Leitsatz (amtlich)

Die unbeschränkte Haftung des § 176 Abs. 2 HGB tritt nicht ein, wenn ein der Gesellschaft bereits angehörender Kommanditist den Gesellschaftsanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters unter vorausbestimmter Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung erbt und dieser Vorgang im Handelsregister nicht eingetragen wird; der erbende Kommanditist haftet Jedoch unter Umständen für nach dem Erbfall entstehende Gesellschaftsverbindlichkeiten gemäß §§ 15 Abs. 1, 128 HGB und nach den Vorschriften über die beschränkte Erbenhaftung, wenn das Ausscheiden des Erblassers aus der Gesellschaft nicht im Handelsregister eingetragen wird.

 

Normenkette

HGB §§ 176, 15

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 29.04.1975)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. April 1975 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Bezahlung von Waren, die sie ab 6. Juni 1973 an die Kommanditgesellschaft Walter M. Industrie- und Werbedruck geliefert hat, sowie auf Zahlung aus drei Wechseln in Anspruch, die die Beklagte und einer der persönlich haftenden Gesellschafter am 29. August und 20. September 1975 für diese Gesellschaft ausgestellt haben. Ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter war der Ehemann der Beklagten, Walter M.. Dieser ist am … 1972 verstorben.

Die Beklagte gehörte schon zu dessen Lebzeiten der Gesellschaft als Kommanditistin an und war auch als solche im Handelsregister eingetragen. Sie und ihre beiden Kinder haben Walter M. beerbt. Hinsichtlich seines Anteils an der Kommanditgesellschaft hatte dieser jedoch verfügt, daß ihn die Beklagte erben sollte, und zwar „bei gleichzeitiger Umwandlung in einen Kommanditanteil”. Das entsprach Nr. 11 des Gesellschaftsvertrages, wo bestimmt war, daß die Gesellschaft beim Tode eines Gesellschafters mit den Erben des Verstorbenen fortgeführt werde und „die Erben eines Komplementärs Kommanditisten unter Umwandlung des Kapitalkontos in eine Kommanditeinlage” werden sollten. Am 15. Oktober 1973 ist über das Vermögen der Kommanditgesellschaft das Konkursverfahren eröffnet worden. Zu diesem Zeitpunkt war Walter M. noch als persönlich haftender Gesellschafter im Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte gemäß § 176 Abs. 2 HGB für ihre zwischen dem 6. Juni 1973 und der Konkurseröffnung entstandenen Ansprüche unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen, weil sie als Erbin des Gesellschaftsanteils ihres Ehemannes die beschränkte Kommanditistenhaftung insoweit nicht habe im Handelsregister eintragen lassen. Die Beklagte meint demgegenüber, in ihrem Fall sei diese Vorschrift nicht anwendbar. Im übrigen, so behauptet sie, habe der Inhaber der Klägerin gewußt, daß sie mit dem Erbfall nicht persönlich haftende Gesellschafterin geworden sei; die notwendigen Eintragungen im Handelsregister hätten sich ohne ihr Verschulden verzögert, weil zunächst der Erbschein habe erteilt werden müssen. Hilfsweise hat sie sich darauf berufen, daß sie als Erbin nur mit Beschränkung auf den Nachlaß hafte.

Land- und Oberlandesgericht haben der Klage auf Zahlung von insgesamt 39.186,11 DM und teilweise dem geltend gemachten Zinsanspruch stattgegeben. Mit der Revision, die die Klägerin zurückzuweisen beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht ist der Ansicht der Klägerin gefolgt, daß die Beklagte für die (nach dem Tode ihres Ehemannes) gegenüber der Kommanditgesellschaft entstandenen Ansprüche der Klägerin unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen hafte: Die Vorschrift des § 176 Abs. 2 HGB sei anzuwenden; denn als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes sei die Beklagte mit dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters in die Gesellschaft eingetreten, und die für außenstehende Dritte bestehende Unklarheit, ob sie infolgedessen unbeschränkt oder weiterhin nur beschränkt hafte, hätte zur Abwendung ihrer unbeschränkten Haftung durch eine entsprechende Eintragung im Handelsregister beseitigt werden müssen. Dem ist, wie der Revision zuzustimmen ist, nicht zu folgen.

1. Allerdings liegt ein Anwendungsfall des § 176 Abs. 2 HGB nicht nur vor, wenn ein bis dahin außenstehender Dritter durch Rechtsgeschäft als Kommanditist in eine im Geschäftsleben stehende Handelsgesellschaft eintritt und dies im Handelsregister nicht eingetragen wird. Die Vorschrift greift auch ein, wenn ein Nichtgesellschafter kraft Erbrechts (und einer Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag) den Gesellschaftsanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters – bestimmungsgemäß unter Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung – erwirbt und dies nicht eingetragen wird. In diesem letzteren Falle mag sich die von der Revision aufgeworfene Frage stellen, ob insofern nur eine entsprechende Anwendung in Betracht kommt und der Gesellschafter-Erbe nicht schlechthin, sondern nur dann unbeschränkt haftet, wenn er versäumt, seine Registereintragung unverzüglich herbeizuführen. Darauf braucht aber nicht eingegangen zu werden. Denn auch eine nur entsprechende und in dieser Weise eingeschränkte Anwendung des § 176 Abs. 2 HGB auf den hier zu entscheidenden besonderen Fall, in dem die Erbin bereits vor dem Erbfall der Gesellschaft als eingetragene Kommanditistin angehörte, ist nicht anzunehmen.

Anders als das Berufungsgericht anscheinend meint, wird ein solcher Sachverhalt vom Gesetzeswortlaut nicht erfaßt. Nach ihm soll derjenige wie ein persönlich haftender Gesellschafter in Anspruch genommen werden können, der (ohne eingetragen zu sein) in eine bestehende Handelsgesellschaft „eintritt”. Als bereits vorher der Gesellschaft angehörende Gesellschafterin ist die Beklagte aber nicht erst mit dem Erbfall in die Gesellschaft eingetreten; auch durch den Hinzuerwerb des Anteils ihres Ehemannes hat sich nur der Inhalt ihrer Mitgliedschaftsrechte verändert. Die Rechtslage ist insoweit ähnlich wie bei der Umwandlung der Gesellschafterstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters in die eines Kommanditisten, wo zwar ebenfalls oft mißverständlich von einem „Austritt” dieses Gesellschafters aus der Gesellschaft mit gleichzeitigem „Neueintritt” als Kommanditist gesprochen wird, in Wahrheit aber die Zugehörigkeit zur Gesellschaft ohne Unterbrechung erhalten bleibt; hier wandeln sich ebenfalls nur die Mitgliedschaftsrechte und -pflichten, und die Haftung für Verbindlichkeiten aus der Zeit bis zur Eintragung des Wechsels der Recht Stellung ist nicht nach § 176 Abs. 2 HGB (vgl. Mayer-Maly, Festschrift für Westermann S. 369, 379 m.w.N.), sondern nach § 15 Abs. 1 HGB zu bestimmen.

Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende ausdehnende Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall ist nicht geboten. Die Haftungsverschärfung wird vom Gesetz an die äußerlich in Erscheinung tretende einfache Tatsache der Zugehörigkeit zu einer Handelsgesellschaft angeknüpft; insofern sollen im Interesse der Sicherheit im Rechtsverkehr zu Lasten nicht eingetragener Gesellschafter alle Zweifel ausgeschlossen werden, ob sie unbeschränkt oder beschränkt haften. Dieser Gedanke paßt nicht für Fälle, in denen sich inner gesellschaftsrechtliche Vorgänge unter eingetragenen Gesellschaftern vollziehen, die allenfalls für denjenigen eine Unsicherheit auslösen können, der ausnahmsweise etwas von solchen inner gesellschaftsrechtlichen Vorgängen erfahren hat. Die Beseitigung solcher für den Rechtsverkehr sehr viel weniger bedeutsamen Zweifel ist nicht der Schutzzweck des § 176 HGB, vielmehr legt das Gesetz, wie sich aus den eng damit zusammenhängenden Vorschriften ergibt, für die Höhe der Haftung des einmal eingetragenen Kommanditisten die maßgebliche Bedeutung der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme bei: Die Gesellschaftsgläubiger können sich grundsätzlich auf diese Haftsumme verlassen (§ 172 Abs. 1), auf eine zwar vereinbarte, aber noch nicht eingetragene Erhöhung können sie sich im allgemeinen nicht berufen (§ 172 Abs. 2), und eine Herabsetzung hat, solange sie nicht eingetragen ist, ihnen gegenüber keine Auswirkung (§ 174). Hieraus wird deutlich, daß nach der gesetzlichen Wertung der Hinzuerwerb des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters durch einen im Handelsregister bereits als solchen gekennzeichneten und weiterhin in dieser Recht Stellung verbleibenden Kommanditisten nicht als Unterfall des § 176 Abs. 2 HGB angesehen werden kann. Aus diesem Gesichtspunkt kann die Beklagte daher nicht verurteilt werden. Das Gesetz trägt dem Schutzbedürfnis der Gesellschaftsgläubiger in Fällen dieser Art in anderer Weise Rechnung.

2. Eine Haftung der Beklagten für die Ansprüche der Klägerin kommt nämlich, was das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus bisher nicht zu prüfen brauchte, gemäß § 15 Abs. 1, § 128 HGB in Betracht, weil im Zeitpunkt der Entstehung der Klageansprüche ihr Ehemann noch als persönlich haftender Gesellschafter im Handelsregister eingetragen war. Sein Ausscheiden durch den Tod war für die Beklagte als dessen Erbin eine „in ihren Angelegenheiten einzutragende Tatsache” (§ 143 Abs. 2 HGB), die sie einem Geschäftspartner der Gesellschaft gemäß § 15 Abs. 1 HGB grundsätzlich nicht entgegenhalten kann. Das bedeutet, daß die Haftung ihres Ehemannes aus § 128 HGB für nach dessen Tode begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten sie trifft, allerdings, da sie in seine volle Rechtstellung als persönlich haftender Gesellschafter nicht eingetreten ist, nur als Erbin (RGZ 144, 199, 206; vgl. auch den ähnlichen Fall des § 139 Abs. 4 HGB). Die Beklagte hat sich auf die auf den Nachlaß ihres Ehemannes beschränkte Erbenhaftung berufen und dazu weiterhin behauptet, ein Nachlaß sei nicht vorhanden. Dieses Vorbringen ist in den Tatsacheninstanzen bislang nicht behandelt worden. Der Rechtsstreit ist daher insoweit noch nicht entscheidungsreif und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Bei der erneuten Verhandlung der Sache kann noch von Bedeutung sein, daß sich die Klägerin darauf, daß Walter M.. Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht eingetragen war, gemäß § 15 Abs. 1 HGB nicht berufen kann, wenn ihrem Inhaber das Ausscheiden bekannt war. Für den von der Beklagten zu erbringenden Nachweis einer solchen Kenntnis reicht es nicht aus, daß der Inhaber der Klägerin – wohl unbestritten – vom Tode Walter M. wußte. Die in einem solchen Falle notwendige Kenntnis muß sich nach dem Zweck der Vorschrift vielmehr darauf erstrecken, daß der Verstorbene in dem Sinne aus der Gesellschaft ausgeschieden war, daß sein Privatvermögen auch in der Hand eines seine Recht Stellung als persönlich haftender Gesellschafter fortsetzenden Erben fortan als Haftungsmasse nicht mehr zur Verfügung stand (RGZ 144, 199, 201 ff). Das hatte die Beklagte in der Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im Schriftsatz vom 19. Juni 1974 und den Antrag, den Inhaber der Klägerin hierzu als Partei zu vernehmen, sinngemäß behauptet, indem sie ausgeführt hat, dieser sei auf der Beerdigung ihres Ehemannes gewesen und „über die familiären und gesellschaftsrechtlichen Vorgänge genau im Bilde” gewesen. Als Behauptung einer sog. „inneren Tatsache” war dieser Vortrag, was das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang bezweifelt hat, hinreichend substantiiert. Der Beweis wird daher, wenn die Klage nicht schon aus anderen Gründen, etwa an der Erschöpfungseinrede, scheitert (RGZ 58, 124, 128), erhoben werden müssen.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Dr. Kellermann, Bundschuh, Dr. Skibbe

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 98

NJW 1976, 848

JR 1976, 248

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1976, 613

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