Leitsatz (amtlich)

Die Forderung der Hausbank, ein bestimmtes Vorstandsmitglied abzuberufen, andernfalls eine für die Aktiengesellschaft lebenswichtige Kreditlinie nicht verlängert werde, ist jedenfalls bei bestehender Insolvenzreife der Gesellschaft ein wichtiger Grund für eine Abberufung i.S.d. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG.

 

Normenkette

AktG § 84 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 13.10.2005; Aktenzeichen 23 U 1949/05)

LG München II (Entscheidung vom 26.01.2005; Aktenzeichen 1 HKO 4535/04)

 

Tenor

Der Kläger wird, nachdem er die Revision gegen das am 13. Oktober 2005 verkündete Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Die Kosten der Revision werden ihm auferlegt (§ 26 Nr. 7 EGZPO, §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).

Streitwert: 75.000,00 EUR

 

Gründe

[1] 1. Die Rechtsfrage, wegen der das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch sind sonstige Revisionszulassungsgründe erfüllt.

[2] Ein wichtiger Grund, aus dem der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied gem. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG abberufen kann, liegt nach ganz h.M. dann vor, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist (vgl. etwa Hüffer, AktG 7. Aufl., § 84 Rz. 26). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen (BGH, Urt. v. 7.6.1962 - II ZR 131/61, WM 1962, 811, 812). Ob die Forderung einer finanzierenden Bank, ein bestimmtes Vorstandsmitglied abzuberufen, andernfalls eine für die Gesellschaft lebenswichtige Kreditlinie nicht verlängert werde, einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, ist danach keine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, sondern kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden.

[3] 2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

[4] a) Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Dabei kann offen bleiben, ob durch den Beschluss des Aufsichtsrats vom 6.7.2005 die Prozessführung genehmigt und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine wirksame Prozessvollmacht erteilt worden ist. Denn etwaige Mängel sind jedenfalls durch den nachfolgenden Aufsichtsratsbeschluss vom 29./30.6.2006 rückwirkend geheilt worden. Dieser Beschluss ist von drei Aufsichtsratsmitgliedern gefasst worden, und keine dieser Personen unterlag einem Stimmverbot.

[5] b) Auch in der Sache ist dem Berufungsgericht zu folgen. Anders als in der von der Revision herangezogenen Entscheidung des Senats BGHZ 34, 392 geht es hier nicht um die Kündigung des Anstellungsvertrags des Vorstandsmitglieds, sondern um den Widerruf seiner Bestellung zum Organmitglied. Die Annahme des Berufungsgerichts, angesichts der Insolvenzreife der Beklagten am 20./21.7.2004 habe die Weigerung der D. Bank, ohne vorherige Abberufung des Klägers die Kreditlinie zu verlängern, einen wichtigen Grund i.S.d. § 84 AktG dargestellt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt der Abberufung war bereits Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. In dieser Situation hatte der Aufsichtsrat keine andere Möglichkeit, als auf das Verlangen der Bank einzugehen, wollte er nicht den Untergang der Gesellschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens riskieren.

[6] Ob die D. Bank ihre Drohung ernst gemeint hat, ist entgegen der Auffassung der Revision im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Bei der Überprüfung der Abberufung kommt es allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Aufsichtsrats zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung an. Dazu hat das Berufungsgericht festgestellt, dass dem Aufsichtsrat zu jenem Zeitpunkt ein möglicher abweichender Wille der Bank nicht bekannt oder erkennbar war. Die Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf. Der bloße Umstand, dass die Kredite der D. Bank ungesichert waren, lässt noch nicht zwingend auf einen entsprechenden Willen der Bank schließen, die Kreditlinien auch bei einem Verbleib des Klägers im Vorstand zu verlängern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1678542

DB 2007, 158

DStR 2007, 262

HFR 2007, 597

NWB 2007, 332

BGHR 2007, 213

NJW-RR 2007, 389

EWiR 2007, 161

NZG 2007, 189

WM 2007, 164

WuB 2007, 193

ZIP 2007, 119

AG 2007, 125

MDR 2007, 476

NZI 2007, 188

ZBB 2007, 63

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