Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit einer eigenhändigen Unterschrift bei einem mit einem normalen Telefax-Gerät an das Gericht übermittelten Schriftsatz. Zulässigkeit einer eingescannten Unterschrift nur bei elektronischer Übertragung einer Textdatei, da in diesem Fall die Übersendung des Schriftsatzes mit eigenhändiger Unterschrift nicht möglich ist

 

Leitsatz (amtlich)

Eine eingescannte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten in einem bestimmenden Schriftsatz genügt nicht den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO, wenn der Schriftsatz mit Hilfe eines normalen Faxgerätes und nicht unmittelbar aus dem Computer versandt wurde.

 

Normenkette

ZPO § 130 Nr. 6

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Beschluss vom 01.11.2005; Aktenzeichen 8 U 97/05)

LG Braunschweig (Entscheidung vom 29.04.2005; Aktenzeichen 5 O 841/04)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 18.04.2007; Aktenzeichen 1 BvR 110/07)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des OLG Braunschweig vom 1.11.2005 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, einschließlich der Kosten des Streithelfers der Beklagten.

Der Gegenstandswert beträgt 61.815,19 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Das LG hat mit Urteil vom 29.4.2005, zugestellt am 3.5.2005, die Vollstreckungsgegenklage der Kläger abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 3.6.2005 haben sie gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Die per Telekopie beim OLG am selben Tag eingegangene Berufungsschrift ist von ihrem Prozessbevollmächtigten nicht unterschrieben worden, sondern weist eine eingescannte Unterschrift auf. Das am 7.6.2005 beim Berufungsgericht eingegangene Original der Rechtsmittelschrift schließt mit einem handschriftlichen Namenszug ab, der mit der eingescannten Unterschrift nicht übereinstimmt.

[2] Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der mit normalem Faxgerät übermittelte Schriftsatz vom 3.6.2005 erfülle nicht die an eine formgerechte und damit fristwahrende Einlegung der Berufung zu stellenden Anforderungen. Bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozess müssten von einem bei dem Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein, weil nur mit der Unterschrift der Nachweis geführt werde, dass er die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift übernehme. Die in der Entscheidung des Gemeinsamen Senates vom 5.4.2000 (GmS-OGB v. 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98, MDR 2000, 1089 m. Anm. Liwinska = CR 2000, 578 = NJW 2000, 2340) noch für zulässig gehaltene Ersetzung der Unterschrift durch den Hinweis, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne, habe der BGH in seinem Urteil vom 18.5.2005 (BGH v. 10.5.2005 - XI ZR 128/04, MDR 2005, 1182 = CR 2005, 645 = BGHReport 2005, 1209 = NJW 2005, 2086) für eine als Computerfax bei Gericht eingegangene Berufungsbegründung mit Rücksicht auf die Neufassung des § 130 Nr. 6, 2. Halbs. ZPO nicht mehr als ausreichend erachtet, sondern ein technisch ohne Weiteres mögliches Einscannen der Unterschrift gefordert. Da er sich damit gegen eine nicht durch technische Notwendigkeiten begründete Aufgabe oder Einschränkung des Schriftformerfordernisses ausgesprochen habe, reiche eine eingescannte Unterschrift unter einem mit normalem Faxgerät übermittelten Schriftsatz zur Wirksamkeit der Berufung nicht aus.

[3] Ein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall liege nicht vor. Das Fehlen der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten könne zwar unschädlich sein, wenn sich aus anderen Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergebe, dass er die Verantwortung für den Inhalt des bestimmenden Schriftsatzes übernommen habe. Hierbei könnten aber nur solche Umstände berücksichtigt werden, die spätestens bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt geworden seien. Dies sei hier schon deshalb nicht der Fall, weil das Original der Berufungsschrift erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Gericht eingegangen sei. Zudem bestünden Zweifel an einer durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger autorisierten Einlegung der Berufung innerhalb der Rechtsmittelfrist, da die Unterschriften auf der Telekopie und auf dem Original nicht identisch seien.

[4] Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.

[5] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGH, Beschl. v. 29.5.2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 43 = BGHReport 2002, 745 m. Anm. Burgermeister = MDR 2002, 1266; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223 = BGHReport 2002, 948 = MDR 2002, 1207; Senatsbeschluss v. 22.11.2005 - XI ZB 43/04, BGHReport 2006, 322 = MDR 2006, 589 = NJW-RR 2006, 284), sind nicht erfüllt.

[6] 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des BGH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich. Die von ihr aufgeworfene Frage, ob eine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten bei einer per Telefax übermittelten Berufung zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung ist, hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, sondern ist seit langem höchstrichterlich geklärt.

[7] a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH müssen Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsschriften als bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO), da mit der Unterschrift der Nachweis geführt wird, dass der Berufungs- oder Revisionsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt (s. z.B. BGH, Beschl. v. 25.3.1986 - IX ZB 15/86, BGHZ 97, 283, 284 f. = MDR 1986, 846; BGH, Urt. v. 31.3.2003 - II ZR 192/02, BGHReport 2003, 827 = MDR 2003, 896 = NJW 2003, 2028; BGH, Beschl. v. 15.6.2004 - VI ZB 9/04, BGHReport 2004, 1447 = MDR 2004, 1252 = NJW-RR 2004, 1364; s. ferner Senatsbeschluss v. 23.11.2004 - XI ZB 4/04, BGHReport 2005, 459 = MDR 2005, 526 = NJW-RR 2005, 435, 436 und Urt. v. 10.5.2005 - XI ZR 128/04, BGHReport 2005, 1209 = MDR 2005, 1182 = NJW 2005, 2086, 2087). Dass in der Literatur (Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl., § 130 Rz. 21 f. m.w.N.) das Unterschriftserfordernis vereinzelt nicht mehr als zeitgemäß angesehen wird, verschafft der Rechtssache entgegen der Auffassung der Kläger keine grundsätzliche Bedeutung.

[8] b) Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Hinblick auf den technischen Fortschritt in einem erheblichen Umfang Ausnahmen von dem Unterschriftserfordernis zugelassen. So hat die Rechtsprechung bereits früh die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift und anderer bestimmender Schriftsätze durch ein Telegramm oder mittels Fernschreiben für zulässig erachtet (vgl. die Nachw. bei GmS-OGB v. 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 162 ff. = MDR 2000, 1089 m. Anm. Liwinska = CR 2000, 578). Auch die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (vgl. GmS-OGB v. 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 164 = MDR 2000, 1089 m. Anm. Liwinska = CR 2000, 578). Für eine durch Computer-Fax übermittelte Berufungsbegründung hat der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden (GmS-OGB v. 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 164 f. = MDR 2000, 1089 m. Anm. Liwinska = CR 2000, 578), dass in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmende Schriftstücke formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können. Auf eine eigenhändige Unterzeichnung von Rechtsmittelbegründungsschriften ist allerdings, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nur dann und insoweit verzichtet worden, wie technische Gegebenheiten einen solchen Verzicht erforderlich machen. Das ist hier nicht der Fall.

[9] Wird der bestimmende Schriftsatz - wie hier - mittels eines normalen Telefaxgerätes übermittelt, so kann der ausgedruckt vorliegende, per Fax zu übermittelnde Schriftsatz von dem Rechtsanwalt ohne Weiteres unterschrieben werden. Mangels technischer Notwendigkeit hat der BGH es daher seit jeher abgelehnt, in einem solchen Fall auf das Unterschriftserfordernis zu verzichten (BGH, Beschl. v. 11.10.1989 - IVa ZB 7/89, MDR 1990, 226 = WM 1989, 1820, 1821) oder das bloße Einscannen der Unterschrift genügen zu lassen (BGH, Beschl. v. 6.7.2006 - V ZR 260/05, Umdr. S. 2). Daran hält der Senat fest.

[10] c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verlangt die Neufassung des § 130 Nr. 6 ZPO nicht stets lediglich die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie. Zwar fordert Halbs. 2 dieser Vorschrift für den durch einen Telefax-Dienst übermittelten bestimmenden Schriftsatz nur "die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie". Der weit gefasste Wortlaut erklärt sich aber ohne Weiteres daraus, dass der Gesetzgeber in Anlehnung an die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung (zur Entstehungsgeschichte der Bestimmung vgl. Senatsurteil v. 10.5.2005, a.a.O. S. 2087) gewisse Ausnahmen vom Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift zulassen wollte.

[11] Die unterschiedliche rechtliche Behandlung beider Fälle - Übermittlung des bestimmenden Schriftsatzes per Computerfax oder aber mit Hilfe eines normalen Faxgerätes - ist entgegen der Ansicht der Kläger auch sachlich berechtigt. Anders als bei einer eigenhändigen Unterschrift ist bei einer eingescannten Unterschrift nicht gewährleistet, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für die Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt und es sich nicht lediglich um einen vom Rechtsanwalt nicht geprüften Entwurf handelt. Dass sich die Authentizität der Unterschrift in aller Regel nur zuverlässig feststellen lässt, wenn der Schriftsatz mit der eigenhändigen Unterschrift beim Gericht im Original eingeht, steht einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung einer per normalem Fax übermittelten eigenhändig unterzeichneten Rechtsmittelschrift und einer solchen mit lediglich eingescannter Unterschrift schon deshalb nicht entgegen, weil es nicht die Aufgabe des Unterschrifterfordernisses ist, Fälschungen zu verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2001 - VIII ZR 58/01, NJW 2001, 2888 f.).

[12] 2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Kläger auch ihr Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht verletzt. Dieses gebietet es, den Prozessparteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 f.; BVerfGE 41, 332, 334 f.; BVerfG, Urt. v. 14.5.1985 - 1 BvR 370/84, MDR 1985, 816 = BVerfGE 69, 381, 385; BVerfG v. 22.10.2004 - 1 BvR 894/04, NJW 2005, 814, 815; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227 = BGHReport 2002, 948 = MDR 2002, 1207). Das ist durch das vom Berufungsgericht für notwendig erachtete Erfordernis einer Unterschrift nicht geschehen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hätte, wie dargelegt, aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des BGH vom Erfordernis einer Unterschrift als Wirksamkeitsvoraussetzung bestimmender Schriftsätze ausgehen und dem Rechnung tragen müssen. Das wäre ihm durch eigenhändige Unterzeichnung der ausgedruckten Berufungsschrift problemlos und ebenso leicht möglich gewesen wie das Einscannen seiner Unterschrift mit Hilfe eines Computers.

 

Fundstellen

HFR 2007, 168

NJW 2006, 3784

Inf 2007, 332

BGHR 2006, 1548

EBE/BGH 2006, 371

FamRZ 2007, 37

JurBüro 2007, 164

JurBüro 2007, 97

WM 2006, 2331

AnwBl 2007, 86

VersR 2007, 563

Info M 2007, 42

MMR 2007, 103

MMR 2007, 68

NJW-Spezial 2007, 143

NWB direkt 2007, 11

ZFE 2007, 82

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