baulichen und betrieblichen Veränderungen eingebunden waren.

Jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht ein Beratungsmandat für den Zeitraum bis zum Baubeginn wiederum verneinen sollte, wird es der Frage nachgehen müssen, ob danach – insbesondere am 20. Februar 1990 – die steuerlichen Nachteile noch hätten abgewendet werden können. Gegebenenfalls wird es die Ursächlichkeit der für den 20. Februar 1990 angenommenen Pflichtverletzung neu untersuchen müssen.

 

Unterschriften

Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter, Wagenitz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 04.05.2000 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

DB 2000, 2267

DStR 2000, 1525

DStZ 2000, 768

HFR 2001, 501

NJW 2001, 1141

Inf 2000, 574

NWB 2000, 3122

NJW-RR 2001, 201

Nachschlagewerk BGH

WM 2000, 1592

WuB 2000, 1149

ZAP 2000, 1125

MDR 2000, 1158

VersR 2001, 1433

BRAK-Mitt. 2000, 286

WPK-Mitt. 2000, 254

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